In zwei Urteilen hat sich der EuGH jüngst mit verschiedenen Fragen der Vorsteuervergütung auseinandergesetzt. Die Urteile ergingen zu Vorlagen aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die Aussagen des EuGH sind aber auch für deutsche Steuerpflichtige relevant.
Das erste Urteil betraf den Vorsteuervergütungsantrag einer belgischen Gesellschaft in Ungarn. Die Steuerpflichtige hatte dem Antrag eine Aufstellung der beantragten Vergütungsanträge beigefügt. Die Angaben in dieser Aufstellung waren in mehrfacher Hinsicht mangelhaft. Unter anderem waren die Umsatzsteuerbeträge mancher Rechnungen zu niedrig angegeben. Der ungarischen Finanzbehörde war dies bekannt. Dennoch erstattete sie Vorsteuern bewusst nur in der Höhe, in welcher sie in der Liste angegeben waren. Der Erstattungsbetrag war damit niedriger als der tatsächlich in Rechnung gestellte Betrag. Der EuGH entschied, dass dieses Verhalten der ungarischen Behörde gegen die Grundsätze der guten Verwaltung und gegen den Neutralitätsgrundsatz der Umsatzsteuer verstößt. Die Behörde hätte die Steuerpflichtige vielmehr zur Korrektur ihres Antrags auffordern müssen, um ihr anschließend den vollen Vorsteuerbetrag erstatten zu können (EuGH, Urteil vom 21.10.2021, C-396/20, CHEP Equipment Pooling NV).
Das zweite Urteil betraf den Vorsteuervergütungsantrag eines französischen Unternehmens in Rumänien. Das französische Unternehmen hatte 2012 einen Vergütungsantrag gestellt. Der Antrag betraf Vorsteuern aus Warenlieferungen, die 2012 stattgefunden hatten und vom rumänischen Lieferanten in Rechnung gestellt worden waren. Die rumänischen Behörden lehnten den Antrag aus formellen Gründen ab, die sich auf die vorgelegten Rechnungen und Unterlagen beziehen (der genaue Grund für die Ablehnung konnte der EuGH nicht ermitteln). In der Folge hat der rumänische Lieferant seine 2012 ausgestellten Rechnungen storniert und neu ausgestellt. Die Steuerpflichtige reichte daraufhin einen neuen Vergütungsantrag ein, diesmal für das Kalenderjahr, in welchem die neuen Rechnungen ausgestellt worden waren (Kalenderjahr 2015). Fraglich war, ob dem neuen Vergütungsantrag stattzugeben ist. Dies lehnte der EuGH ab.
In seinem Urteil ging er nochmal auf einige wesentliche Grundsätze des Vorsteuerabzugs ein. Der EuGH stellte klar, dass die Vorsteuern grundsätzlich im gleichen Zeitraum entstehen, in dem auch die Steuerpflicht des zugrundeliegenden Umsatzgeschäfts entsteht. Allerdings darf die Vorsteuer erst in dem Zeitraum ausgeübt werden, in welchem der Steuerpflichtige über eine Rechnung im Sinne des Umsatzsteuerrechts verfügt. Unschädlich ist grundsätzlich, wenn die Rechnung nicht alle formalen Anforderungen des Umsatzsteuerrechts verfügt. Keine Rechnung liegt allerdings vor, wenn das Dokument so fehlerhaft ist, dass der nationalen Steuerverwaltung die zur Begründung eines Erstattungsantrags erforderlichen Angaben fehlen. Die 2012 ausgestellten Rechnungen scheinen aber ausreichend gewesen zu sein, um eine Rechnung im oben genannten Sinne darzustellen. Damit haben die rumänischen Behörden die Vorsteuervergütung für 2012 zu Unrecht abgelehnt. Die Steuerpflichtige hatte allerdings keinen Rechtsbehelf gegen diese Ablehnung eingelegt. Daher ist der Besteuerungszeitraum 2012 bestandskräftig und eine Erstattung ist verfahrensrechtlich nicht mehr möglich.
Fraglich ist damit, ob der Steuerpflichtige vor diesem Hintergrund für den Besteuerungszeitraum 2015 nochmals Erstattung der Vorsteuerbeträge verlangen kann, ggf. aufgrund der Annullierung der Rechnungen aus 2012 und der Neuausstellung im Kalenderjahr 2015. Das lehnt der EuGH ab. Die Annullierung soll keine Auswirkung auf die Steuerentstehung in 2012 haben, weil ihr keine Änderungen hinsichtlich der zugrundeliegenden Lieferungen oder dem Entgelt zugrunde liegen (EUGH, Urteil vom 21.10.2021, C-80/20, Wilo Salmson France SAS).
Die Volltexte der Urteile stehen Ihnen auf der Internetseite des EuGH zur Verfügung.
Direkt zum EuGH-Urteil C-396/20 kommen Sie hier.
Direkt zum EuGH-Urteil C-80/20 kommen Sie hier.
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