Renaturierungsgesetz für Sektoren und Landwirtschaft

Das Renaturierungsgesetz und seine Bedeutung für Unternehmen

Als Teil des EU Green Deals zielt das Renaturierungsgesetz auf die Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme in Europa bis 2050 ab.


Überblick

  • Das kürzlich verabschiedete Rena­turie­rungs­gesetz, auch bekannt als Nature Restoration Law, ist ein zentraler Bestandteil der EU-Biodiversitäts­strategie (Biodiversity strategy for 2030).
  • Bis 2030 soll die Renaturierung von zumindest 20 Prozent der Land- und Meeresflächen erfolgt sein, bis 2050 ist das Ziel, alle betroffenen Ökosysteme wiederherzustellen.
  • Es bringt einige Vorteile für die Umwelt und Sektoren mit sich, stellt viele Unternehmen aber auch vor Herausforderungen und trifft auf kritische Stimmen.

Das Rena­turie­rungs­gesetz, auch bekannt als Nature Restoration Law, ist ein zentraler Bestandteil der EU-Biodiversitäts­strategie (Biodiversity strategy for 2030) und somit ein wesentlicher Teil des European Green Deal. Es zielt darauf ab, die natürlichen Ökosysteme Europas bis 2050 wiederherzustellen.1

Das 2024 verabschiedete Gesetz verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Wiederherstellung zerstörter Ökosysteme zu ergreifen. Bis 2030 sollen mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen der EU renaturiert werden, mit dem Ziel, bis 2050 alle betroffenen Ökosysteme wiederher­zustellen. Diese Maßnahmen umfassen beispielsweise die Wiedervernässung von Mooren, die Aufforstung und Diversifi­zierung von Wäldern und die Begrünung von städtischen Gebieten.1

Das Gesetz betrifft eine Vielzahl an Unternehmen in Österreich und ganz Europa. Auf Unternehmen in gewissen Sektoren hat das Renaturierungsgesetz stärkere Auswirkungen als auf andere. In diesem Artikel möchten wir Ihnen die wichtigsten Aspekte des Gesetzes und dessen Auswirkungen auf Ihr Unternehmen näherbringen.

Seichtes Gewässer mit Wasserpflanzen und Büschen am Ufer, Berge im Hintergrund
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Kapitel 1

Welchen Einfluss hat das Renaturierungsgesetz?

Ziel des Renaturierungsgesetzes ist es, wertvolle und natürliche Ökosysteme wiederherzustellen, deren Stabilität auch für die Wirtschaft wichtig ist.

Biodiversität und Ökosysteme schützen

Intakte Ökosysteme sind entscheidend für die Biodiversität und bieten essenzielle Dienstleistungen wie sauberes Trinkwasser, fruchtbare Böden und Klimaregulation. Sie schützen uns vor Naturkatastrophen und tragen zur Stabilität unserer Umwelt bei. Doch leider befinden sich aktuell 81 Prozent der geschützten europäischen Ökosys­teme in einem schlechten Erhaltungszustand.1 Dies betrifft auch die Natura 2000 Gebiete, ein Netzwerk von Schutzgebieten, das europaweit eingerichtet wurde, um die Biodiversität zu bewahren.2

 

Hier setzt das Renaturierungsgesetz an: Es ist ein bedeutender Schritt zur Wieder­herstellung dieser wertvollen Ökosysteme. Intakte Ökosysteme sichern nicht nur unsere Nahrung, sondern sind auch ein Schlüsselfaktor für die Zukunft unserer Wirtschaft. Über die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung hängt direkt oder indirekt von der Natur ab.3 Unternehmen weltweit sind auf stabile Ökosysteme angewiesen, um nachhaltig und profitabel zu wirtschaften. Der Verlust an Biodiversität – verursacht durch übermäßigen Ressourcen­verbrauch, intensive Land­nutzung, Bebauung und Verschmutzung – bedroht diese Grundlage.

