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Startup-Finanzierung in Österreich: Warum viel Kapital ungenutzt bleibt – und was sich jetzt ändern muss

Österreichs Start-up-Szene leidet unter einem Finanzierungsrückgang – trotz vorhandener Mittel. Woran es hakt und wie das Ökosystem wieder in Schwung kommt, lesen Sie in diesem Beitrag.


Überblick

  • Nur 110 Millionen Euro Risikokapital flossen im 1. Halbjahr 2025 in österreichische Start-ups – ein Rückgang von 64 Prozent und der niedrigste Wert seit 2019.
  • Die Finanzierungslücke zieht sich durch alle Phasen – von Pre-Seed bis Series B.
  • Private Investor:innen sind grundsätzlich investitionsbereit, aber zögern bei neuen Engagements.
  • Strukturelle Hürden hemmen die Kapitalflüsse – trotz vorhandenem Potenzial von 225 Millionen Euro.
  • Was es jetzt braucht: klarere steuerliche Rahmenbedingungen, strategisch aufgesetzter Dachfonds, Ausbau von Spin-off- und Wachstumsfinanzierung.

Die Start-up-Szene in Österreich hat sich in den vergangenen Jahren dynamisch entwickelt – mit innovativen Ideen, wachsender Internationalisierung und starkem Gründungsgeist. Doch beim Zugang zu Kapital wird das Potenzial oft nicht ausgeschöpft. Trotz eines aktiven Ökosystems und vielversprechender Gründungen bleibt die Finanzierung ein kritischer Engpass.

Die Finanzierung bricht ein – trotz stabiler Deal-Anzahl

Das aktuelle EY Start-up-Barometer sowie EY Start-up Investment Barometer für das erste Halbjahr 2025 zeigen: Start-up-Investitionen in Österreich sind deutlich zurückgegangen. Das Finanzierungsvolumen fiel auf nur noch 110 Millionen Euro – ein Minus von 64 Prozent gegenüber dem Vorjahr und der tiefste Halbjahreswert seit 2019.

Das Finanzierungsvolumen sank auf
Millionen Euro – ein Rückgang um 64 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Mit 70 Finanzierungsrunden blieb die Deal-Anzahl annähernd stabil, doch die durchschnittliche Dealgröße sank auf 2 Millionen Euro – der niedrigste Wert seit mehr als einem Jahrzehnt.

Besonders auffällig: Keine einzige Finanzierung über 50 Millionen Euro wurde verzeichnet. Auch Runden zwischen 10 und 50 Millionen Euro gingen deutlich zurück. Das zeigt: Die Finanzierungslücke betrifft nicht nur die Frühphase, sondern auch Start-ups mit internationalem Wachstumspotenzial.

Kapitalbedarf entlang des gesamten Wachstumszyklus

Die Finanzierungsschwäche zieht sich durch alle Phasen:

  • Es wurden nur 12 Pre-Seed-Runden gezählt – ein historischer Tiefstand.
  • Die Frühphasenfinanzierungen unter 1 Million Euro gingen um 20 Prozent zurück.
  • Bei Series A und B liegt der Anteil österreichischer Investor:innen nur noch bei 33 bzw. 25 Prozent.
  • In der Seed-Phase bleibt die Beteiligung mit 54 Prozent zwar solide, ist aber rückläufig.

Diese Entwicklung trifft nicht nur einzelne Start-ups, sondern belastet das gesamte Ökosystem. Ohne ausreichende Frühphasenfinanzierung geraten viele Geschäftsmodelle gar nicht erst in die nächste Stufe. Und ohne Anschlussfinanzierung bleibt Skalierung auf der Strecke.

Investor:innen sind bereit – aber zurückhaltender

Der Austrian Investing Report 2024 zeigt: Die Investitionsbereitschaft ist grundsätzlich da. 165 befragte Investor:innen – darunter Business Angels, Fonds und Family-Offices – planen für 2025 ein Gesamtvolumen von rund 225 Millionen Euro in österreichische Start-ups und KMUs.

 

Doch viele agieren vorsichtiger als früher. Das liegt nicht an mangelndem Vertrauen in die Szene, sondern an veränderten Rahmenbedingungen:

 

  • Gestiegene Zinsen und geopolitische Unsicherheit verschieben Risikoprofile.
  • Bestehende Beteiligungen erfordern Nachschüsse.
  • Gleichzeitig fehlen steuerliche Anreize und rechtliche Klarheit bei neuen Investments.

 

Es geht nicht um Investorenfrust – sondern um rationales Risikomanagement in einem herausfordernden Umfeld.

 

Was Investor:innen konkret sagen

  • 50,5 Prozent der Business Angels und 46,7 Prozent der institutionellen Investor:innen geben an, dass sich ihr Investitionsverhalten aufgrund externer Faktoren verändert hat.
  • Viele wünschen sich gezieltere Anreize – etwa einen Beteiligungsfreibetrag oder die Möglichkeit zur steuerlichen Verlustverrechnung.
  • Auch die Komplexität von Förderungen und Regelungen wird häufig als Investitionshemmnis genannt.

