Uebergabe der Berichte der Expertenkommissionen 'Buergernahe Einkommensteuer' und 'Vereinfachte Unternehmensteuer' im Rahmen der Fachveranstaltung 'Vereinfacht und buergernah – die Expertenkommissionen praesentieren ihre Ergebnisse' im Bundesfinanzministerium

Wie Steuerexperten die Vorschläge der BMF-Expertenkommissionen bewerten

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Der Standort braucht sie dringend: Eine Steuerreform, die entlastet. Sowohl von Bürokratie als auch von Zahllasten, die deutsche Unternehmen zu Abwanderungen bewegen. Vorschläge aus der Wirtschaft gibt es reichlich, doch zuletzt hat auch das BMF die Zeichen der Zeit erkannt und zwei Experten-Kommissionen eingesetzt und ihnen den Auftrag erteilt, Vorschläge für eine „vereinfachte Unternehmenssteuer“ und eine „bürgernahe Einkommensteuer“ zu unterbreiten. 

Überblick

  • Die Umfrageergebnisse bestätigen einen hohen Handlungsdruck: Die Teilnehmer bewerten einen Großteil der Maßnahmen eindeutig als wichtig oder sehr wichtig.
  • Es besteht ein überwältigender Wunsch nach einem einfachen und fairen Steuerrecht und damit einhergehenden Entlastungen.
  • Die Vorschläge der BMF-Experten haben einen Nerv getroffen; eine Unternehmensteuerreform in Deutschland ist überfällig, spätestens nach der kommenden Bundestagswahl.

Gut einen Monat nach der Veröffentlichung der Kommissionsberichte liegen nunmehr die Ergebnisse einer ersten Umfrage vor, wie Steuerpraktiker die Vorschläge insbesondere der Kommission zur Unternehmensbesteuerung einschätzen. Für die Umfrage haben die befragten Leserinnen und Leser des EY eNewsletter Tax – überwiegend Steuerpraktiker aus Unternehmen oder aus der Steuerberatung – die für Unternehmen relevanten Vorschläge der BMF-Expertenkommissionen einem Praxischeck unterworfen und ihre Prioritäten geäußert.

Zwar haben die Teilnehmer unserer Befragung – trotz aller Unterstützung – wenig Hoffnung auf eine (vollumfängliche) Umsetzung dieser Vorschläge. Umso wichtiger ist die ist Priorisierung der Vorschläge; um dieses Ergebnis bereichert die EY-Umfrage die Diskussion um die BMF-Expertenkommission. Die Relevanzeinschätzung der betroffenen Unternehmen liefert damit eine wichtige Rückmeldung an das BMF, wo die steuerlichen Druckpunkte genau liegen, und unterstützt die Wachstumsinitiative, die durch das Steuerfortentwicklungsgesetz und das Einsetzen der BMF-Expertenkommissionen bereits (zaghaft) eingeleitet wurde.

In der EY-Umfrage haben rund 500 Steuerexperten ihre individuellen Priorisierungen vorgenommen. Damit liefert Auswertung dieser Einschätzungen einen aussagekräftigen Einblick, an welcher Stelle Gesetzgeber und Verwaltung zunächst ansetzen sollten. Dem Praxistest unterlagen hier allein die aus der BMF-Expertenkommissionen aufgekommenen Vorschläge: Welche Maßnahmen gehen die Kernprobleme an, welche Vorschläge sind wichtig oder nachrangig? Zur Erläuterung: Aus den Freitextantworten wird deutlich, dass die Befragten auch Steuersatzsenkungen für notwendig halten. Dazu hatten die BMF-Experten auftragsgemäß keinen ausdrücklichen Vorschlag vorgebracht; deshalb findet sich dieser Aspekt nicht in der Priorisierung.

Die Ergebnisse lassen sich in den folgenden Thesen zusammenfassen:

  1. Bürokratieentlastungen in allen Facetten sind überragend wichtig. 
  2. Es bedarf einer verbesserten Verlustverrechnung – insbesondere in der derzeit wirtschaftlich schwierigen Lage.
  3. Zentrale Aufgabe des internationalen Steuerrechts soll (wieder) die Vermeidung von Doppelbesteuerung und der Abbau von Hindernissen bei grenzüberschreitenden Unternehmensaktivitäten sein, denn Deutschland profitiert von internationalem Handel und Warenverkehr. 
  4. Anti-Missbrauchsvorschriften sind auf ein angemessenes Maß zu reduzieren (Mentalitätswandel mit Entfall des Generalverdachts bei Missbrauchsvorschriften). 
  5. Umwandlungshindernisse sind zu reduzieren.

Umwandlungshemmnisse müssen dringend abgebaut werden: Unsere EY-Umfrage zeigt besonderen Handlungsdruck beim Thema Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Umstrukturierungen.

Wie Steuerexperten die Reformvorschläge der BMF-Expertenkommission einschätzen

Breite Unterstützung für Steuerreformvorschläge der BMF-Experten – aber erhebliche Zweifel an den Umsetzungsaussichten
  • In einer von EY durchgeführten Umfrage, haben rund 500 Steuerexperten ihre individuellen Priorisierungen zu den Reformvorschlägen vorgenommen.
  • Dabei scheinen Bürokratieentlastungen in allen Facetten überragend wichtig und es bedarf einer verbesserten Verlustverrechnung.
  • Zentrale Aufgabe des internationalen Steuerrechts soll (wieder) die Vermeidung von Doppelbesteuerung und der Abbau von Hindernissen bei grenzüberschreitenden Unternehmensaktivitäten sein.
  • Anti-Missbrauchsvorschriften sind auf ein angemessenes Maß zu reduzieren.

