1. Employer of Record
Eine mögliche Lösung bietet das Modell Employer of Record (EoR). Hier stellt eine Art lokale Personalagentur Mitarbeiter ein, die im Auftrag des Kunden angeworben werden, und übernimmt die Abwicklung des gesamten Arbeitsverhältnisses. Diese Leistung kann in zahlreichen Ländern in Anspruch genommen werden. Dabei bietet der EoR in der Regel ein umfassendes Leistungspaket an: von der Anstellung der Mitarbeiter im jeweils gewählten Land über alle damit verbundenen rechtlichen und regulatorischen Angelegenheiten wie die Beantragung der erforderlichen Arbeitserlaubnis oder die Anmeldung des Mitarbeiters bei den lokalen Steuer- und Sozialversicherungsbehörden bis hin zur Abwicklung der monatlichen Lohn- und Gehaltsabrechnungen inklusive der Abführung der damit verbundenen gesetzlichen Abgaben.
2. Geschäftsmodell
Beim klassischen EoR-Modell stellt der Anbieter seine Mitarbeiter dem Kunden wie bei einer Arbeitnehmerüberlassung zur Verfügung. Der Kunde kann den Mitarbeiter also nach individuellem Bedarf anweisen und im eigenen Betrieb wie einen eigenen Arbeitnehmer einsetzen. Der Markt für EoR-Modelle entwickelt sich rasant. Inzwischen werden viele sehr unterschiedliche Leistungen und Vertragsmodelle angeboten, die je nach Ausgestaltung unterschiedliche lohn- bzw. einkommensteuerliche, sozialversicherungs-, aufenthalts- und arbeitsrechtliche Konsequenzen haben können.
Zusätzlich zur Anstellung und Arbeitnehmerüberlassung werden von EoRs auch noch weitere Leistungen angeboten, etwa die Möglichkeit eines konsolidierten Lohnabrechnungssystems („Payroll“), wodurch die Einhaltung von Fristen und Zahlungen von Steuern und Sozialabgaben in dem jeweiligen Land gewährleistet werden.
Die Services eines EoR können aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden: Zum einen kommt eine Überlassung von in Deutschland ansässigen und tätig werdenden Mitarbeitern an Gesellschaften im Ausland in Betracht und zum anderen die Überlassung von Mitarbeitern aus dem Ausland an deutsche Gesellschaften. Es stellt sich die Frage, in welchen Fällen sich die Beauftragung eines EoR lohnt und worauf zu achten ist. Im Folgenden wird nur auf den Fall eingegangen, dass eine deutsche Gesellschaft Personal im Ausland über einen dort ansässigen EoR beschäftigt.
3. Rechtliche Bewertung
Die Grundsätze des deutschen Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) und des Sozialgesetzbuches (SGB) beruhen auf dem Territorialitätsprinzip. Umso mehr wirkt die neue fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit (BFA) mit § 1 Z. 1.1.1 Abs. 3 (s. u.) wie ein Paukenschlag – jedenfalls für solche Fälle, in denen eine deutsche Gesellschaft einen Mitarbeiter im Ausland über einen Employer of Records beschäftigen möchte.
Bislang galt, dass die Zulässigkeit einer solchen Beschäftigung dem Grunde nach allein nach dem lokalen Recht zu beurteilen war. Das deutsche AÜG und das deutsche Sozialversicherungsrecht kamen in diesen Fällen grundsätzlich nicht zur Anwendung, denn allein das Direktionsrecht des in Deutschland ansässigen Unternehmens reichte für die Annahme eines Inlandsbezugs nicht aus. Im Oktober dieses Jahres hat die BfA nun jedoch eine neue fachliche Weisung zur Umsetzung und Anwendung des AÜG veröffentlicht, die seit dem 15.10.2024 gültig ist. § 1 Ziffer 1.1.1 Abs. 3 der Weisung besagt: „Um den Schutz des Teilarbeitsmarkts Arbeitnehmerüberlassung zu wahren, kann bei Arbeitsleistungen, die ortsunabhängig ausschließlich im homeoffice bzw. als ausschließliche Telearbeit erbracht werden, nicht allein darauf abgestellt werden, wo sich der Leiharbeitnehmer rein körperlich befindet. Erlaubnisrechtlich ist entscheidend, ob die Überlassung Inlandsbezug aufweist. Das ist bei ortsunabhängigen Arbeitsleistungen regelmäßig der Fall, wenn die Überlassung vom Inland aus erfolgt oder der Leiharbeitnehmer virtuell für einen inländischen Entleiher tätig wird.“
Demnach soll das AÜG zur Anwendung kommen, wenn der Verleih hinreichenden Inlandsbezug zu Deutschland aufweist. Dies soll nicht erst dann der Fall sein, wenn die Arbeitsleistung in Deutschland erbracht wird, sondern bereits bei ortsunabhängigen Arbeitsleistungen, die ausschließlich im Homeoffice bzw. als ausschließliche Telearbeit erbracht werden, bei denen der Leiharbeitnehmer aber virtuell für einen inländischen Entleiher tätig wird.