 

Klimaschutz und wirtschaftliche Vorteile

Durch den Klimawandel bedingte Trocken­perioden, Überdüngung, Übernutzung von Böden, übermäßiger Pestizideinsatz und exzessive Flussverbauungen reduzieren oder zerstören wertvolle Ökosystem­dienst­leistungen. Dadurch wird unsere Lebens­grundlage und die Basis unserer Wirtschaft gefährdet. Im Gegenzug dazu können Unternehmen, die frühzeitig in nachhaltige Praktiken und Technologien investieren, sich einen Wettbewerbsvorteil sichern und von staatlichen Förderungen profitieren.4

 

Investitionen in Renaturierung und Biodiversität sind also Investitionen in die eigene Zukunft. Indem wir die Natur schützen, sichern wir nicht nur unsere Ernährung, sondern auch wirtschaftliche Stabilität und Wachstum. Das Renaturie­rungs­gesetz bietet die Chance, frühzeitig auf Herausforderungen zu reagieren und die Grundlage für eine nachhaltige und florierende Wirtschaft zu legen.

 

Durch die Wiederherstellung natürlicher Kohlenstoffsenken wie beispielsweise biodiverse Wälder und Moore trägt das Gesetz nicht nur wesentlich zum Klima­schutz bei, sondern schafft auch grüne Arbeitsplätze und fördert nachhaltige Wirtschaftszweige. Dies trägt langfristig zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung bei.5,6

Ein Mann spricht am Podium, im Vordergrund sieht man Zuhörer:innen von hinten.
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Kapitel 2

Kritische Stimmen und Herausforderungen

Das Renaturierungsgesetz bringt viele Vorteile und Chancen mit sich, jedoch auch einige Herausforderungen.

Unternehmen müssen sich auf neue gesetzliche Anforde­rungen einstellen und gleichzeitig die wirtschaftlichen Auswirkungen bedenken. Einige der Hauptkritikpunkte umfassen:

Wirtschaftliche Belastungen

Unternehmen könnten vor wirtschaft­lichen Heraus­forderungen stehen, da die Um­setzung der Maßnahmen Kosten verur­sachen kann.6 Kritiker:innen fürchten, dass beispiels­weise Anpassungen in der Land­nutzung und betriebliche Verände­rungen initial hohe Investitionen erfordern könnten, die nicht für alle Unternehmen leicht zu stemmen seien.7

Beeinträchtigung der Landwirtschaft

Viele forstwirtschaftliche und landwirt­schaftliche Betriebe befürchten, dass die Renaturierungsmaßnahmen ihre Anbau­flächen und Produktions­mög­lichkeiten einschränken könnten. Maßnahmen wie die Wiederver­näs­sung von Mooren könnten zur Reduk­tion nutzbarer Agrarflächen führen, was sich auf die Lebens­mittelproduk­tion und -sicherheit auswirken könnte. Forstbetriebe fürchten, dass in ihre Wirtschafts­weisen übermäßig einge­griffen und bereits nachhaltige Bewirt­schaftung der Wälder gehemmt werden könnte.8

Bürokratische Hürden

Kritiker:innen fürchten außerdem, dass die Umsetzung des Gesetzes mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden sein könnte. Unternehmen müssen möglicher­weise umfangreiche Anträge und Nachweise erbringen, um staatliche Förderungen zu erhalten und die gesetzlichen Anforde­rungen zu erfüllen.7

Eine Libelle sitzt auf einer gelben Blume.
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Kapitel 3

Die langfristigen Vorteile und Chancen des Renaturierungsgesetzes

Das Renaturierungsgesetz bietet zahlreiche langfristige Vorteile, die sowohl die Umwelt als auch die Wirtschaft betreffen.

Die Wieder­her­stellung von Ökosystemen und natürlichen Lebensräumen ist ein zum Teil sehr langfristiger Prozess, da Pflanzen- und Tier­populationen sich zunächst wieder ansiedeln und stabilisieren müssen. Diese Maßnahmen führen zu einer verbesserten Wasser­qualität, erhöhter Biodiversität und einem effektiven Klimaschutz. Die positiven Auswirkungen entwickeln sich allmählich, sind aber nachhaltig und dauerhaft.

