Der BFH hat dem EuGH mehrere Fragen zur umsatzsteuerlichen Organschaft vorgelegt. Er fragt, ob die deutsche Regelung richtig ist, gemäß der nicht die Organschaft als solche Steuerpflichtige ist, sondern nur die Organträgerin als Steuerpflichtige bestimmt wird. Die Generalanwältin des EuGH jedenfalls stuft in ihren Schlussanträgen die deutsche Regelung als unionsrechtswidrig ein.
Gemäß der deutschen Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die umsatzsteuerliche Organschaft allein durch ihre Organträgerin repräsentiert. Nur sie ist der Unternehmer, während alle Organgesellschaften für die Dauer ihrer Mitgliedschaft als Umsatzsteuerpflichtige unter- und in der Organträgerin aufgehen und dabei ihre eigenständige Unternehmereigenschaft verlieren. Der BFH hat dem EuGH unter anderem die Frage vorgelegt, ob dies mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vereinbar ist.
Die Generalanwältin des EuGH, deren Aufgabe es ist, den Richtern Antwortvorschläge zu unterbreiten, hat dies nun in ihren Schlussanträgen vom 13.01.2022 (C-141/20) und vom 27.01.2022 (C-269/20) getan. Sie schlägt dem EuGH vor zu entscheiden, dass es nicht mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vereinbar ist, dass nur die Organträgerin unter Ausschluss der Organgesellschaften als alleinige Steuerpflichtige der Organschaft angesehen wird.
Sollte der EuGH dies wie vorgeschlagen auch so entscheiden, kann es – in Kombination mit der Abgabenordnung – je nach Einzelfall – zu Verwerfungen kommen. Bspw. ist dann zu klären, ob die Organträgerin unter Berufung auf die Mehrwertsteuersystemrichtlinie geltend machen kann, die Umsatzsteuer auf die Ausgangsumsätze der Organgesellschaften nicht zu schulden. Umgekehrt könnte ihr dann auch der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen an die Organgesellschaften nicht zustehen, es sei denn, sie kann sich auf die für sie insofern günstigere Regelung des § 2 UStG berufen. Wahrscheinlicher ist aber wohl, dass eine Berufung auf das jeweils günstigere Recht nur für die Umsatzsteuerfestsetzung – also Umsatzsteuer abzüglich davon abgesetzter Vorsteuer – möglich ist. Für die einzelnen Organgesellschaften gilt dies entsprechend spiegelverkehrt.
Fraglich ist auch, ob die Organträgerin bzw. Organgesellschaften überhaupt Steuerschuldnerinnen der innerhalb der Organschaft entstandenen Umsatzsteuer sein können oder ob die Organschaft insgesamt ein eigener, unabhängiger Steuerpflichtiger sein müsste. Verfahrensrechtlich kann hierbei, wie oben dargestellt, hinzukommen, dass sich sowohl Organgesellschaften als auch die Organträgerin ggf. auf die für sie jeweils günstigere Rechtsposition berufen könnten, also entweder auf die Regelung des § 2 Abs. 2 UStG oder die übergeordnete Mehrwertsteuersystemrichtlinie.
Ob der EuGH und ihm nachfolgend der BFH in der Weise entscheiden, dass es zu einer solchen „Günstiger-Prüfung“ kommen kann, wird sich noch zeigen. Zudem kann sich eine Umsatzsteuerschuld gemäß § 14c UStG auftun. Und vergleichbare Konstellationen lehren, dass auch der Gesetzgeber reparierend auf den Plan gerufen werden könnte.
Zu der weiteren Frage des BFH, ob an das Erfordernis der finanziellen Eingliederung ein strenger oder großzügiger Maßstab anzulegen ist, hat sich die Generalanwältin bisher nicht geäußert.
Organträgerinnen und Organgesellschaften sollten aber schon vor Ergehen der Entscheidungen überprüfen, ob sie ggf. rechtewahrend tätig werden sollten; bspw. für Veranlagungszeiträume, die sich bald verfahrensrechtlich schließen, insbesondere durch auf eine Außenprüfung ergehende Bescheide oder die Aufhebung eines Vorbehalts der Nachprüfung.
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