Für Verleiher bedeutet dies, dass nunmehr eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis auch in solchen Fällen erforderlich ist – jedenfalls nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit. Wie dies letztlich in der Praxis umgesetzt wird, bleibt abzuwarten, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass beispielsweise Verleiher, die ihren Sitz außerhalb der EU/des EWR haben, nach dem Gesetz keine Möglichkeit haben, eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu beantragen (z. B. ein EoR mit Sitz im Vereinigten Königreich).
Werden Mitarbeiter ohne AÜ-Erlaubnis überlassen, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Bei grenzüberschreitenden Überlassungen ohne Erlaubnis kann sogar eine Straftat vorliegen. Das deutsche (Entleiher-)Unternehmen sollte in diesem Fall unbedingt sicherstellen, dass dem EoR die entsprechende AÜ-Erlaubnis erteilt wurde, da sonst ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem ihm überlassenen Mitarbeiter kraft Gesetzes begründet werden könnte, einschließlich einer Haftung für Steuern und Sozialabgaben.
Vereinzelt bieten EoRs auch die Tätigkeit von Freelancern an. Allerdings ist hier Vorsicht geboten, um eine unerwünschte Scheinselbständigkeit zu vermeiden. Indizien, die für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen, wie Weisungsgebundenheit und persönliche Abhängigkeit, können bei einem erfolgreichen Statusfeststellungsverfahren zu erheblichen Vermögenseinbußen wie auch zu einem Anstellungsverhältnis führen.
4. Aufenthaltsrecht
Bei der Beschäftigung bei einem EoR gilt es, die aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtlichen Voraussetzungen im ausländischen Einsatzstaat zu beachten. Fallen Arbeitstage in Deutschland an, sind auch die entsprechenden deutschen Vorschriften einzuhalten. Besonders risikobehaftet sind hier Arbeitstage von Drittstaatsangehörigen in Deutschland. Aufgrund der Vielzahl möglicher Fallkonstellationen wird regelmäßig eine Einzelfallprüfung erforderlich sein.
5. Sozialversicherungsrecht
Bei der dauerhaften Beschäftigung von Mitarbeitern im Ausland sind die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen und Vorgaben im Einsatzstaat zu beachten. In der Regel ist genau dies einer der Punkte, die Unternehmen vor Herausforderungen stellen. Hier scheint die Dienstleistung eines EoR eine attraktive Lösung zu sein. Das Leistungsspektrum des EoR umfasst häufig auch die Lohnabrechnung im jeweiligen Land, sodass dem inländischen Arbeitgeber administrative Aufgaben im Einsatzstaat erspart bleiben.
Soweit die Mitarbeiter lediglich im Ausland tätig und dort beim EoR angestellt sind, greift in der Regel das Sozialversicherungsrecht des entsprechenden Landes und der EoR übernimmt als rechtlicher Arbeitgeber die dortigen sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen. Unternimmt der Arbeitnehmer Reisen nach Deutschland, um im Unternehmen Aufgaben und Tätigkeiten wahrzunehmen, so ist zunächst der rechtliche Arbeitgeber – nämlich der EoR – verpflichtet, das anzuwendende Sozialversicherungsrecht festzustellen und ggf. Entsendebescheinigungen im Heimatland einzuholen.
Kommt es im Falle von Tätigkeiten in Deutschland zur Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts, so wäre bei einem Anstellungsverhältnis mit dem EoR ebenfalls der EoR verpflichtet, die Sozialabgaben in Deutschland abzuführen. Auch aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht ist die Anwendung des AÜG zu beachten und ggf. zu prüfen, ob der EoR die erforderliche AÜ-Erlaubnis besitzt.
Insgesamt ist jedoch für die Prüfung der sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen auf das konkrete Modell des EoR abzustellen und zu prüfen, ob den EoR oder aber das Unternehmen selbst eine Verpflichtung zur Abführung von Sozialabgaben trifft.
6. Steuerliche Konsequenzen
… für das Unternehmen
Risiko Betriebsstätte
Ob durch den Beschäftigten im anderen Staat eine Betriebsstätte des deutschen Unternehmens entsteht, richtet sich nach dem dortigen nationalen Recht bzw. nach dem betreffenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Problematisch sind regelmäßig Beschäftigte, die für den Entleiher Verträge schließen (können) oder zumindest eine wesentliche Rolle beim Vertragsschluss spielen (Vertreterbetriebsstätte).
Ohne EoR besteht unter bestimmten Umständen allerdings ein noch größeres Betriebsstättenrisiko, da eventuell eine feste Geschäftseinrichtung des deutschen Unternehmens im anderen Land vorliegen kann. Andererseits zeigen bereits mehrere Urteile, dass beispielsweise Beschäftigte, die ihre Tätigkeit im ausländischen Homeoffice ausüben, nicht unbedingt im betreffenden Staat eine Betriebsstätte begründen, da in der Regel keine feste Geschäftseinrichtung des deutschen Unternehmens vorliegt. Dies ist jedoch stets nach den jeweiligen Vorschriften des Landes, in dem der Arbeitnehmer tätig wird, zu prüfen.