 

Wirtschaftlicher Nutzen durch Investitionen in die Renatu­rierung

Ein bedeutender wirtschaft­licher Vorteil des Renaturie­rungs­gesetzes ist der hohe Rückfluss aus Investi­tionen in die Restauration. Laut einer Studie der Europäischen Union bringt jeder in die Restauration investierte Euro einen Wert von 8 bis 38 Euro zurück. Diese Rückflüsse kommen in Form von Öko­system­dienst­leistungen, die für unser Wirtschafts­system essenziell sind.1

 

Erhöhte Resilienz durch Renaturierungsmaßnahmen

Langfristig stärken Renaturierungsmaßnahmen die Resilienz von Ökosystemen gegenüber den Auswirkungen des Klima­wandels.Intakte Ökosysteme erbringen vielfältige Dienst­leistungen, die für Gesellschaft und Wirtschaft wertvoll und oft kostenlos sind. Ein funktionierender Wasserkreislauf, der fruchtbare Böden und Hochwasserschutz umfasst, ist ein Bei­spiel für solche Dienst­leistungen. Ebenso wichtig ist die Bestäubung durch (Wild-)Bienen, die in Österreich jährlich einen wirtschaftlichen Wert von 300 Millionen Euro darstellt.10

 

Image und Corporate Social Responsibility (CSR)

Ein Engagement für die Ziele des Renaturierungsgesetzes kann das Image Ihres Unternehmens stärken und positive Effekte auf Ihre Corporate Social Responsibility (CSR) haben. Kund:innen, Partner:innen und Investor:innen fordern zunehmend nachhaltige Geschäftsmodelle und umweltfreundliche Praktiken. Durch die Implementierung von Renaturierungsmaßnahmen kann Ihr Unternehmen nicht nur gesetzliche Anforderungen erfüllen, sondern auch aktiv zum Klimaschutz beitragen und sich als verantwortungsbewusster Akteur positionieren.

 

Förderungen für Renaturierungs­maßnahmen

Um die Umsetzung von Renaturie­rungsmaßnahmen zu erleich­tern, stehen verschiedene Förderungen auf EU-, Bundes- und Landesebene zur Verfü­gung. Diese Förderungen sind für Gemeinden und Unter­nehmen von großer Bedeutung. Bereits existierende Programme bieten Forst- und Land­wirt:innen finan­zielle Anreize, um Flächen ökologisch zu bewirtschaften.4

 

Freiwilligkeit und Unterstützung

Es ist wichtig zu betonen, dass das Renaturierungsgesetz auf freiwillige Maßnahmen setzt. Unternehmen können durch freiwillige Initiativen und Projekte zur Renaturierung beitragen und sich dabei staatliche Unterstützung und Förderungen sichern. So soll beispielsweise für Landwirt:innen und private Grundbesitzer:innen die Wiedervernässung eine freiwillige Maßnahme bleiben.11 Dies bietet eine große Chance, sich frühzeitig als Frontrunner im Umweltschutz zu positionieren und von den langfristigen wirtschaftlichen Vorteilen zu profitieren.

Eine landwirtschaftlich genutzte Fläche mit grünen Wiesen, Hecken und Bäumen
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Kapitel 4

Vorteile des Renaturierungsgesetzes für einzelne Sektoren

Für gewisse Sektoren birgt das Renaturierungsgesetz großes Potenzial.

Landwirtschaft und Renaturierung

Ein landwirtschaftliches Unternehmen könnte von der Anlage von Blühstreifen, Hecken und anderer Landschaftselemente profitieren, da diese Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität, v. a. von Bestäubern, beitragen. Biologische und regenerative Landwirtschaft sind weitere Beispiele für biodiversitätsfördernde Maßnahmen.12 Dies kann zu einer nachhaltigeren und effizienteren Bewirtschaftung der Flächen führen.

Forstwirtschaft und Aufforstung

Ein Forstunternehmen, das in die Auf­forstung und den Umbau von Monokulturen zu vielfältigen Mischwäldern mit stehendem oder liegendem Totholz investiert, kann nicht nur zur Kohlen­stoffbindung beitragen, sondern auch langfristig stabile und wider­standsfähige Wald­ökosysteme schaffen, die weniger anfällig für Schädlinge und Klima­veränderungen sind.13

Bau- und Immobiliensektor und Begrünung

Unternehmen in der Bau- und Immobilien­branche könnten durch die Begrünung von städtischen Gebieten neue Geschäftsfelder erschließen. Grüne Dächer und Fassaden sowie die Schaffung von städtischen Grünflächen könnten zur Wertsteigerung von Immobilien beitragen, haben gleich­zeitig positive Effekte auf das Stadtklima und fördern die lokale Wertschöpfung.14 Bauunternehmen könnten außerdem durch die Integration von urbanem Grün in ihre Projekte von neuen Ausschreibungen profitieren, die zunehmend solche Kriterien voraussetzen.

