Personengesellschaften können laut EuGH auch dann Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein, wenn der Organträger nicht zu 100 Prozent an ihr beteiligt ist. Mit diesem Paukenschlag widerspricht der EuGH der Auffassung der Finanzverwaltung. Nun werden sich Finanzverwaltung und auch die Rechtsprechung damit auseinandersetzen müssen. Aber auch der Steuerpflichtige.
Bereits vor einigen Jahren hatte der EuGH klargestellt, dass Personengesellschaften entgegen dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG durchaus als Organgesellschaften Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein können. Der BFH und ihm folgend die Finanzverwaltung hatten daraufhin zwar ihre Rechtsauffassungen entsprechend angeglichen. Sie hatten aber vorausgesetzt, dass die Personengesellschaft nur dann Organgesellschaft sein könne, wenn der Organträger (mittelbar oder unmittelbar) sämtliche Anteile an ihr halte. Sobald also ein fremder Dritter an der Personengesellschaft beteiligt war, konnte diese Personengesellschaft nicht mehr Organgesellschaft sein. Bei einer Körperschaft wie bspw. einer GmbH oder AG ist dies aber möglich. Bei einer solchen genügt demgegenüber die mehrheitliche Beteiligung an den stimmberechtigenden Anteilen für die finanzielle Eingliederung.
Der EuGH hat nunmehr auch dieser einschränkenden Auslegung des BFH und der Finanzverwaltung einer Absage erteilt (Urteil vom 15.04.2021, C-868/19). Welche geringere Anforderung an die finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft stattdessen zu stellen ist, urteilt der EuGH nicht ausdrücklich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es für Personengesellschaften als finanzielle Eingliederung ausreichend sein dürfte, wenn der Organträger seinen Willen in der Personengesellschaft durchsetzen oder einen abweichenden Willen verhindern kann. Welche Erfordernisse dafür erforderlich sind, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Personengesellschaft ab. Sind in der betreffenden Personengesellschaft bspw. Beschlüsse durch einfache Mehrheit zu treffen, dürfte es jedenfalls genügen, wenn der Organträger diese Mehrheit auf sich vereinigt.
Die deutsche Rechtsprechung und die Finanzverwaltung werden dieses Urteil umsetzen müssen. Damit sind auch alle Steuerpflichtigen zum Prüfen und Handeln gezwungen. Denn eine Organschaft ist nicht wähl-, sondern nur gestaltbar. Steuerpflichtige werden somit prüfen müssen, ob Personengesellschaften Teil einer Organschaft sind, die sie bislang als Alleinunternehmerin geführt haben.
Ob die Finanzverwaltung bei einer unterstellten Änderung ihrer Auffassung eine Nichtbeanstandungsregelung für die Vergangenheit ausspricht, mag nicht allzu unwahrscheinlich sein, bleibt aber abzuwarten. Steuerpflichtige, die auch für die Vergangenheit einen Vorteil haben können, eine betreffende Personengesellschaft als Organgesellschaft zu behandeln, sollten aber jedenfalls bereits jetzt handeln und nicht auf die Finanzverwaltung warten, wenn für vergangene Veranlagungszeiträume droht, dass diese verfahrensrechtlich nicht mehr geändert werden können.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des EuGH zur Verfügung.
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