Zu viel gezahlte Umsatzsteuer auf bestimmte Medizinprodukte in Polen und Ungarn?

Der an die gesetzlichen und privaten Krankenkassen zu gewährende Rabatt führt als Folge eines EuGH-Urteils aus dem Jahr 2017 beim Hersteller zu einer Minderung des Entgelts für seine Lieferung an den Zwischenhändler oder die Apotheke in Deutschland. In einigen europäischen Ländern werden diese Zahlungen bislang allerdings nicht als Minderung der Bemessungsgrundlage für Zwecke der Umsatzsteuer akzeptiert. Betroffene Hersteller sollten Erstattungsmöglichkeiten prüfen.

Als Folge des EuGH-Urteils in der Rechtssache Boehringer-Ingelheim vom 20.12.2017 (C-462/16) führt der an die gesetzlichen und privaten Krankenkassen zu gewährende Rabatt beim Hersteller zu einer Minderung des Entgelts für seine Lieferung an den Zwischenhändler oder die Apotheke in Deutschland (vgl. UStAE 10.3 Abs. 7). Obwohl einige europäische Länder den Herstellern und Zwischenhändlern ähnliche Zahlungsverpflichtungen auferlegen, werden diese Zahlungen als Minderung der Bemessungsgrundlage für Zwecke der Umsatzsteuer bislang nicht in allen Ländern akzeptiert.

Vor einigen Monaten hat die polnische Finanzverwaltung die Anwendung des Boehringer-Ingelheim Urteils in die eigene Praxis übernommen. In Polen ansässige oder für Zwecke der Umsatzsteuer dort erfasste Steuerpflichtige sollten daher unbedingt prüfen, ob sie Zahlungen an den Nationalen Gesundheitsfonds (Narodowy Fundusz Zdrowia) leisten und geleistet haben.

Ist dies der Fall, sollte die Möglichkeit der Erstattung der Umsatzsteuer und der entsprechenden Verzinsung für die noch offenen Veranlagungszeiträume geprüft werden.

Ähnlich gelagert ist der Fall bei Zahlungen an den staatlichen Krankenversicherungsträger in Ungarn (Nemzeti Egészségbiztosítási Alapkezelő, abgekürzt NEAK). Die ungarische Finanzverwaltung akzeptiert solche Zahlungen nicht als Minderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage unter Verweis darauf, dass es sich bei den Zahlungen um eine Steuer handelt, so dass die Bemessungsgrundlage nicht gemindert werden kann. Zu dieser Frage ist gegenwärtig ein Verfahren beim EuGH anhängig (Novo Nordisk AS gegen Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága, Rs. C-248/23). In ihrem am 06.06.2024 veröffentlichten Schlussantrag hat die Generalanwältin Tamara Ćapeta nun für die Minderung der Bemessungsgrundlage plädiert. Sollte der EuGH sich der Auffassung der Generalanwältin anschließen, würde den Steuerpflichtigen die Möglichkeit der Erstattung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer samt Zinsen für die noch offenen Veranlagungszeiträume eröffnet werden.

Betroffene Steuerpflichtige sollten mit Blick auf das noch anhängige Verfahren die Möglichkeit eines Erstattungsantrags prüfen.

Ansprechpersonen:

Oliver Wehnert

Juliane Sassmann

Anastasia Büttner