Regierungsentwurf zur Förderung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen
Bundesrat will weitreichende Änderungen zu steuerlichen Vergünstigungen
Das Bundeskabinett hat am 16.08.2023 den Regierungsentwurf für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) beschlossen. Durch die Neuregelung möchte der Gesetzgeber unter anderem die Rahmenbedingungen für Start-ups, Wachstumsunternehmen und KMU verbessern und die Mitarbeiterkapitalbeteiligung stärken. Das Gesetzespaket enthält insbesondere neue Regelungen zur Besteuerung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen. Der Entwurf macht die Aufschiebung der Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Beteiligung mehr Beschäftigten zugänglich, indem er den Kreis der begünstigten Kleinstunternehmen und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ausdehnt. Außerdem soll die Steuerbefreiung für den geldwerten Vorteil aus der Gewährung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen deutlich erhöht werden. Doch der Bundesrat will hier weniger großzügig sein und hat in seiner Sitzung am 29.09.2023 einzelnen Empfehlungen der Ausschüsse zugestimmt, die bei der Höhe des Freibetrags wesentliche Einschnitte im Vergleich zum Regierungsentwurf vorsehen.
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Erhöhung des Freibetrags
Regierungsentwurf
Der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung bestimmter Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers ist derzeit steuerfrei, soweit er 1.440 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigt (§ 3 Nr. 39 EStG). Geplant ist die Anhebung des Freibetrags auf bis zu 5.000 Euro.
Der Referentenentwurf vom 12.04.2023 sah vor, dass der Freibetrag nur greift, wenn die Vermögensbeteiligung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Dies hätte hinsichtlich der ersten 1.440 Euro eine Schlechterstellung bedeutet, da insoweit keine Gehaltsumwandlung mehr möglich gewesen wäre. Laut Regierungsentwurf müssen Vermögensbeteiligungen nun lediglich soweit sie 2.000 Euro übersteigen, zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden, damit der Freibetrag greift. Demnach sind künftig Gehaltsumwandlungen in Höhe von bis zu 2.000 Euro begünstigt.
Doch auch laut Regierungsentwurf soll künftig bei einer Veräußerung oder unentgeltlichen Übertragung innerhalb von drei Jahren der nach § 3 Nr. 39 EStG steuerfreie Teil des geldwerten Vorteils nicht zu den Anschaffungskosten zählen. Das heißt, auch insoweit fällt – anders als nach geltendem Recht – Abgeltungsteuer an (bzw. sind die Einkünfte bei Beteiligungen i. S. v. § 17 EStG nach dem Teileinkünfteverfahren zu versteuern).
Änderungsvorschläge des Bundesrats
Der Bundesrat will dagegen den Freibetrag nach § 3 Nr. 39 EStG nur auf 2.000 Euro anheben. Laut Bundesrat steht dies mit dem Ziel im Einklang, die private Altersvorsorge der Arbeitnehmer (z. B. durch den Bezug von Belegschaftsaktien am Kapitalmarkt) steuerlich zu forcieren. Eine Erhöhung auf 5.000 Euro hält er im Verhältnis zu den übrigen Steuerbefreiungsvorschriften für Arbeitnehmer für sachlich nicht gerechtfertigt und daher überschießend.
Dafür soll die nachträgliche Besteuerung des bisher nach § 3 Nr. 39 EStG steuerfreien Teils im Fall der Veräußerung oder unentgeltlichen Übertragung innerhalb von drei Jahren entfallen. Sie sei durch die Differenzierung des Freibetrags entbehrlich. Außerdem diene die Streichung der Vereinfachung und dem Bürokratieabbau.
Ein Freibetrag von 5.000 Euro soll ausschließlich für Beschäftigte von KMU eingeführt werden (als Ergänzung in § 19a EStG Abs. 1 EStG). Den Änderungsvorschlag begründet er damit, dass die Förderung der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung der betreffenden Vermögensbeteiligungen an Beschäftigte von Startups das vorrangige Ziel des Gesetzes sei. Hierdurch solle der „Kampf um die besten Köpfe“ steuerlich unterstützt werden.
