Berücksichtigung eines Regressforderungsausfalls aus Gesellschafterbürgschaft

Laut BFH können bei stehen gelassenen Bürgschaften die Verluste der Gesellschafter aus der Wertlosigkeit ihrer Rückgriffsansprüche gegenüber der Gesellschaft als Verluste aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sein, wenn sie nicht i.R.d. § 17 EStG erfasst werden können. Die erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht ist in diesen Fällen nach einer „Gesamtbetrachtung“ aller aus der Beteiligung erzielten Einkünfte zu beurteilen. 

Die steuerliche Behandlung eines Forderungsverlustes bei Gesellschaftern, die ihre Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Privatvermögen i.S.d. § 17 EStG halten, war in der Vergangenheit zahlreichen Änderungen und Rechtsstreitigkeiten unterworfen. Mit dem Jahressteuergesetz 2019 hat der Gesetzgeber dann die Regelung des § 17 Abs. 2a EStG eingeführt. Danach gehören zu den nachträglichen Anschaffungskosten u.a. Verluste aus Ausfällen von Bürgschaftsregressforderungen, soweit das Stehenlassen der betreffenden Sicherheit gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Wann eine solche gesellschaftsrechtliche Veranlassung vorliegt, ist nunmehr ebenfalls gesetzlich geregelt. Diese Neuregelung ist ab dem 31.07.2019 anwendbar. Zuvor war zeitweise eine Übergangsregelung nach Maßgabe des BFH-Urteils vom 11.07.2017 (IX R 36/15) zu berücksichtigen, nach der zu den bei der Ermittlung eines Veräußerungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung nur offene und verdeckte Einlagen zählten.  

Gegenstand der aktuellen Entscheidung (BFH-Urteil vom 20.06.2023, IX R 2/22) ist ein Fall unter der alten Rechtslage (Streitjahr 2014) und es war unstreitig, dass dem Kläger durch den Ausfall der Bürgschaftsregressforderungen ein Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 und Abs. 4 EStG entstanden war. Denn der Verlust konnte mangels gesellschaftsrechtlicher Veranlassung nach der alten Rechtslage nicht als nachträgliche Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 1, 4 EStG berücksichtigt werden (die Bürgschaft war weder krisenbestimmt noch als Finanzplanbürgschaft zu qualifizieren). Ebenfalls nicht nach der Übergangsregelung, da die Forderung nicht mehr werthaltig war (Wert der Forderung: 0 EUR). Der BFH führt insoweit aus, dass somit § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG der Verlustberücksichtigung der Forderung mit ihrem nicht werthaltigen Teil (Nennwert) nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG nicht entgegen stehe. 

Streitig war aber, ob die Voraussetzung „Einkünfteerzielungsabsicht“ für die Geltendmachung eines Verlustes aus Einkünften aus Kapitalvermögen erfüllt ist. Der BFH entschied hierzu, dass die Einkünfteerzielungsabsicht grundsätzlich für jede einzelne Kapitalanlage getrennt zu beurteilen sei. Allerdings bedürfe es im Fall einer stehen gelassenen Gesellschafterbürgschaft einer „Gesamtbetrachtung“ von Beteiligung und Bürgschaft/Regressforderung, d.h. aller aus der Beteiligung erzielten Einkünfte, sodass sowohl Wertsteigerungen als auch Ausschüttungen zu berücksichtigen seien. Von einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht sei nur dann auszugehen, wenn die Erzielung von positiven Einkünften insgesamt ausscheide. Dies verneinte der BFH für den vorliegenden Fall. Das Fehlen einer Bürgschaftsprovision allein führe nicht zu einer anderen Beurteilung. 

Zudem entschied der BFH, dass der Ausfall einer gegen die Gesellschaft gerichteten Regressforderung in Fällen der Gesamtschuldnerschaft nur dann in voller Höhe nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG geltend gemacht werden könne, wenn objektive Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit der Ausgleichsforderung gegenüber etwaiger Mitbürgen vorlägen. 

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung. 

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