Unter Punkt 16 der am 17.07.2024 von der Bundesregierung beschlossenen Wachstumsinitiative heißt es: „Die Bundesregierung wird die […] Vorschläge der Experten-Kommissionen „Vereinfachte Unternehmenssteuer“ und „Bürgernahe Einkommensteuer“ prüfen und bei positivem Ergebnis noch in diesem Jahr in einem Gesetzesvorhaben umsetzen.“ In den am 12.07.2024 vorgestellten Berichten hatten die vom BMF ausgesuchten Steuerexperten auf 417 Seiten zahlreiche Reformvorschläge zusammengetragen.

Gut einen Monat nach der Veröffentlichung der Kommissionsberichte liegen nunmehr die Ergebnisse einer ersten Umfrage vor, wie Steuerpraktiker die Vorschläge insbesondere der Kommission zur Unternehmensbesteuerung einschätzen. Für die Umfrage haben die befragten Leserinnen und Leser des EY eNewsletter Tax – überwiegend Steuerpraktiker aus Unternehmen oder aus der Steuerberatung – die für Unternehmen relevanten Vorschläge der BMF-Expertenkommissionen einem Praxischeck unterworfen und ihre Prioritäten geäußert.

Konzeption der Studie

Für jede der vier Themenbereiche – „laufende Unternehmensbesteuerung“1, „Umwandlung und Sanierungen“, „Internationale Unternehmensbesteuerung“ und „Digitalisierung, Prozesse und Betriebsprüfung“ konnten die rund 500 teilnehmenden Steuerexperten die wichtigsten Einzelvorschläge einer von fünf Antwortmöglichkeiten von „sehr wichtig“ bis „gar nicht wichtig“ zuordnen. Diese Einstufungen haben wir in Zahlenwerte von 1-5 überführt und daraus durchschnittliche Prioritätswerte ermittelt. Je näher der durchschnittliche Prioritätswert an 5 (bzw. 1) liegt, desto häufiger haben die Umfrageteilnehmer den Einzelvorschlag mit „sehr wichtig“ (bzw. „gar nichtwichtig“) eingestuft. Abschließend haben die Teilnehmenden beurteilt, ob sie das Maßnahmepaket insgesamt überzeugt und ob sie in absehbarer Zeit mit der Umsetzung rechnen.

Befürwortung und Skepsis zugleich

Das Hauptergebnis: Die Umfrage ergibt insgesamt eine große Zustimmung für das Gesamtpaket der BMF-Kommission. 67,9 Prozent der Teilnehmer bewerten die Vorschläge als sehr hilfreich oder hilfreich. Nur 12,4 Prozent halten sie für wenig oder gar nicht hilfreich.

Völlig entgegengesetzt fallen die Erwartungen aus, ob das Paket in absehbarer Zeit in wesentlichen Teilen auch umgesetzt wird. Lediglich 10,6 Prozent halten dies für wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich, geschlagene 71,9 Prozent aber für (sehr) unwahrscheinlich. Dies zeigt, dass die befragten Steuerexperten der Finanzverwaltung und Politik bei deren Problemanalyse zustimmen, jedoch das Vertrauen in die Problemlösung zumeist fehlt.


Wenn ein niedrigerer Steuersatz nicht zur Wahl steht, stehen Vereinfachungen und Bürokratieentlastungen ganz oben auf der Prioritätenliste. Das betrifft neben der Gewerbesteuer, dem Steuerbilanzrecht insbesondere Dokumentationspflichten. Davon profitieren alle; nicht nur die Steuerpflichtigen, sondern auch die Finanzverwaltung.

Die zehn wichtigsten Reformvorschläge


Die Vorschläge der BMF-Experten haben einen Nerv getroffen. Eine Unternehmensteuerreform in Deutschland ist überfällig, spätestens nach der kommenden Bundestagswahl.

Ideen vorhanden, Tatendrang muss folgen

Es besteht ein überwältigender Wunsch nach einem einfachen und fairen Steuerrecht und damit einhergehenden Entlastungen. Da Vorschläge zum Steuersatz nicht zum Kernauftrag der BMF-Kommissionen gehörten, verbindet die Kommission den Vorschlag einer Absenkung „in Richtung 25%“ mit der Einführung einer Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer. Eine Einzelforderung „Senkung der Steuerbelastung auf 25%“ hätte womöglich deutlich höhere Zustimmungswerte erzielt.

Die Umfrageergebnisse bestätigen einen hohen Handlungsdruck: Die Teilnehmer bewerten einen Großteil der Maßnahmen eindeutig als wichtig oder sehr wichtig. Im Gegenzug herrscht aber eine Desillusionierung bei der Einschätzung der Umsetzungswahrscheinlichkeit.

Fazit

Die Auswertung der Freitextkommentare bestätigt die Punktewertungen. Oft herrscht große Unzufriedenheit mit dem Besteuerungsverfahren von der Veranlagung und Betriebsprüfung, das als nicht mehr zeitgemäß empfunden wird. Die Steuerpflichtigen sehen sich zunehmend mit der Auferlegung neuer Nachweis- und Beweispflichten konfrontiert, während notwendige Vereinfachungen ausbleiben und der Fortschritt in der Digitalisierung stagniert. Als Gegenmaßnahmen werden u.a. die Berücksichtigung von Tax Compliance Management Systemen, Wesentlichkeitsgrenzen, die Selbstveranlagung und eine risikoorientierte Prüfung empfohlen. Überfällig ist insbesondere die zeitnahe Betriebsprüfung – Unternehmen brauchen zügig Rechtsicherheit.

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