Die Bundesregierung hat diesen Vorschlag in ihrer Gegenäußerung vom 02.10.2023 abgelehnt. Denn mit dem Antrag werde ein wesentliches Ziel der Bundesregierung, die Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch von Unternehmen, die keine Start-ups sind, konterkariert.
INVEST-Zuschuss
Außerdem enthält der Regierungsentwurf die Anpassung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 71 EStG für den INVEST-Zuschuss an die geänderten INVEST-Förderbedingungen (Förderrichtlinie zur Bezuschussung von Wagniskapital privater Investierender für junge innovative Unternehmen vom 06.02.2023).
Kleinstunternehmen und KMU: aufgeschobene Besteuerung
Gesetzentwurf lockert Voraussetzungen
Der Gesetzentwurf erweitert den Anwendungsbereich der Regelung. So soll laut Entwurf die aufgeschobene Besteuerung auch möglich sein, wenn die Vermögensbeteiligung direkt von den Gesellschaftern oder von Unternehmen des gleichen Konzerns (im Sinne von § 18 AktG) gewährt wird.
Zudem soll für den Jahresumsatz und die Bilanzsumme künftig der doppelte Schwellenwert für KMU maßgeblich sein. Für die Anzahl der beschäftigten Personen ist laut Regierungsentwurf der vierfache Schwellenwert (Referentenentwurf: doppelter Schwellenwert) maßgeblich. Danach ist die aufgeschobene Besteuerung künftig anwendbar, wenn das Unternehmen weniger als 1.000 Personen beschäftigt, einen Jahresumsatz von höchstens 100 Mio. Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 86 Mio. Euro erzielt.
Darüber hinaus soll es ausreichen, wenn die Schwellenwerte im Zeitpunkt der Übertragung oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre (derzeit: im Zeitpunkt der Übertragung und im vorangegangenen Kalenderjahr) nicht überschritten werden.
Im Referentenentwurf war nicht geregelt, ob die KMU-Schwellenwerte nur für das Arbeitgeberunternehmen oder für den gesamten Konzern gelten müssen. Der Regierungsentwurf stellt nun klar, dass hier allein auf das Unternehmen des Arbeitgebers abzustellen ist. Damit dürfte die Auffassung der Finanzverwaltung, wonach bei den Schwellenwerten Partnerunternehmen und verbundene Unternehmen zu berücksichtigen sind (BMF-Schreiben vom 16.11.2021, Rz. 42), künftig hinfällig sein.
Der aktualisierte Entwurf legt auch fest, dass auf den Stichtag des letzten Rechnungsabschlusses abzustellen ist und der Status als zu berücksichtigendes Unternehmen erst erworben wird oder verloren geht, wenn die Schwellenwerte in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren unter- bzw. überschritten werden.
Schließlich darf die Gründung nicht mehr als 20 Jahre (derzeit 12 Jahre) zurückliegen. Der geldwerte Vorteil soll künftig spätestens nach 20 Jahren (derzeit 12 Jahre) besteuert werden.
Pauschalbesteuerung für „Dry income“-Fälle gestrichen
Wenn die Steuer auf den Vorteil aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. des Ablaufs der Frist von 12 bzw. 20 Jahren festgesetzt wird, ist sie zu zahlen, obwohl keine entsprechenden Einnahmen zugeflossen sind („dry income“). Ursprünglich hatte der Gesetzgeber geplant, für diese Fälle die Möglichkeit einer pauschalen Besteuerung mit einem Steuersatz von 25 Prozent einzuführen. Diese Regelung ist im Regierungsentwurf allerdings entfallen.
Besteuerung erst beim Verkauf
Lediglich die Möglichkeit des Aufschubs des Besteuerungszeitpunkts wurde beibehalten. Wenn der Arbeitgeber unwiderruflich erklärt, dass er die Haftung für die Lohnsteuer übernimmt, soll der geldwerte Vorteil künftig erst beim Verkauf versteuert werden. In diesem Fall kann sich das Betriebsstättenfinanzamt unmittelbar an den Arbeitgeber wenden, wenn der Arbeitnehmer nicht in Anspruch genommen werden kann, etwa weil er ins Ausland umgezogen ist.
