Kanzleramt: Hier laufen die Faeden im Gesetzgebungsprozess zusammen. Gehen in der Ampelkoalition die Interessen zu sehr auseinander, versuchen Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt oder Bundeskanzler Olaf Scholz hoechstselbst eine Einigung zu erreichen. Oft in Sitzungen bis tief in die Nacht.

Wie in Deutschland Gesetze entstehen (sollten)

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Die Dramen um das Gebäudeenergiegesetz und den Bundeshaushalt für 2024 lohnen einen Blick, wie in Deutschland Gesetze entstehen (sollten).


Der Gesetzgebungsprozess ist in einer Demokratie von zentraler Bedeutung. Hierzulande sind Bundesregierung, Bundestag und Fraktionen, Bundesrat und abschließend der Bundespräsident sowie möglicherweise das Bundesverfassungsgericht die wichtigsten Organe. Seit Corona und dem russischen Einmarsch in der Ukraine scheint sich auch der Gesetzgebungsprozess im Krisenmodus zu befinden. Gut, dass manche Volksvertreter auch in Stresssituationen ihren Humor nicht verlieren. Grundsätzlich ist die Legislative für Gesetze zuständig. Der Bundestag berät und beschließt, ähnlich der Bundesrat. In der Praxis werden die meisten Gesetze jedoch von den jeweiligen Fachministerien vorbereitet – mangels Fachpersonal im Parlament. Die Exekutive hilft der Legislative mit sogenannten Formulierungshilfen. Oder, so die Regel, die Regierung beschließt die Entwürfe und leitet sie dann an den Bundestag weiter. 

Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist.
Die Herzkammer der Demokratie: Im Reichtstagsgebaeude treffen sich die Bundestagsabgeordneten.
Das Berliner Reichtagsgebäude

Ein von einem Ministerium erarbeiteter Gesetzentwurf wird in der Regel durch das Kabinett gebilligt und zunächst dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet. Mit dieser Stellungnahme versehen geht der Entwurf in die sogenannte erste Lesung, das heißt: Er wird im Bundestagsplenum diskutiert. Anschließend beschäftigen sich die Fachausschüsse des Bundestages mit dem Entwurf. Die Fachpolitiker analysieren den Entwurf, führen Anhörungen durch und bringen Änderungsvorschläge ein. Danach findet die zweite Lesung im Plenum des Bundestages statt und es kommt zur Abstimmung. Der Gesetzentwurf wird entweder angenommen oder abgelehnt.

Der Bundesrat ist die Vertretung der Länder. Diese zweite Kammer prüft Gesetzentwürfe und gibt eine Stellungnahme mit Änderungswünschen ab. Wenn Länderinteressen direkt betroffen sind – etwa bei Gemeinschaftssteuern oder Sozialleistungen –, kann der Bundesrat Gesetzentwürfe blockieren. Die einzelnen Bundesländer haben dabei je nach Bevölkerung ein unterschiedliches Stimmengewicht. Der Bundesrat kann auch selbst Gesetzentwürfe initiieren und einbringen. Liegen Bundesrat und Bundestag über Kreuz, tritt der sogenannte Vermittlungsausschuss mit Vertretern beider Häuser zusammen, um eine Einigung zu erzielen.

Hier schlägt das Herz der Demokratie, oder es schlägt nicht. Das Parlament ist im Übrigen nicht Vollzugsorgan der Bundesregierung, sondern umgekehrt ist Auftraggeber.
Grafik: Hurtiger Parlamentsbetrieb, Anzahl verkuendeter Gesetze und Dauer der Gesetzgebung in Tagen, Stand 1.6.2023
Grafik: Dauer der steuerlichen Gesetzgebungsverfahren, Durchschnittliche Dauer in Tagen, Stand Juni 2023
Bundespraesident Frank-Walter Steinmeier uebt als Staatsoberhaupt nicht nur repraesentative Aufgaben aus. Er muss auch die Gesetze nach vorheriger Pruefung unterzeichnen.
Grossbritanniens Koenig Charles und der deutsche Bundespraesident Frank-Walter Steinmeier begruessen einander

Der Bundestag berücksichtigt die Stellungnahme des Bundesrats und kann den Gesetzentwurf erneut beraten. Wenn sich der Bundestag und der Bundesrat auf eine endgültige Fassung einigen, wird das Gesetz zur Unterzeichnung an den Bundespräsidenten weitergeleitet. Das Staatsoberhaupt lässt seine Beamten das Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen und kann es entweder unterzeichnen oder es an das Bundesverfassungsgericht weiterleiten, wenn Bedenken bestehen. Nach Unterzeichnung wird das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt in Kraft.

Von der Einbringung eines Gesetzentwurfs bis zu dessen Verabschiedung vergehen üblicherweise mehrere Monate. Dennoch haben die Bundestagsabgeordneten immer weniger Zeit für die Beratungen. „Fristverkürzung“ heißt das Stichwort, mit dem die Regierung beziehungsweise die Regierungsfraktionen den regulären Ablauf drastisch beschleunigen. So auch beim Gebäudeenergiegesetz. Hier blieb den Fraktionen gerade einmal ein verlängertes Wochenende vor der letzten Sitzungswoche des Bundestags, um das Vorhaben noch vor der parlamentarischen Sommerpause durchzubringen.

Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann hat per einstweiliger Verfügung durchgesetzt, dass der Bundestag mehr Zeit zur Beratung bekommt. In einem sogenannten Organstreitverfahren hatte das Bundesverfassungsgericht festzustellen, ob die Rechte Heilmanns als Abgeordneter auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung verletzt worden seien. Das Bundesverfassungsgericht gab der Klage statt.

Grafik: Zeitplan Haushalt 2024 und Finanzplan bis 2027

Fazit

Zwar überwog zu Beginn der Ampelkoalition die Enttäuschung, dass es die großen Steuerthemen nicht aufs Tableau schafften. Zur Halbzeit lässt sich aber immerhin feststellen, dass die Regierung bereits viele der vereinbarten Steuergesetze umgesetzt hat. An einigen Stellen wie bei den diversen Entlastungspaketen, die geschnürt wurden, und beim Entwurf des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes ist sie sogar darüber hinausgegangen. Dies ist aufgrund der krisenhaften Jahre alles andere als selbstverständlich. Weitere Pflöcke in Form des E-Invoicing, eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes oder der Mindeststeuer sind bereits eingeschlagen, auch wenn die Koalitionspartner eher mit ihren Debatten beim Haushalt und beim Klimaschutz für Schlagzeilen sorgen.

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