Gesetzentwurf lockert Voraussetzungen
Der Gesetzentwurf erweitert den Anwendungsbereich der Regelung. So soll laut Entwurf die aufgeschobene Besteuerung auch möglich sein, wenn die Vermögensbeteiligung direkt von den Gesellschaftern oder von Unternehmen des gleichen Konzerns (im Sinne von § 18 AktG) gewährt wird.
Zudem soll für den Jahresumsatz und die Bilanzsumme künftig der doppelte Schwellenwert für KMU maßgeblich sein. Für die Anzahl der beschäftigten Personen ist laut Regierungsentwurf der vierfache Schwellenwert (Referentenentwurf: doppelter Schwellenwert) maßgeblich. Danach ist die aufgeschobene Besteuerung künftig anwendbar, wenn das Unternehmen weniger als 1.000 Personen beschäftigt, einen Jahresumsatz von höchstens 100 Mio. Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 86 Mio. Euro erzielt.
Darüber hinaus soll es ausreichen, wenn die Schwellenwerte im Zeitpunkt der Übertragung oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre (derzeit: im Zeitpunkt der Übertragung und im vorangegangenen Kalenderjahr) nicht überschritten werden.
Im Referentenentwurf war nicht geregelt, ob die KMU-Schwellenwerte nur für das Arbeitgeberunternehmen oder für den gesamten Konzern gelten müssen. Der Regierungsentwurf stellt nun klar, dass hier allein auf das Unternehmen des Arbeitgebers abzustellen ist. Damit dürfte die Auffassung der Finanzverwaltung, wonach bei den Schwellenwerten Partnerunternehmen und verbundene Unternehmen zu berücksichtigen sind (BMF-Schreiben vom 16.11.2021, Rz. 42), künftig hinfällig sein.
Der aktualisierte Entwurf legt auch fest, dass auf den Stichtag des letzten Rechnungsabschlusses abzustellen ist und der Status als zu berücksichtigendes Unternehmen erst erworben wird oder verloren geht, wenn die Schwellenwerte in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren unter- bzw. überschritten werden.
Schließlich darf die Gründung nicht mehr als 20 Jahre (derzeit 12 Jahre) zurückliegen. Der geldwerte Vorteil soll künftig spätestens nach 20 Jahren (derzeit 12 Jahre) besteuert werden.
Pauschalbesteuerung für „Dry income“-Fälle gestrichen
Wenn die Steuer auf den Vorteil aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. des Ablaufs der Frist von 12 bzw. 20 Jahren festgesetzt wird, ist sie zu zahlen, obwohl keine entsprechenden Einnahmen zugeflossen sind („dry income“). Ursprünglich hatte der Gesetzgeber geplant, für diese Fälle die Möglichkeit einer pauschalen Besteuerung mit einem Steuersatz von 25 Prozent einzuführen. Diese Regelung ist im Regierungsentwurf allerdings entfallen.
Besteuerung erst beim Verkauf
Lediglich die Möglichkeit des Aufschubs des Besteuerungszeitpunkts wurde beibehalten. Wenn der Arbeitgeber unwiderruflich erklärt, dass er die Haftung für die Lohnsteuer übernimmt, soll der geldwerte Vorteil künftig erst beim Verkauf versteuert werden. In diesem Fall kann sich das Betriebsstättenfinanzamt unmittelbar an den Arbeitgeber wenden, wenn der Arbeitnehmer nicht in Anspruch genommen werden kann, etwa weil er ins Ausland umgezogen ist.
Auch hier hatte der Referentenentwurf die Möglichkeit der pauschalen Versteuerung vorgesehen. Im Regierungsentwurf findet sie sich jedoch nicht mehr.
Haftungsübernahme – Umsetzung in der Praxis?
Eine Übernahme der Haftung durch den Arbeitgeber kann unseres Erachtens dann praktikabel sein, wenn sichergestellt ist, dass bei der Veräußerung der Anteile die Zahlungsflüsse unter Einbeziehung des Arbeitgebers stattfinden. Bei den heutzutage üblichen virtuellen Modellen ist das regelmäßig der Fall. Entsprechend kann die Lohnsteuer tatsächlich von der Zahlung an den Mitarbeiter einbehalten bzw. abgezogen werden. Eine zusätzliche Belastung des Arbeitgebers entstünde somit nicht.
