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Wie die Finanzverwaltung die Lizenzschranke in der Praxis auslegt

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Die Finanzverwaltung legt das Gesetz sehr zu ihren Gunsten aus. Für Unternehmen steigt die Beweislast.

Überblick

  • Die Lizenzschranke soll nicht ausschließlich auf klassische Lizenzboxen, IP-Boxen oder Patentboxen beschränkt sein. 
  • Vielmehr fallen auch sonstige Präferenzregelungen wie etwa Schweizer gemischte Gesellschaften oder Holdinggesellschaften (bis 2019) unter die Lizenzschranke.
  • Kritisch aus Sicht des Lizenznehmers ist, dass er die steuerliche Behandlung des Lizenzgebers im Ausland kennen muss, um seinen eigenen steuerlichen Pflichten nachkommen zu können. 

Die Lizenzschranke des § 4j EStG bestimmt, dass Aufwendungen für Rechteüberlassungen nicht oder nur anteilig abziehbar sind, wenn die korrespondierenden Einnahmen des Lizenzgebers im Ausland aufgrund einer Präferenzregelung mit weniger als 25 Prozent besteuert werden und dieser dem Lizenzschuldner nahesteht. Nun hat das Bundesfinanzministerium klargestellt, wie die Finanzverwaltung die Vorschrift in der Praxis auslegt, nämlich zulasten der betroffenen Unternehmen, auf die neben einer strengen Schranke auch immense Nachweispflichten zukommen.

Großer Anwendungsbereich

Das erste BMF-Schreiben vom 5. Januar 2022 enthält allgemeine Anwendungsfragen der Lizenzschranke. Nach dem erwartungsgemäß sehr weiten Verständnis einer Präferenzregelung soll die Lizenzschranke nicht ausschließlich auf klassische Lizenzboxen, IP-Boxen oder Patentboxen beschränkt sein. Vielmehr fallen auch sonstige Präferenzregelungen wie etwa Schweizer gemischte Gesellschaften oder Holdinggesellschaften (bis 2019) unter die Lizenzschranke. Nicht nur das Erzielen einer bestimmten Einkunftsart kann Anknüpfungspunkt sein, sondern z. B. auch eine Einkunftsquelle sowie die Rechtsform oder der Ort der Geschäftsleitung. Damit kann theoretisch jegliche Steuervergünstigung betroffen sein.

Über den OECD-Maßstab hinaus

Sofern die Einnahmen aus Rechteüberlassung einer Präferenzregelung im Ausland unterliegen, kommt es für deren Anerkennung auf den Nexus an, ob also die Lizenzen in diesem Land auch entstanden sind. Maßgeblich ist zunächst der Prüfmaßstab der OECD. Die IP-Regelungen, die ausschließlich Lizenzeinnahmen begünstigen, werden vom Forum on Harmful Tax Practices (FHTP) daraufhin überprüft, ob sie dem Nexus-Ansatz der OECD entsprechen. Die deutsche Finanzverwaltung folgt grundsätzlich dieser Bewertung, missachtet allerdings die Bestandsschutzregelungen der OECD bis zum 30. Juni 2021. Sonstige, nicht von dem FHTP auf ihre Nexus-Konformität geprüfte Präferenzregelungen unterliegen im Rahmen des inländischen Besteuerungsverfahrens einer diesbezüglichen Prüfung. Dies gilt auch für im Übergangszeitraum bis zum 30. Juni 2021 aufgehobene oder Nexus-konform angepasste Präferenzregime, bei denen sich eine Prüfung durch das FHTP erübrigt hat oder diese eingestellt wurde. Eine (nicht abschließende) Liste schädlicher Präferenzregelungen enthält das BMF-Schreiben vom 6. Januar 2022.

