Internationale Investorengruppen ziehen sich immer mehr zurück – österreichische werden aktiver
Der Rückgang an größeren Finanzierungsrunden liegt vor allem daran, dass internationale Investorengruppen so wenig Geld wie noch nie seit dem Boom-Jahr 2021 in heimische Start-ups stecken. Die Summe und damit auch der Anteil gingen bereits das dritte Jahr in Folge zurück. 2024 kamen nur 38 Prozent (219 Millionen Euro) des Gesamtfinanzierungsvolumens von rein international besetzten Investorengruppen – in den Vorjahren waren es noch 314 Millionen Euro und 45 Prozent (2023), 688 Millionen Euro oder 68 Prozent (2022) und sogar 926 Millionen Euro oder 75 Prozent (2021).
Gleichzeitig hat sich das Volumen bei Runden, bei denen heimische Investor:innen entweder beteiligt oder allein aktiv waren, über die letzten Jahre nur wenig verändert: 2024 lag es bei 343 Millionen Euro (62 %), 2023 bei 367 Millionen Euro (55 %), 2022 bei 311 Millionen Euro (32 %) und 2021 bei 291 Millionen Euro (25 %):
Positiv: Das Volumen, das bei Finanzierungsrunden mit ausschließlich österreichischen Geldgeber:innen investiert wurde, stieg ebenso wie der Anteil an der Gesamtsumme über die letzten drei Jahre kontinuierlich an: von 27 Millionen Euro (2 %) im Jahr 2021 über 39 Millionen Euro (4 %) im Jahr 2022 und 73 Millionen Euro (11 %) in 2023 bis zum vorläufigen Höchstwert von 75 Millionen Euro (13 %) im vergangenen Jahr.
„Für das österreichische Start-up-Ökosystem gilt seit vielen Jahren dieselbe Gleichung: Hohe Finanzierungsvolumina werden nur durch Mega-Runden mit mehr als 100 Millionen Euro erzielt, die ausschließlich durch internationale Investor:innen getragen werden. Für Scale-ups auf Wachstumskurs heißt das: ohne internationale Kapitalzuflüsse kein oder deutlich weniger Wachstum als geplant. Das Resultat sehen wir in den letzten zwei Jahren besonders deutlich und schmerzhaft: Wenn der Geldhahn internationaler Investorengruppen in Richtung Österreich zugedreht wird, droht der Finanzierungsmarkt zumindest für Unternehmen in einer starken Wachstumsphase auszutrocknen“, sagt Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich.
„Ein Lichtblick ist, dass sich die Investmentsummen bei Finanzierungsrunden, die rein von heimischen Investor:innen gestemmt werden, seit 2021 jedes Jahr erhöht haben. Das unterstreicht die laufende Professionalisierung am heimischen vorbörslichen Kapitalmarkt, durch die österreichische Geldgeber:innen nicht nur bei der Anschubfinanzierung, sondern mittlerweile auch bei den ersten Wachstumsrunden eine gewichtige Rolle spielen. Allerdings gibt es in Österreich nach wie vor niemanden, der eine globale Skalierung finanzieren kann, was unsere Scale-ups komplett abhängig von internationalen Geldgeber:innen macht. Im Optimalfall haben sie die Wahl – dafür braucht es aber eine nachhaltige Stärkung und starke Maßnahmen, um mehr Investments von institutionellen Anleger:innen und Privatpersonen in Österreich anzukurbeln“, so Haas.
Dringend Maßnahmen zur Stärkung der Souveränität des Innovations- und Start-up-Standorts Österreich notwendig
„Die Ergebnisse des Reports sowie auch die aktuelle wirtschaftliche Lage verdeutlichen die Dringlichkeit, die von invest.austria geforderten Maßnahmen wie den Dachfonds und steuerliche Anreizsysteme zeitnah umzusetzen. Investitionen in heimische Start-ups und Unternehmen sind nicht Nischenanliegen, sondern sie betreffen alle – innovative Gründer:innen und Unternehmen sind der Motor für wirtschaftlichen Fortschritt, nachhaltiges Wachstum und Arbeitsplätze. Österreich muss das vorhandene private Risikokapital mobilisieren und die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass es auch hierzulande und nicht in den USA investiert wird. Ein bewährtes Mittel, wie wir im europäischen Vergleich sehen, sind Dachfonds-Konzepte, die mit staatlicher Unterstützung einen Stimulus setzen, damit privates Kapital in den Markt fließen kann. Zahlreiche europäische Länder haben sowohl Dachfonds als auch Steuer-Incentivierungen längst umgesetzt. Auch bei uns müssen diese Themen auf die politische Agenda gesetzt und priorisiert werden, um nicht noch weiter ins Hintertreffen zu geraten und Österreichs Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern“, sagt Daniela Haunstein, Geschäftsführerin von invest.austria.
