Der Fortschrittsmonitor zeigt klar, dass die tatsächliche Umsetzung der Energiewende bis 2021 aufgrund fehlender politischer Maßnahmen deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurückgeblieben ist. Aus volkswirtschaftlicher Sicht bedeutet dies zunächst nicht genutzte Wertschöpfungs- und Wachstumspotenziale. Das heißt: weniger gesamtwirtschaftliches Wachstum, weniger Steuereinnahmen, weniger Jobs und auch eine geringere Geschwindigkeit beim technologischen Wandel.
Stand heute (Januar 2023) sind relevante Hemmnisse und Knappheiten erkennbar, die die Umsetzung der Energiewende auch in Zukunft so lange begrenzen, wie sie nicht explizit angegangen und aufgelöst werden. Hervorzuhebende Restriktionen sind die mangelnde Verfügbarkeit von Flächen und zu langsame Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie fehlende Facharbeitskräfte und Engpässe bei Rohstoffen.
Zielerreichung und Investitionen
Der vorliegende Fortschrittsmonitor stellt dar, dass — um das Ziel von 65 Prozent CO2-Reduzierung zu erreichen — bis 2030 Investitionen in Höhe von insgesamt 600 Milliarden Euro erforderlich sind. Diese gewaltige Summe wird zum allergrößten Teil von privaten Investoren aufgebracht werden müssen. Es kommt also darauf an, ein verlässliches Investitionsumfeld zu schaffen, das Investitionen in die Energiewende attraktiv macht. Der Großteil dieser Investitionen (498 Milliarden Euro) entfällt auf die Bereiche, die im Rahmen dieses Fortschrittsmonitors näher betrachtet werden: Stromerzeugung mit Erneuerbaren Energien, Ausbau der Strom-Übertragungsnetze, Aufbau der Erzeugungskapazitäten für klimaneutrale Gase, Wärmewende sowie Ausbau der Ladeangebote. Von den in diesen Bereichen erforderlichen Investitionen könnten Wertschöpfungseffekte von jährlich knapp 33 Milliarden Euro ausgelöst werden. Das entspräche 1 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung in Deutschland bzw. dem durchschnittlichen jährlichen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in den zurückliegenden zehn Jahren. Tatsächlich liegen die Entwicklungen in allen hier betrachteten Bereichen im Jahr 2021 noch deutlich hinter den vorgegebenen Zielen. Die zu langsame Umsetzung der Energiewende ist auch gesamtwirtschaftlich klar erkennbar. So wurden 2021 durch die in den genannten Bereichen erfolgten Investitionen nur 8,6 Milliarden Euro an Wertschöpfung realisiert. Das entspricht lediglich 26 Prozent dessen, was jährlich möglich bzw. zum Erreichen der 2030er-Ziele erforderlich wäre.
Ein Investieren aus der Krise heraus ist also dringlicher als je zuvor. Die erforderlichen Maßnahmen können vor allem auch in Krisenzeiten zu nachhaltiger Wertschöpfung und nachhaltigem Wachstum führen. Finanzielle Anreize, um Investitionen anzustoßen und zu beschleunigen, sind auch erforderlich, um eine deutsche und europäische Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) zu geben, mit dem Investitionen in grüne Technologien in den USA großzügig angereizt werden.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien schreitet zu langsam voran. Um die für 2030 anvisierten Ziele zu erreichen, müsste die installierte Leistung bei den Erneuerbaren Energien erheblich gesteigert werden (bei PV muss der jährliche Nettozubau im Vergleich zu 2021/2022 mehr als verdoppelt, bei Onshore-Wind mehr als verdreifacht werden). Dafür muss die aktuelle Ausbaugeschwindigkeit erheblich gesteigert werden. Zentrale Aspekte für eine Beschleunigung sind vor allem die Zurverfügungstellung von Flächen, schnellere Genehmigungsverfahren und ein verlässlicher Regulierungs- und Förderrahmen. Mit der gesetzlichen Umsetzung des 2-Prozent-Flächenziels für die Windenergie an Land und umfangreichen Novellierungen im Planungs- und Genehmigungsrecht wurden zwar richtige Hebel betätigt, die absehbar auch Wirkung zeigen werden. Nur wird aufgrund einiger getroffener Kompromisse (z. B. Erreichung des 2-Prozent-Ziels erst 2032, zu zaghafte Änderungen im BNatSchG etc.) das Tempo nicht ausreichen. Hier wird es Nachbesserungen geben müssen. Der Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft steht trotz einiger Maßnahmen, Strategien und Pilotprojekte noch immer am Anfang. Die Beschaffungs- und technische Infrastruktur befindet sich nach wie vor im Aufbau. Eine dezentrale Erzeugung und Verteilung ist in Deutschland bisher nahezu nicht existent. Der Großteil des in Deutschland produzierten Wasserstoffs entsteht aus fossilen Quellen. Um grünen Wasserstoff in größeren Mengen herstellen zu können, müssten die Kapazitäten für Grünstrom massiv steigen. Die Herstellung, die Beschaffung (auch über Importe) und der Transport von grünem Wasserstoff bleiben eine zentrale Herausforderung für die Umsetzung der Energiewende. Die Bundesregierung muss sowohl national (Fortschreibung der NWS, Wasserstoffbeschleunigungsgesetz etc.) als auch auf europäischer Ebene (Gasbinnenmarktrichtlinie/-verordnung, H2-Definition etc.) dafür sorgen, dass dafür die richtigen Weichenstellungen erfolgen. Mit Biomethan steht bereits heute ein weiteres erneuerbares Gas zur Verfügung, dessen nachhaltige Potenziale im Kontext der Energiewende weiter genutzt werden sollten. In Kombination mit Carbon Capture Anwendungen besteht hier sogar die Möglichkeit, Negativemissionen zu realisieren. Auch hierfür fehlen noch politische Rahmenbedingungen.