Auch hier hatte der Referentenentwurf die Möglichkeit der pauschalen Versteuerung vorgesehen. Im Regierungsentwurf findet sie sich jedoch nicht mehr.
Haftungsübernahme – Umsetzung in der Praxis?
Eine Übernahme der Haftung durch den Arbeitgeber kann unseres Erachtens dann praktikabel sein, wenn sichergestellt ist, dass bei der Veräußerung der Anteile die Zahlungsflüsse unter Einbeziehung des Arbeitgebers stattfinden. Bei den heutzutage üblichen virtuellen Modellen ist das regelmäßig der Fall. Entsprechend kann die Lohnsteuer tatsächlich von der Zahlung an den Mitarbeiter einbehalten bzw. abgezogen werden. Eine zusätzliche Belastung des Arbeitgebers entstünde somit nicht.
Die praktische Umsetzung bei echten Anteilen (z. B. auch über ein Involvement der Unternehmensgruppe in einem etwaigen Pooling-Vehikel) muss allerdings noch etabliert werden.
Bundesrat: Zufluss auch ohne Möglichkeit der Verfügung über die Anteile
Gemäß Bundesratsempfehlung soll ein Vorteil im Sinne des § 19a Abs. 1 Nr. 1 EStG auch als zugeflossen gelten, wenn es dem Arbeitnehmer rechtlich unmöglich ist, über die Vermögensbeteiligung zu verfügen. Bei vinkulierten Anteilen bedarf die Veräußerung der Anteile der Zustimmung des Unternehmens. So kann das Unternehmen verhindern, dass beispielsweise Mitbewerber Anteile erwerben.
Der Bundesrat geht offenbar davon aus, dass bei vinkulierten Aktien grundsätzlich kein Zufluss des geldwerten Vorteils stattfindet – eine Auffassung, die unseres Erachtens so zumindest bisher nicht durch eine ständige Rechtsprechung gesichert ist. Er begründet seinen Änderungswunsch damit, dass „Start-ups nahezu ausschließlich vinkulierte Anteile als Mitarbeiterbeteiligung gewähren“ und das wirtschaftliche Eigentum an diesen Anteilen aufgrund der Vinkulierung nicht auf den Erwerber übergehe. Die Bundesregierung will den Vorschlag des Bundesrats unter Berücksichtigung der faktischen Bedeutung für die Branche prüfen.
Bedeutung vinkulierter Anteile in der Praxis
Tatsächlich spielt die Gewährung vinkulierter Anteile für Incentive-Pläne in der Start-up-Szene bislang keine nennenswerte Rolle. In der Praxis gab es daher in diesem Umfeld kaum Diskussionen zur Frage, wann ein Zufluss stattfindet. Sie könnte jedoch an Relevanz gewinnen, wenn durch die geplanten großzügigeren Regelungen zum Freibetrag und zum Aufschub der Besteuerung mehr Start-ups Mitarbeiterprogramme mit echten (und dann wohl auch vinkulierten) Anteilen auflegen.
Klarstellung für alle vinkulierte Anteile
Eine Klarstellung ist daher unseres Erachtens durchaus wünschenswert. Sie sollte allerdings für alle Unternehmen gelten. Denn die Beschränkung des Hinweises auf Anteile von KMU lässt den Umkehrschluss zu, dass bei vinkulierten Anteilen anderer Unternehmen eben kein Zufluss stattfindet. Daraus folgt insbesondere, dass in diesem Fall der Freibetrag nach § 3 Nr. 39 EStG nicht greift und dass der Mitarbeiter keine Kapitaleinkünfte (Dividenden) erzielt.
Dies kann nicht so gewollt sein. Die Bundesregierung erklärt in ihrer Gegenäußerung ausdrücklich, dass sie Mitarbeiterkapitalbeteiligungen auch außerhalb der Start-up-Szene fördern will. Ein Gleichlauf mit den Anteilen von KMU ist daher insoweit wünschenswert, um unnötige Folgeprobleme zu vermeiden.