Unzumutbare Nachweispflichten

Ausführlich äußert sich das BMF zur Beweislastverteilung. Dabei hat die Finanzbehörde zwar das Vorliegen einer schädlichen Präferenzregelung nachzuweisen, den Steuerpflichtigen treffen jedoch die erhöhten Mitwirkungs- und Beweisvorsorgepflichten bei Auslandssachverhalten gem. § 90 Abs. 2 AO, sodass er die erforderlichen Unterlagen einreichen muss. Soweit der Fiskus eine Präferenzregelung im Staat des Lizenzgebers feststellt, spricht eine widerlegbare Vermutung für deren Anwendung. Zur Widerlegung – gleichbedeutend mit dem Nachweis einer Regelbesteuerung – müssen Unternehmen eine sehr umfangreiche Dokumentation vorlegen. Auch mit Blick auf die Nexus-Konformität sollen hohe Anforderungen an den Beweis gelten. So muss der Steuerpflichtige eine Nexus-Konformität bei Präferenzregelungen nachweisen, die vom FHTP nicht geprüft wurden. Wie diese Nachweise „anhand geeigneter Unterlagen“ praktisch zu führen sind, konkretisiert das BMF nicht. Auch in Fällen, in denen Altregelungen neben den angepassten neuen Regimen bestehen, muss der Steuerpflichtige nachweisen, dass die Lizenzzahlung der neuen, Nexus-konformen Regelung unterlegen hat (z. B. durch eine Bestätigung der ausländischen Finanzbehörde). Insgesamt dürfte der Steuerpflichtige bei den Nachweisanforderungen an die Grenzen des Möglichen bzw. Zumutbaren stoßen.

Aktualisierte Listen der Präferenzregelungen

Das BMF-Schreiben vom 6. Januar 2022 listet in einer – im Vergleich zum vorangegangenen Schreiben vom 19. Februar 2020 erweiterten – Tabelle schädliche Präferenzregelungen für die Veranlagungszeiträume 2018 bis 2020 auf. An nahestehende Personen geleistete Zahlungen für Rechteüberlassungen fallen in einem solchen Fall unter die Lizenzschranke. Die Missachtung der Bestandsschutzregelung durch die Finanzverwaltung hat zur Folge, dass die Abzugsbeschränkung auch bei Nexus-konformer Anpassung des jeweiligen Regimes bis zum Ende des Übergangszeitraums am 30. Juni 2021 Anwendung findet, soweit die Einnahmen seitens des Gläubigers noch dem nicht Nexus-konformen IP-Regime unterlagen.

Schweiz und USA

Auch bei den kantonalen Spezialgesellschaften in der Schweiz handelt es sich laut BMF um Präferenzregelungen, die nicht dem Nexus-Ansatz der OECD entsprechen. Die kantonalen Spezialgesellschaften wurden zum 1. Januar 2020 aufgehoben. Die anschließend eingeführte einheitliche Patentbox soll Nexus-konform sein. In einer weiteren Tabelle führt das BMF-Schreiben vier Präferenzregelungen auf, deren Prüfung noch andauert, wozu auch das US-FDII-Regime gehört. Zahlungen in derartige Regime sollen als abziehbare Betriebsausgaben behandelt werden, jedoch unter Vorbehalt nach § 164 AO, bis eine abschließende Prüfung der Nexus-Konformität durch die OECD erfolgt ist und sofern keine Gründe außerhalb der Lizenzschranke dem Abzug entgegenstehen. Derzeit ist aber offen, ob eine Prüfung der FDII durch das FHTP überhaupt noch erfolgen wird.

Co-Autorinnen: Dr. Cornelia Kindler, Anna Peterich

Fazit

Bedauerlicherweise beschränkt die Finanzverwaltung die Auslegung eines Präferenzregimes nicht auf klassische IP-Boxen. Vielmehr kann jegliche Steuervergünstigung wie etwa Schweizer gemischte Gesellschaften oder Holdinggesellschaften (bis 2019) eine schädliche Präferenzbesteuerung darstellen, soweit sie auch Einkünfte aus Rechteüberlassungen begünstigt. Noch kritischer ist aus Sicht des hiesigen Lizenznehmers, dass er die steuerliche Behandlung des Lizenzgebers im Ausland kennen muss, um seinen eigenen steuerlichen Pflichten nachkommen zu können. Ob die kommunizierten Nachweispflichten für den Steuerpflichtigen möglich und zumutbar sind, ist äußerst fraglich.

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