Für eine erfolgreiche Wärmewende müssen sowohl die Senkung des Endenergiebedarfs als auch die Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren Energien an der Energieversorgung intensiviert werden. Der Anteil der Erneuerbaren an der Wärmeversorgung muss zum Beispiel bis 2030 etwa verdreifacht werden (Ende 2021 lag der Anteil erst bei 16,2 Prozent). Damit die Wärmewende im Gebäudesektor gelingt, kommt es auf Verbraucherseite vor allem darauf an, den Gebäudebestand energetisch zu sanieren und die Heizungsanlagen für klimaneutrale Wärmeerzeugung zu modernisieren. Eine stärkere Sektorenkopplung, eine passgenaue Transformation von Gas- zu Wasserstoffnetzen und ein umfassender Rollout von Wärmepumpen sind hier besonders zu erwähnen. Die beschlossenen Maßnahmen des Sofortprogramms für den Gebäudesektor — u. a. die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes und die Einführung einer 65-prozentigen Erneuerbaren-Anforderung und höherer Energiestandards für Gebäude — werden hier Impulse setzen, sind aber nicht ausreichend. Insbesondere für urbane Regionen mit einem hohen Anteil an bestehenden Geschosswohnungsbauten spielen Wärmenetze und eine zunehmend dekarbonisierte Fernwärme eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Wärmewende. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW), die im September 2022 in Kraft trat (bis 2026 rund 3 Milliarden Euro), ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Instrument, das eine ganzheitliche Transformationsplanung zur Integration von Erneuerbaren zur Fördergrundlage macht und gleichzeitig essenzielle Transformationsmaßnahmen fördert. Die finanziellen Mittel müssen aber noch angehoben werden, damit die Potenziale weiterer Wärmequellen wie tiefer Geothermie oder Abwärme erschlossen und die leitungsgebundene Wärmeversorgung intergriert werden können. Die Herausforderung für die Bundesregierung in den nächsten Jahren wird sein, mit diesen und weiteren bedarfsgerechten unterschiedlichen Maßnahmen und Technologien das gesetzte Ziel einer 50-prozentigen Wärmeversorgung aus klimaneutralen Energiequellen bis 2030 zu erreichen. Aus energiewirtschaftlicher Sicht kommt der Einführung einer flächendeckenden kommunalen Wärmeplanung dabei eine zentrale Rolle zu.
Die Verkehrswende bleibt bislang hinter den gesteckten Zielen zurück. Um den Zuwachs vollelektrischer Pkw als maßgeblichen Baustein für die Senkung der THG-Emissionen zu beschleunigen (z.B. Verdreifachung der Neuzulassungen bis 2025), muss sowohl ein ausreichendes Produktangebot sichergestellt als auch die Nachfrage weiterhin stimuliert werden. Gleichzeitig müssen die Rahmenbedingungen für den weiteren Ausbau des öffentlichen Ladeangebots verbessert werden, um Hürden in der Kundenakzeptanz abzubauen und Engpässe zu vermeiden. Hierzu zählen u. a. die Formulierung realistischer Zielgrößen (moving target Ansatz), die Bereitstellung erforderlicher Flächen, die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren sowie die Gewährleistung eines nachhaltigen Investitionsrahmens. Die Erreichung der Sektorziele ist nur möglich, wenn auch die Antriebswende beim Lkw und der Modal-Shift forciert werden. Im Güterverkehr bedarf es insbesondere einer Stimulierung der Nachfrage nach grünen Verkehrsmitteln mittels eines ganzheitlichen Ansatzes, der die technologieoffene Förderung von CO2-neutralen Warenflüssen sowie die Schaffung einer breiten intermodalen Basis-/Gesamtinfrastruktur — integriert in die europäischen Korridore — beinhaltet.