- „Vater Staat“ ist aktuell für 24 Prozent der Befragten der attraktivste Arbeitgeber – vor allem für Studentinnen
- Und dass, obwohl die Gehaltserwartungen in diesem Sektor mit die geringsten sind
- Tech-Branche gewinnt deutlich an Attraktivität
- Gleichzeitig ist der Wunsch nach beruflicher Selbstverwirklichung und Selbstständigkeit unter Studierenden so hoch wie nie
Geht es um die Wahl ihres zukünftigen Arbeitgebers gehen viele Studierende in Deutschland offenbar auf Nummer sicher: Fast jede und jeder vierte Befragte (24 Prozent) gibt an, dass der öffentliche Dienst für sie als Arbeitgeber besonders attraktiv sei. Knapp jede dritte Studentin (30 Prozent, 2022: 34 Prozent) kann sich eine berufliche Zukunft bei „Vater Staat“ sehr gut vorstellen – bei den Studenten sind es dagegen nur halb so viele (17 Prozent, 2022: 20).
Unter den so genannten „High Potentials“ hat der öffentliche Dienst allerdings an Attraktivität eingebüßt: Von den angehenden Akademikerinnen und Akademikern, die sich selbst als „exzellent“ einstufen, wollten noch im Jahr 2022 23 Prozent in den öffentlichen Dienst – 2024 sind es nur noch 16 Prozent. Für „exzellente“ Studierende ist der Bereich IT/Software in den vergangenen Jahren hingegen deutlich interessanter geworden: Wollten 2022 noch 15 Prozent ihre Jobsuche in dieser Branche starten, sind es nun mit 30 Prozent doppelt so viele. Generell können sich immer mehr Studierende vorstellen, zukünftig bei einem Technologie-Unternehmen zu arbeiten: Der Anteil steigt im Vergleich zu 2022 von 17 auf 23 Prozent und liegt damit nur noch geringfügig unter dem Wert, den der Öffentliche Dienst erreicht.
Ebenfalls zu beobachten: Der Wunsch nach beruflicher Freiheit beziehungsweise Selbstverwirklichung nimmt deutlich größeren Raum ein als früher. Jede und jeder vierte Studierende (25 Prozent) hierzulande strebt nach dem Studium eine selbstständige Tätigkeit an oder plant ein Unternehmen zu gründen. Dies sind deutlich mehr als noch vor zwei Jahren, als der Anteil bei 18 Prozent lag. Mit Blick in die Zukunft steigt dieser Wert sogar noch: In zehn Jahren wollen mehr als vier von zehn der aktuell eingeschriebenen Hochschülerinnen und Hochschüler (44 Prozent) selbstständig beruflich tätig sein – ebenfalls mehr als vor zwei Jahren (38 Prozent). Besonders interessiert an der mittelfristigen beruflichen Selbstständigkeit sind Hochschülerinnen und Hochschüler der Wirtschaftswissenschaften (56 Prozent) und Medizin (52 Prozent): Hier plant mehr als jede und jeder zweite Studierende langfristig die Selbstständigkeit.
Das sind Ergebnisse einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Für die Studie wurden mehr als 2.000 Studentinnen und Studenten befragt.
Jan-Rainer Hinz, Mitglied der Geschäftsführung und Leiter Personal bei EY: „Sicherheit auf der einen und Selbstverwirklichung auf der anderen Seite: In den Augen zahlreicher Studierender lassen sich diese beiden ohne Frage wichtigen Faktoren bei der Wahl ihres zukünftigen Arbeitgebers nur schwer miteinander vereinbaren. So sucht ein Teil der angehenden Akademiker offenbar die Flucht nach vorne und strebt unmittelbar nach dem Studium in die Selbstständigkeit. Ein solcher Schritt spricht für unternehmerischen Mut und den Glauben an sich selbst und das Gelernte – und ist damit auch ein Kompliment an die gute Arbeit der Hochschulen, theoretisch wie praktisch.“
Zweckehe statt Liebesbeziehung bei der Jobsuche
Der öffentliche Dienst wirke dagegen, so Nathalie Mielke, Partnerin & Talent Leader Assurance bei EY, eher wie ein sicherer Hafen: „In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten, wie wir sie gerade erleben, ist der Wunsch nach Jobsicherheit nachvollziehbar. Studierende erwarten im öffentlichen Dienst einen sicheren Job, attraktive Arbeitszeiten und zumeist auch eine ausgewogene Work-Life-Balance.“ Dieser Schritt sei allerdings beileibe keine Liebesbeziehung – sondern viel mehr eine Zweckehe, so Mielke, denn: „Andere Branchen werden allgemein viel attraktiver eingeschätzt.“ Hier liege es an den Personalabteilungen der Unternehmen in der Privatwirtschaft die eigenen Vorteile herauszustellen, um die besten Talente für sich zu gewinnen.
