Der BFH ändert seine Rechtsauffassung - § 4 Nr. 12 S. 2 UStG begründet kein Aufteilungsgebot und damit keine uneingeschränkte Steuerpflicht für die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen.
Mit Beschluss vom 17. August 2023 (V R 7/23) ist nun die Nachfolgeentscheidung des BFH zum EuGH-Urteil vom 4. Mai 2023 – C-516/21 („Putenaufzuchtstall“) ergangen. Zum EuGH-Urteil hatten wir bereits mit einem GPS Newsboard - Beitrag vom 11. Mai 2023 berichtet. Der BFH schließt sich den Grundsätzen des EuGH an und ändert damit seine bisherige Rechtsprechung.
Hintergrund
Die isolierte Verpachtung von auf Dauer in ein Gebäude oder Bauwerk installierten Maschinen („Betriebsvorrichtungen“) ist gemäß § 4 Nr. 12 S.2 UStG umsatzsteuerpflichtig. Hingegen ist die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gemäß § 4 Nr. 12a UStG umsatzsteuerfrei – vorbehaltlich einer zulässigen Option zur Steuerpflicht.
Aufgrund der Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts in der EU sind die nationalen Vorschriften immer auch anhand der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) auszulegen. § 4 Nr. 12 UStG deckt sich grds. mit Art 135 Abs. 1 Buchst. l) (Steuerfreiheit Überlassung von Grundstücken) und Art. 135 Abs. 2 Buchst. c) (Steuerpflicht von Betriebsvorrichtungen). Daneben regelt Art. 135 Abs. 2 S.2 MwStSystRL, dass die Mitgliedstaaten weitere Ausnahmen von der Befreiung nach Abs. 1 Buchst. l) vorsehen können. Unklar war, ob Art. 135 Abs. 2 Buchst. c) ein allgemeines Aufteilungsgebot begründet und insofern den Grundsatz, dass wirtschaftlich einheitliche Leistungen in ihrer steuerlichen Behandlung nicht künstlich aufteilt werden sollen, außer Kraft setzt. Dies hatte der EuGH verneint.
BFH-Beschluss vom 17. August 2023 - V R 7/23 (V R 22/20)
Der Kläger verpachtete Stallgebäude mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen für die vertragsgemäße Nutzung als Putenaufzuchtstall. Es handelte sich um spezielle Fütterungsvorrichtungen, besondere Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungsanlagen. Er behandelte die Pachteinnahmen insgesamt umsatzsteuerfrei, da ein einheitliches Entgelt für Gebäude und Betriebsvorrichtungen vorlag. Das Finanzamt rechnete hingegen 20 % der Einnahmen den Betriebsvorrichtungen zu und behandelte diese als umsatzsteuerpflichtig.
Der BFH folgt nun dem EuGH: Handelt es sich bei der Vermietung oder Verpachtung von auf Dauer eingebauten Betriebsvorrichtungen um eine Nebenleistung zu einer umsatzsteuerfreien Vermietung oder Verpachtung eines Gebäudes als Hauptleistung, so ist die Mitvermietung der Betriebsvorrichtungen ebenfalls umsatzsteuerfrei. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ist nicht anzuwenden.
Was folgt hieraus für die Praxis?
Wie die Finanzverwaltung und der Gesetzgeber mit der Entscheidung des BFH umgehen, bleibt noch abzuwarten. So könnte die Finanzverwaltung die geänderte Rechtsauffassung der umsatzsteuerfreien Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen akzeptieren und insoweit auch den Umsatzsteueranwendungserlass (A 4.12.10 u. A 3.10 Abs. 5 S. 1 UStAE) anpassen. Ob in diesem Fall Nichtbeanstandungsregelungen für die Vergangenheit und ggf. sogar Übergangsfristen für die Zukunft eingeräumt werden, ist ebenfalls offen, aber wohl kein unwahrscheinliches Szenario. Denkbar wäre aber auch, dass der Gesetzgeber die bisherige Rechtslage – die Aufteilung zwischen umsatzsteuerfreier Hauptleistung und umsatzsteuerpflichtiger Mitvermietung der Betriebsvorrichtung – durch eine Gesetzesänderung aufrechtzuerhalten versucht. Der BFH scheint in seiner Entscheidung anzudeuten, dass sich aus Art 135 Abs. 2 S. 2 MwStSystRL eine Ermächtigung hierzu ableiten ließe.
Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass die Entscheidungen des EuGH und des BFH auch Auswirkung auf andere, vergleichbare Konstellationen haben könnten (z.B. Mitvermietung von Parkplatzflächen als Nebenleitung zur Gebäudevermietung).
Zu beachten ist aber, dass nach dem Urteil nicht jede Überlassung von Betriebsvorrichtungen umsatzsteuerbefreit ist, sondern nur solche, bei denen die Überlassung als Nebenleistung dazu dient, das Grundstück unter optimalen Bedingungen nutzen zu können.
Handlungsempfehlung
Durch den Beschluss kann sich ein breiter Handlungsbedarf ergeben: Wurden bislang im Zuge der Arbeiten zu § 2b UStG Verträge danach analysiert, ob bei Grundstücksüberlassungen ggf. Entgelte aufzuteilen sind, wäre nun zu klären, ob in diesen Fällen von steuerfreien Nebenleistungen ausgegangen werden kann. Maßgeblich ist hierbei die objektive Sicht eines sog. Durchschnittverbrauchers. Sollten Verträge bereits bzgl. eines Steuerausweises angepasst worden sein, wäre dies vor dem Hintergrund von § 14c-UStG ebenfalls prüfen. Wenn die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen nunmehr als umsatzsteuerfrei eingeordnet wird, kann auf hierauf entfallende Eingangsleistungen zudem keine Vorsteuer (mehr) abgezogen werden. Hierdurch dürften sich wiederum Folgen für allgemeine betriebswirtschaftliche Kalkulationen, die Ausgestaltung bisheriger und neuer Mietverträge aber auch ggf. für die Ermittlung von Vorsteuerquoten ergeben.
Autorinnen: StB Gabriele Kirchhof, StB Heike Sökeland