Die im Rahmen eines ausländischen „Spin-Off“ erfolgende Übertragung von Gesellschaftsanteilen führte bisher nach Auffassung der Finanzverwaltung zur Besteuerung eines Kapitalertrags. Nun entschied der BFH in einer Reihe gleich gelagerter Fälle, dass der „Spin-Off“ mit einer deutschen Abspaltung vergleichbar sei. In unionsrechtskonformer Auslegung ist der „Spin-Off“ damit steuerneutral für inländische Anleger realisierbar.
Die Aktienzuteilung im Rahmen eines „Spin-Offs“ führt bei isolierter Betrachtung zu einem steuerbaren Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in Form einer Sachausschüttung. Bei Streubesitzanteilen unterbleibt jedoch gemäß § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG eine Besteuerung, wenn die Übertragung der Anteile im Rahmen einer „Abspaltung“ auf eine andere Körperschaft erfolgt. Streitig war bisher, ob ein ausländischer „Spin-Off“ mit einer deutschen „Abspaltung“ vergleichbar ist.
Der streitgegenständliche „Spin-Off“ (in den USA) hatte folgende Merkmale: Die US-amerikanische Muttergesellschaft brachte ihr Unternehmenskundengeschäft in eine US-amerikanische Tochterkapitalgesellschaft ein. Die Muttergesellschaft teilte den Aktionären ihre (bereits bestehenden) Anteile an der Tochtergesellschaft zu, sodass die Aktionäre im selben Verhältnis an den beiden Gesellschaften beteiligt waren.
Die Finanzverwaltung vertritt hierbei die Auffassung, dass der in § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG verwendete Begriff „Abspaltung“ dem umwandlungsrechtlichen Terminus entspreche (vgl. u.a. BMF-Schreiben vom 18.01.2016, BStBl. I 2016, S. 85, Rz. 115 i.V.m. BMF-Schreiben vom 11.11.2011, BStBl. I 2011, S. 1314, Rz. 01.36). Somit sei neben der Frage, ob § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG überhaupt auf ausländische Umwandlungsvorgänge anwendbar ist, in jedem Fall notwendig, dass dieser die wesentlichen Strukturmerkmale einer deutschen „Abspaltung“ aufweise. Bei einem „Spin-Off“ sei dies insbesondere deshalb nicht der Fall, weil der „Spin-Off“ einen Vermögensübergang im Wege der Einzelrechtsnachfolge zur Folge habe und keine partielle Gesamtrechtsnachfolge wie bei einer „Abspaltung“ nach § 123 Abs. 2 UmwG. Ein Spin-Off stelle damit eine Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an dem übernehmenden Rechtsträger an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers dar.
In einer Reihe im Wesentlichen inhaltsgleicher Urteile vom 01.07.2021 (u.a. VIII R 9/19 und VIII R 15/20) äußert sich der BFH zu diesem Thema in der Weise, dass § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG aufgrund der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) in unionsrechtskonformer Auslegung auch auf ausländische Vorgänge Anwendung finden müsse. Vorliegend war die Kapitalverkehrsfreiheit anwendbar, weil es sich um Streubesitzanteile handelt. Folglich sieht der BFH eine typusorientierte Auslegung des Abspaltungsbegriffs i.S.d. § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG geboten. Ein ausländischer Vorgang muss demnach nicht einer „Abspaltung“ nach dem deutschen Umwandlungsgesetz entsprechen. Vielmehr ist es ausreichend, wenn in einer rechtsvergleichenden Betrachtung ein mit der Abspaltung vergleichbares Ergebnis herbeigeführt wird („ausländischer Vorgang entspricht seinem Wesen nach einer Abspaltung i.S.d. § 123 Abs. 2 UmwG). Der lediglich der Erleichterung dienende Vermögensübergang durch partielle Gesamtrechtsnachfolge des deutschen Umwandlungsrechts sei aber keine notwendige Voraussetzung für eine hinreichende Vergleichbarkeit. Nach Ansicht des BFH ist es ausreichend, dass im Rahmen eines Spin-Offs Vermögensteile auf eine andere Kapitalgesellschaft übertragen werden, an der den Anteilseignern der übertragenden Gesellschaft im Gegenzug Anteilsrechte eingeräumt werden. Folglich ist die Sachausschüttung dieser Anteile im Zeitpunkt des Anteilsrechtsbezugs kein steuerpflichtiger Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG.
Die Volltexte der Urteile stehen Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
Direkt zum BFH-Urteil VIII R 9/19 kommen Sie hier.
Direkt zum BFH-Urteil VIII R 15/20 kommen Sie hier.
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