Geschäftsführer im Ausland begründen unabhängig davon, ob ein EoR eingeschaltet wurde, regelmäßig dort eine Betriebsstätte des deutschen Unternehmens.
Lohnsteuer
Wenn ein Arbeitnehmer über einen EoR für ein deutsches Unternehmen im Ausland tätig ist, führt der EoR die Lohnsteuer im ausländischen Tätigkeitsstaat ab. Ob das deutsche Unternehmen als Kunde des EoR für nicht abgeführte Lohnsteuer haftet, richtet sich nach dem nationalen Recht des Tätigkeitsstaates. Ohne EoR kommt es dagegen häufig zu einer Pflicht zur Registrierung und Abführung von Lohnsteuer im Ausland.
Eine eventuelle aufgrund von Arbeitstagen in Deutschland anfallende Lohnsteuer hat ebenfalls der EoR in seiner Funktion als ausländischer Verleiher (§ 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) abzuführen. Dies setzt voraus, dass der EoR über eine AÜ-Erlaubnis verfügt (und die Höchstdauer für eine Überlassung von regelmäßig 18 Monaten nicht überschritten ist). Liegt keine AÜ-Erlaubnis vor, haftet auch der deutsche Entleiher für eine eventuelle nicht abgeführte Lohnsteuer, § 42d Abs. 6 EStG.
… für den Beschäftigten
Ohne Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland unterliegt ein im Ausland tätiger Beschäftigter lediglich der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. In diesem Fall kann auf die Vergütung im Wesentlichen nur dann deutsche Einkommensteuer anfallen, wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird. Es empfiehlt sich daher, Arbeitstage im Inland zu dokumentieren. Hierzu zählen beispielsweise auch Aufenthalte im Zusammenhang mit Schulungen. Grundsätzlich gilt bei einer Lohnsteuereinbehaltungspflicht im Inland die deutsche Einkommensteuer durch den Lohnsteuerabzug als abgegolten (Ausnahmen hiervon sind in § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG geregelt).
Besteht mit dem anderen Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen, hat in der Regel Deutschland als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die anteilige Vergütung. Nach Art. 15 Abs. 2 OECD-MA (sog. 183-Tage-Regel) kann dagegen unter bestimmten Umständen der Wohnsitzstaat das Gehalt für die Arbeitstage in Deutschland besteuern. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass die Vergütung von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt wird, der nicht im anderen Staat (Deutschland) ansässig ist.
Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung ist bei einer gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung allerdings regelmäßig der Entleiher als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen und daher die anteilige Vergütung für Arbeitstage in Deutschland im Inland steuerpflichtig (BMF-Schreiben vom 12.12.2023, Rn. 188 ff.). Wesentliche Kriterien für die Arbeitgebereigenschaft sind beispielsweise die folgenden:
- Der Entleiher trägt die Verantwortung oder das Risiko für die durch die Tätigkeit des Arbeitnehmers erzielten Ergebnisse.
- Der Entleiher hat das Recht, dem Arbeitnehmer Weisungen zu erteilen, auf welche Weise die anfallenden Arbeiten auszuführen sind.
- Der Entleiher bestimmt die Zahl und die Qualifikation der Arbeitnehmer.
- Der Entleiher legt die Arbeits- und die Urlaubszeiten des Arbeitnehmers fest bzw. muss diesen zustimmen.
- Die Vergütung für den Verleiher richtet sich nach der Arbeitszeit der verliehenen beschäftigten Person. Es liegt also kein Dienstleistungsvertrag vor, in dem die Arbeitsstunden des Arbeitnehmers nur einer von vielen Kostenbestandteilen sind.
- Die einzelnen Kriterien wiegen je nach Einzelfall unterschiedlich schwer.
Laut BMF kann in begründeten Ausnahmefällen auch der Verleiher als Arbeitgeber im Sinne des DBA anzusehen sein, weil wesentliche Arbeitgeberfunktionen beim Verleiher verbleiben. Dies setzt jedoch regelmäßig voraus, dass die Höhe der Vergütung für den Verleiher unabhängig von der geleisteten Arbeitszeit des überlassenen Arbeitnehmers und die Überlassung von kurzer Dauer ist.
Darüber hinaus enthalten etliche deutsche DBAs Ausnahmeregelungen für die Tätigkeit im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung. So regelt beispielsweise Art. 14 Abs. 3 des DBA mit Ungarn, dass die sog. 183-Tage Regel (Art. 15 Abs. 2 OECD-MA) nicht gilt und somit im Falle der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung immer dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zusteht. Insbesondere in den Fällen, in denen mit dem anderen Staat kein DBA vereinbart wurde, kann es durch Arbeitstage im Inland zu einer (teilweise) doppelten Besteuerung kommen.