In einem AdV-Beschluss äußert der BFH ernstliche Zweifel an dem Automatismus der Schlussfolgerung, dass personallosen Betriebsstätten per se keine Wirtschaftsgüter zugeordnet werden können. Auslöser der Fragestellung war die erstmalige Einführung des AOA in § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG und dessen Abstellen auf die maßgeblichen Personalfunktionen. Die Aussagen des BFH dürften bspw. für Wind- und Solarkraftanlagen Bedeutung haben.
Für die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte wurde mit § 1 Abs. 5 AStG der sog. Authorised OECD Approach (AOA), welcher eine Selbstständigkeitsfiktion von Betriebsstätten vorsieht, in nationales Recht umgesetzt. Um die Betriebsstätte als eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, ordnet § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG u.a. an, das Personalfunktionen sowie die Vermögenswerte des Unternehmens, die sie zur Ausübung der ihr zugeordneten Funktionen benötigt, der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Die Finanzverwaltung versteht die gesetzliche Regelung dahingehend, dass ausgehend von den in der Betriebsstätte ausgeübten Personalfunktionen die Vermögenswerte des Unternehmens zu bestimmen sind, die der Betriebsstätte zuzuordnen sind (BMF-Schreiben vom 22.12.2016 „VWG BsGA“, Rz. 444). Dem folgend wären personallosen Betriebsstätten keine Vermögenswerte zuzuordnen.
Im konkreten Fall (Streitjahr 2013) betrieb eine KG im Inland Windenergieanlagen. Kommanditist und Komplementär waren Gesellschaften dänischen Rechts. Die KG verfügte weder in Deutschland noch in Dänemark über eigene Mitarbeiter. Die technische und kaufmännische Betriebsführung erfolgt durch zwei deutsche Service- bzw. Verwaltungsgesellschaften auf Grundlage von Betriebsführungs- und Serviceverträgen. Aufgrund der Einführung des § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG ab dem 01.01.2013 ordnete das Finanzamt abweichend von den Vorjahren alle Vermögensgegenstände, Schulden und Geschäftsvorfälle erstmals der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Dänemark zu. Die Zuordnungsänderung der Wirtschaftsgüter führte laut Finanzamt daher zu einer (passiven) Entstrickung der Wirtschaftsgüter der inländischen Betriebsstätte.
Der BFH hat nun mit Beschluss vom 24.11.2021 (I B 44/21) wegen ernstlicher Zweifel an der Feststellung des Entnahmegewinns nach § 4 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 EStG AdV gewährt.
Dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 AStG und insbesondere dessen Satz 3 lässt sich laut BFH nicht entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 AStG und insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG eine Veranlassungsprüfung (allein) nach den in den jeweiligen Unternehmensteilen ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen wäre (entgegen BMF-Schreiben vom 22.12.2016 „VWG BsGA“, Rz. 451). Eine entsprechende "Ausstrahlwirkung" könne laut BFH in § 1 Abs. 5 AStG auch nicht hineingelesen werden.
Darüber hinaus äußert der BFH bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern ernstliche Zweifel hinsichtlich des alleinigen Abstellens auf die „Personalfunktion“. Zwar lege die bisherige Rechtsprechung des BFH eine funktionsgetragene Betrachtungsweise zugrunde. Dieser ist aber laut BFH nicht zu entnehmen, dass allein die Personalfunktion als maßgebender Zuordnungsparameter anzusehen wäre (entgegen BMF-Schreiben vom 26.09.2014, Tz. 2.2.4.1).
Selbst wenn man unter Verweis auf § 1 Abs. 5 AStG maßgebend auf eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach der "Personalfunktion" abstellen würde, bestehen Zweifel, ob im Streitfall (Streitjahr 2013) die Windenergieanlagen der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Dänemark zuzuordnen wären. Denn für den BFH ist fraglich, ob § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG dahin auszulegen ist, dass die maßgebende Personalfunktion ausschließlich (nur) durch Personal ausgeübt werden kann, das bei dem Unternehmen als (eigene) Arbeitnehmer angestellt ist. Der Wortlaut des § 2 Abs. 3 und 4 BsGAV stellt dagegen ausdrücklich darauf ab, dass nur „eigenes“ Personal eine entsprechende Personalfunktion ausüben kann und eigenes Personal nur anzunehmen ist, wenn es aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarung mit dem Unternehmen für das Unternehmen tätig wird. Diese Regelung war jedoch nicht auf das Streitjahr anzuwenden, da diese erst für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen, anzuwenden ist. Soweit die Finanzverwaltung diese Regelung schon für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012, aber vor dem 01.01.2015 beginnen, heranzieht, weist der BFH darauf hin, dass das Gesetz nicht das Tatbestandsmerkmal „eigenes (Personal)“ verwendet.
Darüber hinaus zweifelt der BFH, ob unter der Geltung des § 1 Abs. 5 AStG die Grundsätze zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach der Personalfunktion bei sog. personallosen Betriebsstätten überhaupt anwendbar sind. Es erscheint dem BFH nicht schlüssig, dass einer Betriebsstätte, die mutmaßlich wegen des Vorhandenseins von Wirtschaftsgütern im Betriebsstättenstaat besteht, diese nicht zugerechnet werden.
In seiner im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes vorgenommenen summarischen Prüfung konnte der BFH daher offenlassen, ob eine etwaige Zuordnungsänderung auch zu einer passiven Entstrickung führen würde.
Der Volltext des Beschlusses steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
Direkt zum BFH-Beschluss kommen Sie hier.
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