 

Gleichzeitig zeigen die Daten, dass 80 Prozent der Investor:innen Start-ups und Scale-ups weiterhin als wichtigste Anlageklasse sehen. Zudem soll die Inlandsquote steigen – Angels wollen 59 Prozent ihres Kapitals in Österreich investieren (bisher: 45 Prozent), institutionelle Investoren 47 Prozent (bisher: 39 Prozent). Die Bereitschaft ist vorhanden – aber sie entfaltet sich nur, wenn das Umfeld dafür stimmt.

 

Start-ups in Österreich: politische Zielsetzung vs. tatsächlicher Fortschritt

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Initiativen angekündigt, um Österreich als Start-up-Standort zu stärken. Dazu zählen:

 

  • Die Einrichtung eines Dachfonds nach dem Fund-of-Funds-Modell
  • Der Ausbau der Spin-off-Förderung
  • Reformen bei Rechtsformen (z. B. FlexCo)
  • Erste Anreize für unternehmerisches Denken an Hochschulen

 

Diese Schritte zeigen, dass das Thema auf politischer Ebene angekommen ist. Doch in der Umsetzung bleiben zentrale Fragen offen:

 

  • Wie rasch werden Maßnahmen wie der Dachfonds tatsächlich umgesetzt?
  • Werden steuerliche Reformen ambitioniert genug gedacht?
  • Wie gelingt die Verbindung von EU-Initiativen (z. B. TechEU) mit nationaler Förderpraxis?

 

Die Richtung stimmt – entscheidend ist jetzt die Geschwindigkeit und Kohärenz der Umsetzung.



Die Bereitschaft zu Investitionen in österreichische Start-ups und Scale-ups ist vorhanden. Sie kann sich aber nur entfalten, wenn das Umfeld dafür stimmt.



Gender Gap bei Finanzierung: Frauen fallen weiter zurück

 

Der Female Start-up Funding Index für das erste Halbjahr 2025 von EY Österreich in Kooperation mit Female Founders und Fund F zeigt einen deutlichen Rückschritt bei der Finanzierung weiblich geführter Start-ups. Im ersten Halbjahr 2025 waren von 153 Gründer:innen mit abgeschlossener Finanzierungsrunde nur elf Frauen – ein Anteil von rund sieben Prozent und damit deutlich weniger als im Vorjahr (11 Prozent).

 

Noch gravierender ist die Ungleichverteilung beim Kapital: 98,1 Prozent des investierten Volumens entfielen auf rein männlich besetzte Teams. Gemischte Teams erhielten lediglich 1,3 Prozent der Investitionen (H1/2024: 24,2 Prozent). Gründerinnen sind fast ausschließlich in der Frühphase präsent; bei großen Finanzierungsrunden über 10 Mio. Euro war 2025 keine Frau unter den Gründenden vertreten.

 

Dieses Ungleichgewicht ist kein Randthema, sondern ein strukturelles Problem mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen: Studien zufolge könnte eine Schließung des Gender Gaps im Entrepreneurship das EU-BIP um bis zu 6,2 Prozent steigern. Österreich muss daher gezielt gegensteuern, etwa mit Kapitalanreizen für Investments in Gründerinnen, Reformen im Gesellschaftsrecht sowie Initiativen, die weibliche Vorbilder sichtbarer machen und den Zugang zu Wachstumskapital erleichtern.


Studienergebnisse herunterladen

Hier können Sie die aktuellen Ergebnisse für das erste Halbjahr 2025 für das EY Start-up-Barometer, das EY Start-up Investment Barometer (in Zusammenarbeit mit invest.austria) und den Female Start-up Funding Index (in Zusammenarbeit mit Female Founders und Fund F) kostenlos herunterladen.


Handlungsempfehlungen: Wo angesetzt werden muss

1. Beteiligungsfreibetrag für private Investor:innen

Ein gezielter steuerlicher Anreiz in der Frühphase kann insbesondere Business Angels mobilisieren – mit überschaubarem fiskalischem Aufwand.

2. Verlustverrechnung ermöglichen

Investitionen in Start-ups sind naturgemäß riskanter. Eine faire Verlustverrechnung würde die Attraktivität substanziell erhöhen – besonders bei institutionellen Kapitalgebern.

3. Dachfonds mit Hebelwirkung umsetzen

Ein starker, professionell gemanagter Dachfonds kann Co-Investitionen anstoßen und Kapital in Wachstumsrunden lenken – vor allem dann, wenn er mit europäischen Fondsprogrammen gekoppelt ist.

4. Spin-offs systematisch kapitalisieren

Wissenstransfer aus der Forschung gelingt nur, wenn IP-Fragen geklärt, Beteiligungsmodelle standardisiert und Investor:innen frühzeitig eingebunden werden.

Fazit: Anreize & Klarheit bei Finanzierung schaffen

Österreich hat exzellente Gründer:innen, forschungsstarke Institutionen und engagierte Investor:innen. Das Fundament ist vorhanden – was fehlt, ist eine systemische Verbindung zwischen Kapital und Innovation.

Die aktuellen Zahlen sind ein Weckruf: Wenn Österreich als Innovationsstandort bestehen will, muss es jetzt in Strukturen, Anreize und Klarheit investieren.

Nicht jede Investitionszurückhaltung ist ein Zeichen von Angst. Manchmal ist sie einfach eine Reaktion auf falsche Rahmenbedingungen. Daran lässt sich arbeiten – und das sollten wir tun.

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