Verabschiedung des novellierten Energiesicherungsgesetzes – Herausforderungen für die Marktteilnehmer

Seit dem 22.05.2022 ist das novellierte Energiesicherungsgesetz (EnSiG) in Kraft. Das EnSiG, ein Gesetz aus dem Jahr 1975 zur Begegnung von ernsten Störungen in der Energieversorgung, hat in den letzten Wochen bereits als Rechtsgrundlage für die Durchführung der Krisen- und Notfallplanung in Deutschland Bekanntheit gewonnen. Augenmerk sollte aber auch auf die weiteren neuen Regelungen gelegt werden.

Anlass der Novelle 

Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine und durch die in der Folge erlassenen Sanktionen hat sich die bereits Ende 2021 angespannte Lage an den Energiemärkten nochmals verschärft. Die Bundesregierung bereitet die deutsche Volkswirtschaft auf eine Beendigung des russischen Gasbezuges vor. Um Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten, soll die Energieversorgung diversifiziert und der Ausbau der erneuerbaren Energien gestärkt werden. Zudem soll ein schneller und praktikabler Vollzug bei Solidaritätsersuchen an Deutschland gewährleistet werden. In Umsetzung dieser Ziele wurde das EnSiG novelliert. 

Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland 

Um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten, regelt das novellierte EnSiG in § 17 die Möglichkeit einer Treuhandverwaltung über Unternehmen der Kritischen Infrastruktur. Sollte eine zeitlich begrenzte Treuhandverwaltung nach § 17 EnSiG nicht hinreichend geeignet sein, um das Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie und zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit zu sichern, sehen die §§ 18 bis 23 EnSiG als ultima ratio die Enteignung von Unternehmen der Kritischen Infrastruktur vor. 

Preisanpassungen bei verminderten Gasimporten 

Neben der Treuhandverwaltung und Enteignung als Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit sieht das EnSiG die Möglichkeit für Preisanpassungen bei verminderten Gasimporten vor. Nach § 24 EnSiG haben alle Energieversorger entlang der Lieferkette das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen, wenn die BNetzA nach Ausrufung der Alarmstufe oder Notfallstufe eine erhebliche Reduzierung der Gasimportmengen nach Deutschland festgestellt hat. Das bedeutet, dass unter diesen Umständen sowohl Vorlieferanten die Preise anpassen können als auch, dass der Energieversorger die Preissteigerungen an seine Kunden weitergeben kann. Die Preisanpassung ist dem Kunden dabei „rechtzeitig“ vor ihrem Eintritt mitzuteilen und zu begründen, wobei im Verhältnis zu Letztverbrauchern § 41 Abs. 5 EnWG entsprechend mit der Maßgabe gelten soll, dass die Unterrichtungsfrist nach § 41 Abs. 5 Satz 2 EnWG gegenüber allen Letztverbrauchern eine Woche vor Eintritt der beabsichtigen Änderung beträgt.  

So vermeintlich ausführlich die Regelung in § 24 EnSiG auch ist, bleiben doch viele Fragen offen. Beispielsweise ist fraglich, wie die Preisanpassung bei Nicht-Tarifkunden vorgenommen werden kann, deren Liefermengen über „Over-the-counter (OTC)“-Handel beschafft werden. Sollten Kunden vom Energieversorger über OTC-Geschäfte „back-to-back“ mit Gas versorgt werden, dann kann der Fall eintreten, dass verschiedene Vorlieferanten eine Preiserhöhung zu unterschiedlichen Zeitpunkten fordern. Es stellt sich also die Frage, ob eine Erhöhung einzelner Bezugsgeschäfte auf alle Kunden sozialisiert werden soll oder ob man „streng entlang der Lieferkette“ innerhalb der Kundengruppen vorgeht. Die EEC jedenfalls hat mit Mitteilung vom 18. Mai 2022 erklärt, dass Börsengeschäfte ihrer Ansicht nach nicht unter § 24 EnSiG fallen, da keine Energieversorgungsverträge iSd § 24 EnSiG vorlägen und Börsenpreise im Übrigen amtlich festgestellt werden. 

Des Weiteren dürfte zu hinterfragen sein, ob die internen Prozesse der Energieversorger die in § 24 EnSiG geforderte kurzfristige Anpassung – wozu unter anderem die Neukalkulation der Preise, die Erstellung der Schreiben sowie der Versand gehören – umsetzen können. 

Ebenfalls fällt auf, dass der § 24 EnSiG nur den Gassektor betrifft. Damit können Versorger im Strom- oder Fernwärmebereich, die Gas als Ausgangsenergieträger verwenden, erhöhte Gaspreise dem Wortlaut des § 24 EnSiG nach nicht an ihre Kunden weitergeben. Ob dies so gewollt und zweckdienlich ist, scheint fraglich. 

Fazit 

Die neuen Regelungen im EnSiG lassen noch Fragen offen, die sich im vollen Ausmaß wohl erst in ihrer praktischen Umsetzung erkennen lassen.  

Autor:innen: RA Dr. Christian Trottmann, RA Katharina Rath