Fakt ist: Zwar bewerten 25 Prozent der Hochschülerinnen und Hochschüler den öffentlichen Dienst grundsätzlich – also nicht nur für den eigenen Berufseinstieg – als sehr attraktiv. Dies sind jedoch deutlich weniger als in anderen Bereichen. Zum Vergleich: Die IT-/Software-Branche wird von mehr als der Hälfte der Befragten (57 Prozent) als sehr attraktiv bewertet, im Berufsfeld Wissenschaft sind es noch knapp vier von Befragten (39 Prozent).
Kriterien bei der Wahl des Arbeitgebers: Gehalt rangiert vor Sicherheit
Insgesamt wiegt das Kriterium Sicherheit für Studierende zwar schwer – gut vier von zehn Befragten (42 Prozent) geben an, dass dies zu den wichtigsten Faktoren bei der Wahl des zukünftigen Arbeitgebers gehört.
Ein Punkt ist den Hochschülerinnen und Hochschüler aktuell allerdings noch wichtiger: das Gehalt (47 Prozent). Auch die Möglichkeit, die eigene Arbeitszeit flexibel zu gestalten (39 Prozent), sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (38 Prozent), ist Hochschülerinnen und Hochschülern wichtig. Fast jede und jeder Vierte (24 Prozent) sagt zudem, dass die Möglichkeit, aus dem Home Office zu arbeiten, für sie entscheidend ist, wenn es um die Wahl des Arbeitgebers geht.
Die Faktoren selbst gewichten Frauen und Männer zum Teil höchst unterschiedlich: Die Bezahlung ist sowohl für Studentinnen (50 Prozent) als auch für Studenten (43 Prozent) das wichtigste Kriterium. Frauen (45 Prozent) ist die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf allerdings deutlich wichtiger als Männern (31 Prozent). Auch interessant mit Blick auf die Geschlechter: Den Bereich IT/Software bewerten sowohl Studentinnen (57 Prozent) als auch Studenten (56 Prozent) als sehr attraktive Branche. Geht es allerdings darum, in diesem Sektor zu arbeiten, gibt es deutliche Unterschiede zwischen Hochschülerinnen und Hochschülern. So sagt mehr als jeder dritte angehende Akademiker (34 Prozent), dass dieser Sektor für ihn als Berufsfeld interessant sei. Bei den Studentinnen sind es dagegen nur 13 Prozent.
Hinz: „Bei der Arbeitgebersuche gleichen sich die Bewertungen hinsichtlich der Attraktivität der Branchen immer mehr an, beide Geschlechter bewerten die Attraktivität der Top-Arbeitsfelder fast gleich. Dennoch streben nach wie vor viel zu wenige Frauen in die IT-Branche – obwohl die erfolgreichsten Unternehmen der vergangenen Jahre vielfach aus diesem Bereich kommen.“ Mielke ergänzt: „Auch wenn es in den vergangenen Jahren vielfältige Initiativen gab, Frauen stärker für MINT-Berufe zu begeistern, schlagen vergleichsweise wenige Studentinnen diesen Karriereweg ein. Offenbar müssen von Arbeitgebern und auch der Politik noch größere Anstrengungen unternommen werden, damit es gelingt, dies zu ändern.“
Erwartetes Einstiegsgehalt steigt nur leicht
Der Mittelwert beim erwarteten Einstiegsgehalt aller Studierenden liegt aktuell bei 43.700 Euro. Das sind gerade einmal 100 Euro mehr als bei der vergangenen Befragung 2022, aber 5.800 Euro mehr als 2018, der letzten Erhebung vor der Pandemie. Studierende, die in den öffentlichen Dienst streben, sind offenbar bereit, für die Sicherheit Einbußen beim Gehalt hinzunehmen: Im Schnitt rechnen sie mit 39.600 Euro. Weniger erwarten nur die Hochschülerinnen und Hochschüler, die in Kultureinrichtungen arbeiten wollen – sie gehen von einem Jahresgehalt von 33.000 Euro aus. Am meisten erhoffen sich Studierende, die in den Bereich Unternehmensberatung/Wirtschaftsprüfung streben (48.300 Euro), gefolgt von angehenden Bankern (47.200 Euro).