Die praktische Umsetzung bei echten Anteilen (z. B. auch über ein Involvement der Unternehmensgruppe in einem etwaigen Pooling-Vehikel) muss allerdings noch etabliert werden.
Bundesrat: Zufluss auch ohne Möglichkeit der Verfügung über die Anteile
Gemäß Bundesratsempfehlung soll ein Vorteil im Sinne des § 19a Abs. 1 Nr. 1 EStG auch als zugeflossen gelten, wenn es dem Arbeitnehmer rechtlich unmöglich ist, über die Vermögensbeteiligung zu verfügen. Bei vinkulierten Anteilen bedarf die Veräußerung der Anteile der Zustimmung des Unternehmens. So kann das Unternehmen verhindern, dass beispielsweise Mitbewerber Anteile erwerben.
Der Bundesrat geht offenbar davon aus, dass bei vinkulierten Aktien grundsätzlich kein Zufluss des geldwerten Vorteils stattfindet – eine Auffassung, die unseres Erachtens so zumindest bisher nicht durch eine ständige Rechtsprechung gesichert ist. Er begründet seinen Änderungswunsch damit, dass „Start-ups nahezu ausschließlich vinkulierte Anteile als Mitarbeiterbeteiligung gewähren“ und das wirtschaftliche Eigentum an diesen Anteilen aufgrund der Vinkulierung nicht auf den Erwerber übergehe. Die Bundesregierung will den Vorschlag des Bundesrats unter Berücksichtigung der faktischen Bedeutung für die Branche prüfen.
Bedeutung vinkulierter Anteile in der Praxis
Tatsächlich spielt die Gewährung vinkulierter Anteile für Incentive-Pläne in der Start-up-Szene bislang keine nennenswerte Rolle. In der Praxis gab es daher in diesem Umfeld kaum Diskussionen zur Frage, wann ein Zufluss stattfindet. Sie könnte jedoch an Relevanz gewinnen, wenn durch die geplanten großzügigeren Regelungen zum Freibetrag und zum Aufschub der Besteuerung mehr Start-ups Mitarbeiterprogramme mit echten (und dann wohl auch vinkulierten) Anteilen auflegen.
Klarstellung für alle vinkulierte Anteile
Eine Klarstellung ist daher unseres Erachtens durchaus wünschenswert. Sie sollte allerdings für alle Unternehmen gelten. Denn die Beschränkung des Hinweises auf Anteile von KMU lässt den Umkehrschluss zu, dass bei vinkulierten Anteilen anderer Unternehmen eben kein Zufluss stattfindet. Daraus folgt insbesondere, dass in diesem Fall der Freibetrag nach § 3 Nr. 39 EStG nicht greift und dass der Mitarbeiter keine Kapitaleinkünfte (Dividenden) erzielt.
Dies kann nicht so gewollt sein. Die Bundesregierung erklärt in ihrer Gegenäußerung ausdrücklich, dass sie Mitarbeiterkapitalbeteiligungen auch außerhalb der Start-up-Szene fördern will. Ein Gleichlauf mit den Anteilen von KMU ist daher insoweit wünschenswert, um unnötige Folgeprobleme zu vermeiden.
Sozialversicherung: „Dry income“-Problematik bleibt
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Gesetzesänderung potenziell zwar im Bereich der Lohnsteuer Abhilfe schafft, auf die Sozialabgaben jedoch keine Auswirkungen entfaltet. Das bedeutet, dass Beiträge zur Sozialversicherung nicht erst beim Verkauf, sondern schon bei der Übertragung der Vermögensbeteiligung anfallen würden. Dies gilt zumindest, soweit die Beitragsbemessungsgrenzen nicht bereits überschritten sind. § 19a EStG kann die „Dry income“-Problematik daher nicht umfassend bereinigen.
Der Bundesrat hat angeregt, die Sozialversicherungsbeiträge im Zusammenhang mit der Versteuerung des geldwerten Vorteils zu erheben (also bei Anteilen an KMU in der Regel beim Verkauf). Die Bundesregierung will diesen Vorschlag prüfen. Es bleibt daher abzuwarten, ob im Sozialversicherungsrecht eine analoge Regelung geschaffen wird.