Das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit der Schweiz enthält sowohl für die Einkünfte von Grenzgängern als auch von Flugpersonal eine Ausnahmeregelung zur Zuweisung des Besteuerungsrechts. Das Finanzgericht (FG) Hamburg ist nun in einem aktuellen Fall zu dem Schluss gelangt, dass die Sonderregelung für Flugpersonal vorrangig vor derjenigen für Grenzgänger anzuwenden ist (Gerichtsbescheid vom 12.04.2021, Aktenzeichen 6 K 179/19). Gegen die Entscheidung wurde Revision eingelegt (BFH, Aktenzeichen I R 22/21).
Sachverhalt
Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Schweiz und war 2017 (Streitjahr) für eine deutsche Gesellschaft als Pilot tätig. Laut Arbeitsvertrag befindet sich sein Arbeitsort in Deutschland. Er flog ausschließlich Interkontinental-/Langstreckenflüge und die Einsätze dauerten jeweils mehrere Tage. Die Arbeitgeberin behielt auf seine Vergütung Lohnsteuer ein und führte sie an das deutsche Betriebsstättenfinanzamt ab. Am 30.07.2018 beantragte der Kläger die Erstattung von zu viel einbehaltener Lohnsteuer mit der Begründung, er sei Grenzgänger nach Art. 15a des DBA Schweiz.
Entscheidung
Der Kläger bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die er an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugs ausgeübt hat, das von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird. Er war daher in Deutschland beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 4e EStG).
Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 des DBA mit der Schweiz kann Deutschland diese Einkünfte auch besteuern. Art. 15a (Grenzgängerregelung), der das Besteuerungsrecht der Schweiz zuordnen würde, ist nach Auffassung des Gerichts nicht einschlägig. Er sei nicht als speziellere Regelung vorrangig, denn
- anders als bei den Absätzen 1 und 4 ist in Art. 15 Abs. 3 des DBA gerade nicht der Passus „vorbehaltlich des Artikels 15a“ enthalten und
- auch die historische Auslegung, das Protokoll zur Änderung des DBA Schweiz und der Sinn und Zweck der Regelung bestätigten diese Sichtweise.
Gegen die Entscheidung ist die Revision vor dem Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen I R 22/21 anhängig.