Die vergaberechtliche Behandlung von Preissteigerungen in bereits vergebenen Aufträgen

Die Kriegsereignisse in der Ukraine sowie die damit einhergehenden Sanktionen gegen Russland führen zu erheblichen Preissteigerungen bei bestimmten Produkten und Rohstoffen. Dies betrifft unweigerlich auch bereits vergebene öffentliche Aufträge. Grundsätzlich liegt hierbei das Materialbeschaffungsrisiko beim jeweiligen Auftragnehmer – es sei denn, dies ist vertraglich anders geregelt. Auftragnehmer sind dennoch gewillt, zu versuchen, diese Preissteigerung – zumindest zum Teil – an den Auftraggeber weiterzureichen. In manchen Fällen kann dem Auftraggeber sogar daran gelegen sein, derartige Preissteigerungen mitzutragen, da ansonsten ggf. eine Kündigung sowie Neuausschreibung und damit einhergehende Preissteigerungen sowie zeitliche Verzögerungen drohen.

 

Zivilrechtliche Behandlung 

Zunächst ist hierbei zu betrachten, wie das Materialbeschaffungsrisiko ausgestaltet ist und insbesondere, ob derartige Situationen vertraglich bereits berücksichtigt sind. Ist dies der Fall – z. B. im Wege einer Preisanpassungsklausel –, so kann der Auftragnehmer von dieser Gebrauch machen. Ist dies vertraglich jedoch nicht berücksichtigt, wird schnell eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ nach § 313 BGB angenommen. Hierzu müssen dann jedoch im Einzelfall die Voraussetzungen des § 313 BGB erfüllt sein. 

Eine Störung der Geschäftsgrundlage liegt vor, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben. Die Vertragsparteien dürfen diese Veränderung nicht vorhergesehen haben. Hätten sie dies vorhergesehen, hätten sie den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen. Eine Vertragsanpassung kommt nur dann in Betracht, wenn einer Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dies kann nicht allgemein, sondern nur im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. Dem betroffenen Vertragsteil steht dann das Recht zur Vertragsanpassung und ggf. zum Rücktritt bzw. zur Kündigung zu. 

Vergaberechtliche Behandlung 

Eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB könnte umgehend vergaberechtliche Implikationen nach sich ziehen. Der ursprüngliche Auftrag wurde unter anderen Vorzeichen „vergeben“. Insofern könnte man von einer Auftragsänderung während der Vertragslaufzeit nach § 132 GWB (im Unterschwellenbereich ist dies über § 47 UVgO anwendbar) ausgehen. 

Jedoch gehen die Meinungen auseinander, ob die vergaberechtliche Vorschrift des § 132 GWB auf derartige Fälle anwendbar ist. 

Zum einen wird vertreten, dass der Anwendungsbereich des § 132 GWB gar nicht erst eröffnet ist. Bei einer solchen Anpassung handele es sich schlicht um die beiderseitige Verwirklichung des gesetzlichen Anpassungsanspruches aus § 313 BGB. Entsprechend sei ein solches Vorgehen „vergaberechtlich irrelevant“. 

Nach anderer Ansicht sind die vergaberechtlichen Vorschriften zu beachten. Hier kann aber im Einzelfall eine Lösung über § 132 Abs. 2 Nr. 3 GWB gefunden werden. Die Ereignisse in der Ukraine waren weder für Auftraggeber noch für Auftragnehmer vorhersehbar und der Gesamtcharakter des Auftrags bleibt gewahrt. In diesem Fall kann aber eine Erweiterung nur bis zu 50 % des ursprünglichen Auftragswertes erfolgen. Damit einhergehend ist im Oberschwellenbereich die Änderung nach § 132 Abs. 5 GWB bekannt zu machen. Alternativ kann eine Änderung – ohne Veröffentlichung – auch nach § 132 Abs. 3 GWB zulässig sein, wenn der Wert der Änderung den jeweiligen Schwellenwert nicht übersteiget und bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nicht mehr als 10 % des ursprünglichen Auftragswertes beträgt (20 % im Unterschwellenbereich, vgl. § 47 Abs. 2 UVgO).  

Teleologisch betrachtet dient § 313 BGB dazu, das wirtschaftliche Gleichgewicht im Vertragsverhältnis wiederherzustellen. Nach § 132 Abs. 1 Nr. 2 GWB liegt eine wesentliche Änderung insbesondere vor, wenn das wirtschaftliche Gleichgewicht zugunsten des Auftragnehmers in einer Weise verschoben wird, die im Vertrag nicht vorgesehen war. Dieses wirtschaftliche Gleichgewicht soll jedoch durch eine Anwendung von § 313 BGB gerade gewahrt werden. Insofern könnte man mit guten Argumenten vertreten, dass – vergaberechtlich – bereits keine wesentliche Änderung vorliegt (vgl. auch Hinweise des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz v. 24.06.2022 – IB6 – 20606-001). Jedoch sollten auch hier immer die Umstände des jeweiligen Einzelfalls betrachtet werden. 

Fazit 

Zusammenfassend können Preisanpassungen in bereits vergebenen öffentlichen Aufträgen vorgenommen werden, wenn andernfalls einer Partei das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Hierfür ist jedoch der jeweilige Einzelfall zu betrachten. Für zukünftige Ausschreibungen kann ein Rückgriff auf Preisgleitklauseln hilfreich sein.  

Autoren: RA Fabian Dietl