Die Havel in Deutschland, mit Wassergräsern und seichten Gewässern.
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Kapitel 5

Erfolgsgeschichten in der Renaturierung

Best-Practice-Beispiele zeigen, wie Renaturierungsprojekte zur regionalen Wirtschaft sowie der ökologischen Nachhaltigkeit beitragen.

Renaturierung des Untere Havel Projekts

Ein Beispiel für die positiven Effekte der Renaturierung ist das Projekt in der Unteren Havel in Deutschland, welches eines der größten Renaturierungs­projekte Europas ist. Seit 2005 arbeiten der NABU und Partner daran, die Havel und ihre Auenlandschaft zu revitalisieren. Maß­nahmen wie die Wieder­herstellung von Altwasser­armen und die Entfernung von Ufer­befestigungen verbessern die natürliche Dynamik des Flusses und erhöhen die Artenvielfalt. Der verbesserte Hochwasser­schutz reduziert Risiken für umliegende Gemeinden. Die wieder­herge­stellte Flusslandschaft zieht Naturliebhaber:innen an, fördert den Tourismus und stärkt die regionale wirtschaftliche Entwicklung. Dies trägt auch langfristig zur Stabilität der lokalen Wirtschaft bei.15

Renaturierung der Traisen

Ein weiteres Beispiel für erfolgreiche Renaturierung ist das Projekt LIFE+ Traisen in Nieder­österreich. Von 2009 bis 2019 wurde der Unterlauf der Traisen, der zuvor durch den Bau des Donaukraft­werks Altenwörth begradigt worden war, in eine vielfältige Aulandschaft umgewandelt. Die neu geschaffene, kurvenreiche Fluss­landschaft bietet Lebensraum für zahlreiche gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Die Renaturierung verbessert nicht nur die Biodiversität, sondern fördert auch den Hochwasser­schutz und schafft Erholungsräume für die Bevölkerung. Das Projekt trägt erheblich zur ökologischen und wirtschaftlichen Nach­haltigkeit der Region bei.16

Renaturierung des Emscher-Systems im Ruhrgebiet

Ein weiteres Beispiel ist die Renaturierung des Emscher-Systems im Ruhrgebiet, wo ehemalige Industrie­gebiete in naturnahe Landschaften umgewandelt wurden. Vor über 30 Jahren begann die Trans­formation der Emscher, die einst als „Kloake des Ruhrgebiets“ bekannt war. Durch Maßnahmen wie die Wieder­herstellung natürlicher Fließ­gewässer und die Schaffung von Auenlandschaften wurde die Wasser­qualität erheblich verbessert und die Biodiversität gestärkt. Diese Umwandlung schuf zudem neue Erholungsräume für die Bevölkerung, erhöhte die Lebensqualität und förderte den Tourismus, was zu einem wirtschaft­lichen Auf­schwung beitrug. Heute fließt die Emscher als lebendiger Fluss durch die Metropole Ruhr und symbolisiert den Wandel zur grünsten Industrie­region der Welt.17


Fazit

Das Renaturierungsgesetz stellt einen mutigen Schritt zur Wiederherstellung ökologischer Systeme und zur Förderung der Biodiversität dar. Für Unternehmen bringt es sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich – vor allem Sektoren wie Land- und Forstwirtschaft, aber auch die Bau- und Immobilienbranche profitieren in vielerlei Hinsicht.

Wie EY Ihr Unternehmen unterstützen kann

Bei EY denkstatt sind wir darauf spezialisiert, Unternehmen bei nachhaltigen Strategien zu unterstützen. Wir helfen Ihnen, die gesetzlichen Anforderungen des Renaturierungsgesetzes zu verstehen und umzusetzen!


FAQs – Häufige Fragen zum Renaturierungsgesetz