„Erwartungsgemäß wird auch bei diesem Regierungsprogramm kein großer Schwerpunkt auf Start-ups liegen. Dabei können hier auch kleine Hebel große Wirkung entfachen, zum Beispiel durch neue Anreize zum Ankurbeln von Investments, die eine positive Dynamik erzeugen würden. Der Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts hängen maßgeblich von Innovationen ab, insbesondere in den Bereichen neue Technologien und Nachhaltigkeit. Hier spielen unsere Start-ups eine wesentliche Rolle und sollten im Sinne unseres Standorts, aber auch unserer Gesellschaft, volle Unterstützung bekommen. Während zum Beispiel Deutschland dieses Jahr den Turnaround geschafft hat und wieder mehr Investmentvolumen verzeichnet, ist Österreich aufgrund der Abhängigkeit von derzeit bei uns wenig aktiven internationalen Investorengruppen immer noch auf dem absteigenden Ast. Es ist daher sehr zu wünschen, dass die neue Bundesregierung das bei ihren Standortaktivitäten entsprechend berücksichtigt und konkrete Maßnahmen setzt“, so Haas.
Rund zwei Drittel der Runden mit österreichischer Beteiligung
Generell waren 2024 deutlich weniger Investor:innen in Österreich aktiv als im Vorjahr. An den 133 Finanzierungsrunden 2024, bei denen die Investor:innen bekannt sind, waren insgesamt mindestens 392 öffentlich kommunizierte Investor:innen beteiligt. 2023 waren es noch 478 Investor:innen bei 165 Finanzierungsrunden. Auch die Anzahl und der Anteil der österreichischen Investor:innen sank deutlich von 291 (61 %) auf 196 (50 %). Am zweithäufigsten waren 2024 Investor:innen mit Hauptsitz in Deutschland vertreten (68), gefolgt von USA (39), Großbritannien und der Schweiz (jeweils 17).
Der Anteil an Finanzierungsrunden, bei denen (auch) österreichische Investor:innen beteiligt waren, lag 2024 wie schon im Vorjahr bei 62 Prozent. 2022 waren noch bei 75 Prozent der Runden auch heimische Investor:innen am Zug. Der Anteil an Finanzierungsrunden, die rein von österreichischen Geldgeber:innen getragen werden, ging leicht von 40 Prozent im Jahr 2023 auf 36 Prozent zurück. Der Anteil an Finanzierungsrunden mit rein internationalen Investor:innen blieb fast ident bei 27 Prozent (2023: 28 %). Dementsprechend gab es einen Anstieg bei Runden, an denen sowohl heimische als auch internationale Investor:innen beteiligt waren – von 22 Prozent auf 26 Prozent.
Je größer die Runde, desto weniger österreichische Investor:innen
Mit steigendem Finanzierungsvolumen nimmt wie auch schon in den Vorjahren der Anteil österreichischer Investor:innen ab. Bei den insgesamt elf Finanzierungsrunden mit einem Finanzierungsumfang von mehr als zehn Millionen Euro, bei denen Angaben zu den Investor:innen vorliegen, lag die Quote inländischer Kapitalgeber:innen bei insgesamt nur 25 Prozent (10 von insgesamt 40). Anders sieht das bei den kleineren Finanzierungsrunden im Umfang von bis zu einer Million Euro aus: Hier lag die Quote der heimischen Investor:innen bei 73 Prozent (104 von insgesamt 143). Bei den mittelgroßen Finanzierungsrunden im Umfang von 1,1 bis zehn Millionen Euro betrug die Quote inländischer Kapitalgeber:innen immerhin noch 42 Prozent (73 von 175).
Österreichische Geldgeber:innen investieren in Mobility und Health
Am höchsten war 2024 der Anteil an Inlandsinvestor:innen im Bereich Mobility, wo 18 von 19 Kapitalgeber:innen (95 %) ihren Hauptsitz in Österreich haben. Lediglich eine von sechs in diesem Sektor registrierten Finanzierungsrunden fand ohne Beteiligung inländischer Investor:innen statt. Ebenfalls überdurchschnittlich hoch lag die Quote der Inlandsinvestor:innen mit jeweils mindestens 50 Prozent in den Bereichen Health (59 %), Education (56 %), Software & Analytics (53 %) und Hardware (50 %). Am geringsten war 2024 der Anteil der Inlandsinvestor:innen in den Bereichen Professional Services (14 %) und FinTech (29 %).