Laut BFH ist in Fällen, in denen der Veräußerer zugleich Treugeber eines Gesellschafters der erwerbenden Gesamthand ist, die Beteiligung des Treuhänders nicht zuzurechnen. Daher scheidet eine Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG in diesen Fällen aus.
Im konkreten Fall erwarb eine GmbH & Co. KG von ihrer über eine Zwischengesellschaft beteiligten Gesellschafterin (Verkäuferin) Grundstücke. Komplementärin der Zwischengesellschaft ohne Beteiligung am Vermögen war die Verkäuferin. Alleinige Kommanditistin der Zwischengesellschaft war eine GmbH als Treuhänderin für die Verkäuferin (Treugeber). Strittig war, ob für den Grundstückserwerb die Grunderwerbsteuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht zu erheben sei, da die Kommanditbeteiligung des Treuhänders an der Zwischengesellschaft der Verkäuferin als Treugeberin auch im Rahmen des § 6 GrEStG zuzurechnen und damit die Verkäuferin mittelbar zu 100 Prozent am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt sei.
Der BFH hat mit Urteil vom 12.01.2022 (II R 16/20) eine Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG verneint. Ein Treuhandverhältnis allein reicht laut BFH nicht aus, um einem Treugeber im Rahmen von §§ 5, 6 GrEStG eine Beteiligung am Vermögen einer Gesamthand – sei es unmittelbar, sei es mittelbar über eine weitere Gesamthand – zuzurechnen. Der BFH greift hierbei auf seine Urteilsgrundsätze zu § 5 Abs. 2 GrEStG zurück. Hier hat der BFH bereits entschieden, dass einem Veräußerer, der gleichzeitig Treugeber eines Gesellschafters der erwerbenden Gesamthand ist, die Beteiligung des Treuhänders nicht nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zugerechnet werden kann. Denn nicht der Treugeber, sondern der Treuhänder – der für das Grunderwerbsteuerrecht allein maßgebend ist – ist zivilrechtlich am Vermögen der Gesamthand beteiligt. § 39 Abs. 2 AO mit seiner wirtschaftlichen Betrachtungsweise gilt in diesen Fällen nicht. Diese Grundsätze gelten laut BFH auch in Fällen des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG.
Daneben stellte der BFH klar, dass keine Notwendigkeit einer erweiternden Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG bei einem Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG – anders als im Bereich des § 1 Abs. 2a GrEStG – gegeben sei. Die BFH-Grundsätze bei den Erwerbstatbeständen des § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG zur Bestimmung einer zivilrechtlich nicht vorgesehenen mittelbaren Gesellschafterstellung bzw. eines mittelbaren Anteilserwerbs können ebenso wenig wie die Grundsätze zu § 1 Abs. 3a GrEStG für Erwerbsvorgänge nach dem 06.06.2013 zur unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Beteiligung auf § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG übertragen werden.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
Direkt zum BFH-Urteil kommen Sie hier.
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