Die EU-Kommission hat am 08.12.2022 mit dem Paket „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ einen Vorschlag vorgelegt, wie die bestehenden Binnenmarktregelungen in die digitale Gegenwart überführt werden können. Wir haben die wesentlichen Aspekte des Vorschlags für Sie zusammengefasst. Weiters berichten wir über ein aktuelles EuGH-Judikat zur umsatzsteuerlichen Organschaft.
Die Eckpunkte des Pakets „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“
Wesentliches Ziel des Pakets ist es, den technologischen und digitalen Fortschritt zu nutzen, um ein Mehrwertsteuersystem zu schaffen, das weniger betrugsanfällig ist. Dazu schlägt die Kommission folgende Maßnahmen vor:
Echtzeit-Meldungen von B2B-Umsätzen in der EU auf Basis von elektronischen Rechnungen
Mit dem neuen System soll eine digitale Echtzeit-Meldung jedes einzelnen B2B-Umsatzes auf der Grundlage von elektronischen Rechnungen eingeführt werden. Grenzüberschreitende Umsätze im zwischenunternehmerischen Bereich innerhalb der EU sollen damit wirksamer kontrolliert werden können, als dies das System der Zusammenfassenden Meldungen derzeit ermöglicht. Dabei wird explizit angeregt, die Änderung als Anstoß dafür zu nutzen, elektronische B2B-Rechnungen auch verpflichtend für Inlandsumsätze einzuführen. Die EU-Kommission hält eine Umsetzung dieser Maßnahme bis 2028 für realisierbar. Eine verpflichtende elektronische Rechnungsausstellung wird daher zwar nicht kurzfristig auf Unternehmer zukommen, Steuerpflichtige sollten sich jedoch zeitgerecht auf die zu erwartende Einführung von verpflichtenden elektronischen Rechnungen im zwischenunternehmerischen Bereich einstellen und kritisch hinterfragen, ob ihre Systeme hierfür gerüstet sind.
Neue Vorschriften für Plattformbetreiber
Betreiber von Plattformen für die Personenbeförderung und die Vermietung von Kurzzeitunterkünften sollen gemäß den geplanten Änderungen dafür verantwortlich sein, die Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen und abzuführen, wenn die Dienstleister dies nicht tun (weil es sich beispielsweise um kleine Unternehmen handelt, die sich ggfs. nicht für Umsatzsteuerzwecke registrieren lassen müssen). Damit einhergehend soll EU-einheitlich klargestellt werden, dass die Vermietung von Kurzzeitunterkünften nicht umsatzsteuerfrei ist.
Gemäß dem Vorschlag sollen Plattformen betreffend den Verkauf von Ware aus Drittländern an Endverbraucher in der EU außerdem verpflichtet werden, den Import One-Stop-Shop anzuwenden, damit die Einhaltung der Umsatzsteuervorschriften sichergestellt werden kann. Zudem sollen Plattformen als fiktive Lieferer für die Verbringung von Ware der zugrundeliegenden Lieferanten in andere Mitgliedstaaten, bevor diese Gegenstände verkauft werden, angesehen werden.
Reduktion von umsatzsteuerlichen Registrierungen
One-Stop-Shop-Regelungen sollen künftig auch bei der Lieferung von Waren an Nichtunternehmer angewandt werden und somit Registrierungsverpflichtungen in verschiedenen Mitgliedsstaaten reduzieren können. Weitere Vereinfachungen sollten dadurch erreicht werden, dass auf den Verkauf von Ware an andere Unternehmer im anderen Mitgliedstaat aus einem Lager in diesem Staat das Reverse Charge System angewandt werden kann.
EuGH entscheidet zur Organschaft
Am 01.12.2022 sind zwei mit Spannung erwartete Urteile des EuGH zur umsatzsteuerlichen Organschaft (Rs C-141/20, Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie und Rs C- 269/20, Finanzamt T) ergangen, in denen der Gerichtshof Klarstellungen tätigt, aber auch Fragen aufwirft. Die wesentlichen Aussagen lassen sich in aller Kürze wie folgt zusammenfassen:
- Der EuGH erachtet es als zulässig, den Organträger als einzigen Steuerpflichtigen (anstelle der Organschaft als eigenständiges Steuersubjekt) für Umsatzsteuerzwecke zu bestimmen.
- Dem zusätzlichen Erfordernis einer Stimmenmehrheit neben der Mehrheitsbeteiligung für Zwecke der finanziellen Eingliederung erteilt der EuGH eine Absage.
- Weitere Teile des Urteils könnten so interpretiert werden, dass der EuGH das Konzept der nicht steuerbaren Innenumsätze innerhalb der Organschaft in Frage stellt. Dies wäre ein Paradigmenwechsel mit weitreichenden Konsequenzen vor allem für nicht vollständig zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer. Diesbezüglich bleibt neben der Folgeentscheidung des deutschen BFH in weiterer Folge die Reaktion der österreichischen Finanzverwaltung abzuwarten.