Sozialversicherung: „Dry income“-Problematik bleibt
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Gesetzesänderung potenziell zwar im Bereich der Lohnsteuer Abhilfe schafft, auf die Sozialabgaben jedoch keine Auswirkungen entfaltet. Das bedeutet, dass Beiträge zur Sozialversicherung nicht erst beim Verkauf, sondern schon bei der Übertragung der Vermögensbeteiligung anfallen würden. Dies gilt zumindest, soweit die Beitragsbemessungsgrenzen nicht bereits überschritten sind. § 19a EStG kann die „Dry income“-Problematik daher nicht umfassend bereinigen.
Der Bundesrat hat angeregt, die Sozialversicherungsbeiträge im Zusammenhang mit der Versteuerung des geldwerten Vorteils zu erheben (also bei Anteilen an KMU in der Regel beim Verkauf). Die Bundesregierung will diesen Vorschlag prüfen. Es bleibt daher abzuwarten, ob im Sozialversicherungsrecht eine analoge Regelung geschaffen wird.
Ausblick und Handlungsempfehlung
Am 11.10.2023 hat eine öffentliche Anhörung zum ZuFinG stattgefunden. Der Gesetzentwurf wird gemeinsam mit der Stellungnahme des Bundesrats und der Gegenäußerung der Bundesregierung beim Bundestag eingebracht und soll am 17.11.2023 beschlossen werden. Wenn das weitere Gesetzgebungsverfahren wie geplant verläuft, erfolgt die Zustimmung des Bundesrats am 15.12.2023.
Der Vorschlag des Bundesrats berücksichtigt nicht, dass ein Freibetrag in Höhe von 2.000 Euro im europäischen Vergleich als eher bescheiden bezeichnet werden muss. Beispielsweise belaufen sich die Freibeträge (jeweils unter bestimmten Voraussetzungen) in Österreich auf 3.000 Euro (sofern eine spezielle Mitarbeiterstiftung involviert ist, sogar auf 4.500 Euro) und in Spanien auf 50.000 Euro.
Es ist daher unseres Erachtens wünschenswert, dass das Gesetz mit dem im Regierungsentwurf vorgesehenen Freibetrag in Höhe von 5.000 Euro verabschiedet wird. Auch der Vorschlag eines fingierten Zuflusses trotz rechtlicher Unmöglichkeit der Verfügung überzeugt in dieser Form nicht. Eine Klarstellung, dass auch bei der Gewährung vinkulierter Mitarbeiteraktien ein Eigentumsübergang (und damit ein Zufluss) stattfindet, sollte auch Anteile erfassen, die nicht nach § 19a EStG begünstigt sind.
Lediglich der Wegfall der Haltefrist und des Zusätzlichkeitserfordernisses für die Gewährung des Freibetrags nach § 3 Nr. 39 EStG sowie die Befreiung von der Sozialversicherung sind Änderungsvorschläge, die berücksichtigt werden sollten. Andernfalls ist Deutschland insoweit weiterhin nicht international wettbewerbsfähig.
Von den Neuerungen möglicherweise betroffene Unternehmen sollten sich rechtzeitig mit den (potenziellen) Auswirkungen der Gesetzesänderungen befassen und die weitere Entwicklung verfolgen. Dies gilt aus lohnsteuerlicher Sicht insbesondere für die Einführung eines Zusätzlichkeitserfordernisses für die Gewährung des Freibetrags. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens können sich weitere Änderungen der geplanten Neuerungen ergeben. Die Änderungen sollen ab dem 01.01.2024 gelten.
Arbeitgeber, deren Beschäftigte unter die Regelungen des § 19a EStG fallen, sollten bereits beim Aufsetzen der Beteiligungsstruktur Vorkehrungen treffen, die eine spätere Abführung der Lohnsteuer im Zuge der Zahlungsströme „auf Rechnung“ des Mitarbeiters ermöglicht. Insbesondere der Einsatz von Pooling-Vehikeln dürfte dies ermöglichen. Durch einen solchen echten Einbehalt bzw. Abzug sind eine Arbeitgeberhaftung und damit echte zusätzliche Kosten des Arbeitgebers in der Regel vermeidbar.
Kontaktpersonen: Gordon Rösch und Martin Neutzner
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