Das „neue“ Gutscheinregime

Ein aktuelles EuGH-Urteil zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Gutscheinen beleuchtet die Unterschiede zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen und deren steuerliche Implikationen. Unternehmen sind aufgefordert, ihre Gutscheinvergabe zu überprüfen, um mögliche Kosten zu vermeiden.

Gutscheine sind in unserem Alltag allgegenwärtig und ein beliebtes Marketinginstrument. Die Einsatzmöglichkeiten von Gutscheinen sind genauso vielfältig wie die tatsächliche Art ihrer Ausgestaltung. Dies führt dazu, dass Gutscheine aus umsatzsteuerlicher Sicht nicht einheitlich behandelt werden können. Die Praxis hat außerdem gezeigt, dass die seit 2019 geltende neue Besteuerungslogik von Gutscheinen oftmals noch nicht korrekt umgesetzt wurde, was Umsatzsteuer- und Säumniskosten zur Folge haben kann. Anlässlich des kürzlich ersten zum neuen Gutscheinregime ergangenen EuGH-Urteils regen wir an: Überprüfen Sie selbst – geben Sie steuerpflichtige Gutscheine aus?

In der Rechtsache C-637/20 (DSAB Destination Stockholm) vom 28.04.2022 hat der EuGH entschieden, dass eine Karte für Touristen, die dem Inhaber das Recht auf Zugang zu rund 60 Attraktionen und Personenbeförderungsleistungen an einem bestimmten Ort, innerhalb eines begrenzten Zeitraums und bis zu einem bestimmten Wert gibt, als Gutschein anzusehen ist. Nur wenn die Mehrwertsteuer für die damit bezogenen Leistungen zum Zeitpunkt der Ausstellung der Karte noch nicht feststeht, handelt es sich um einen Mehrzweckgutschein, dessen Ausgabe nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Was sind nun die Hintergründe für dieses Ergebnis?

Ein Gutschein iSd seit 01.01.2019 geltenden Gutscheinregimes ist ein Instrument, das den Unternehmer verpflichtet, ihn als (anteilige) Gegenleistung für eine Leistung anzunehmen. Weiters muss aus dem Gutschein oder diesbezüglichen Unterlagen die geschuldete Leistung oder die Identität des Leistenden bzw der Kreis der einlösenden Unternehmer erkennbar sein. Ist ein Gutschein i. d. S. gegeben, wird zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutschein unterschieden.

Ein Einzweckgutschein liegt dann vor, wenn der Ort der Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die dafür geschuldete Umsatzsteuer bei der Ausstellung des Gutscheins feststehen. Da in diesen Fällen bereits bei Ausgabe des Gutscheins bekannt ist, welcher Umsatzsteuerbetrag in welchem Mitgliedstaat zu entrichten ist, unterliegt die Ausgabe des Gutscheins und nicht seine spätere Einlösung der Umsatzsteuer. Damit bleibt die Umsatzsteuerschuld auch dann bestehen, wenn der Einzweckgutschein nicht eingelöst werden sollte. Als Mehrzweckgutschein wird im Gegensatz dazu jeder Gutschein, der kein Einzweckgutschein ist, definiert. Mehrzweckgutscheine können erst im Zuge ihrer Einlösung Umsatzsteuer auslösen.

Entgegen der davor geltenden Rechtslage ist für das Auslösen der Besteuerung somit nicht mehr entscheidend, dass die dem Gutschein zugrundeliegende (spätere) Leistung hinreichend konkret bestimmt wird. Entscheidend ist (nur), dass neben dem Leistungsort auch die auf den Einzweckgutschein bezogene Umsatzsteuer feststellbar ist. Wenn Ihr Unternehmen Gutscheine ausgibt, sollten Sie daher insbesondere hinterfragen:

  • Ist die Einlösung ausgegebener Gutscheine auf das Inland beschränkt?
  • Unterliegt das Warensortiment (oder das Sortiment, auf das sich der Gutschein bezieht) einem einzigen Steuersatz?

Können Sie beide Fragen mit „ja“ beantworten, so liegt idR ein Einzweckgutschein vor, dessen Ausgabe steuerpflichtig ist. Während die bloße Ausgabe von Mehrzweckgutscheinen hingegen nicht steuerbar ist, gilt ihre Weiterveräußerung innerhalb von Vertriebsketten jedoch als steuerbare Absatzleistung sofern sogenannte bestimmbare Vertriebs- oder Absatzförderungsleistungen vorliegen.

EY unterstützt Sie dabei, die umsatzsteuerliche Behandlungslogik für jegliche Art ausgegebener Gutscheine zu prüfen. Einzweck- und Mehrzweckgutscheine müssen korrekt als solche eingestuft werden, um die korrekte, also rechtzeitige, Umsatzbesteuerung von Einzweckgutscheinen sicherzustellen. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass auch Mehrzweckgutscheine, z. B. innerhalb von Vertriebsketten, Umsatzsteuerpflicht auslösen können.



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