Update Steuergesetzgebung zur Sommerpause

Am Freitag, 05.07.2024, tagen Bundestag und Bundesrat ein letztes Mal vor der parlamentarischen Sommerpause. Zeit, den aktuellen Stand der Steuergesetzgebung Revue passieren zu lassen und einen Ausblick auf das zweite Halbjahr zu wagen.

Schon unterwegs

Das aktuell umfangreichste Gesetz, das die Koalition auf den Weg gebracht hat, ist das Jahressteuergesetz 2024 (vgl. EY-Steuernachricht vom 13.06.2024). Um welche Punkte das größtenteils sehr technische JStG 2024 im zweiten Halbjahr erweitert wird, dürfte sich maßgeblich aus der Bundesratsstellungnahme ergeben. Diese wird allerdings erst am 27.09.2024 erwartet. Den Wunsch der Bundesregierung, den Gesetzentwurf bereits am 05.07.2024 in der Länderkammer zu behandeln, hatten die Länder mit Hinweis auf die späte Beschlussfassung der Bundesregierung zurückgewiesen.

Bereits am 14.06.2024 zugestimmt hat die Länderkammer dagegen dem BEPS-MLI-Anwendungsgesetz. Mit dem Gesetz schließt Deutschland die nationale Umsetzung des Multilateralen Instruments (MLI) der OECD ab (vgl. EY-Steuernachricht vom 15.02.2024). Nach der Notifikation bei der OECD dürfte das MLI erstmals ab dem 01.01.2025 (Quellensteuern) bzw. 01.01.2026 (sonstige Steuern) auf neun deutsche Doppelbesteuerungsabkommen anwendbar sein, sofern im Einzelfall bilateral nichts Abweichendes vereinbart wird.

Obwohl ursprünglich noch vor der Sommerpause geplant, verschiebt sich die Verabschiedung des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) im Bundestag bis in den Herbst. Erst Mitte Juni 2024 hatte die Bundesregierung in einer Formulierungshilfe (vgl. EY-Steuernachricht vom 20.06.2024) etliche Ergänzungen zum Regierungsentwurf vorgeschlagen. Im parlamentarischen Verfahren sollen nun womöglich noch weitere Punkte ergänzt werden.

Zu einem ähnlichen Vorhaben, dem Gesetz zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht (vgl. EY-Steuernachricht vom 23.05.2024), geben die Länder am 05.07.2024 ihre Stellungnahme ab. Das Gesetzgebungsverfahren soll bis Ende 2024 abgeschlossen sein.

Mit einem weitgehend selbsterklärenden Namen ist das Gesetz zur Förderung von Investitionen von Fonds in erneuerbare Energien und Infrastruktur versehen. Die hierzu vorgesehenen Änderungen im Investmentsteuerrecht und im Kapitalanlagegesetzbuch liegen bislang erst in einem Diskussionsentwurf vor (vgl. EY-Steuernachricht vom 23.05.2024). Denkbar ist, dass die Regelungen z.B. in ein Zukunftsfinanzierungsgesetz II (s.u.) aufgenommen werden.

Aus drei mach vier: Aufgrund der schwindenden Bedeutung der Briefpost hat der Bundestag mit dem Postrechtsmodernisierungsgesetz am 13.06.2024 beschlossen, die Laufzeitvorgaben für Briefpost zu verlängern. Als Folgemaßnahmen werden u.a. in der Abgabenordnung (§§ 122 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2a, 122a Abs. 4 Satz 1 AO) die Vermutungsregelungen für die Zustellung von Verwaltungsakten von drei auf vier Tage verlängert. Auf die ursprünglich im Regierungsentwurf geplante Aussetzung von § 108 Abs. 3 AO wird dagegen verzichtet. Damit gilt weiterhin, dass sich ein Fristende, das auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt, wie bisher auf den nächsten Werktag verschiebt. Die neue 4-Tage-Fiktion gilt für alle Verwaltungsakte, die nach dem 31.12.2024 zur Post gegeben, elektronisch übermittelt oder elektronisch zum Abruf bereitgestellt werden. Der Bundesrat wird dem Gesetz voraussichtlich am 05.07.2024 zustimmen.

Laut dem Referentenentwurf eines Restrukturierungsfonds-Übertragungsgesetzes (RStruktFÜG) soll die derzeit in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 13 EStG bestehende Beschränkung des steuerlichen Betriebsausgabenabzugs für die sogenannte Bankenabgabe auslaufen und letztmalig für Jahresbeiträge nach § 12 Abs. 2 des Restrukturierungsfondsgesetzes anzuwenden sein, die für Beitragsjahre festgesetzt werden, die vor dem 01.01.2024 enden. 

Kleinere steuerliche Verbesserungen für Betriebsrenten für Bezieher niedriger Einkommen sind im 2. Betriebsrentenstärkungsgesetz vorgesehen, das seit dem 24.06.2024 im Referentenentwurf vorliegt. Hierzu soll insbesondere die Einkommensgrenze des sog. BAV-Förderbetrags nach § 100 EStG dynamisiert und der Förderhöchstbetrag leicht angehoben werden.

Noch in der Pipeline

Mit großer Spannung erwartet wird das seit Monaten immer wieder angekündigte Dynamisierungspaket, das der schwächelnden Konjunktur auf die Beine helfen soll. Als steuerliche Maßnahmen sind verbesserte Abschreibungsbedingungen und wohl auch Anreize zur verstärkten Arbeitsaufnahme geplant. Finanzminister Lindner wirbt nach eigenem Bekunden dafür, auch die ggf. stufenweise Abschaffung des Rest-Solidaritätszuschlags (für Bezieher hoher Einkommen, auf die Abgeltungsteuer sowie für Kapitalgesellschaften) in das Paket aufzunehmen. Allzu groß dürften die Chancen für eine kurzfristige Soli-Abschaffung aber nicht sein. Da das Dynamisierungspaket eng mit der Einigung auf den Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2025 verknüpft ist, dürfte mit einer Veröffentlichung ab der Bekanntgabe einer Grundsatzeinigung zum Bundeshaushalt und damit evtl. ab dem kommenden Freitag (05.07.2024) zu rechnen sein.

Weiteren steuerlichen Input für das Dynamisierungspaket könnten die beiden vom BMF eingesetzten Expertenkommissionen „Vereinfachte Unternehmensteuer“ und „Bürgernahe Einkommensteuer“ liefern. Die Kommissionen werden am 12.07.2024 gemeinsam ihre Ergebnisse vorstellen. Zumindest Vorschläge mit geringen Steueraufkommenseffekten könnten kurzfristig in einen Gesetzentwurf überführt werden.

Als Sammlung einiger steuerpolitischer Restposten aus dem Koalitionsvertrag wird sich dem Vernehmen nach das „Jahressteuergesetz II“, anfangs „Steuerrechtsänderungsgesetz“ genannt, präsentieren. Mögliche Inhalte: Ein zweiter Anlauf bei der im Wachstumschancengesetz gescheiterten Mitteilungspflicht von bestimmten innerstaatlichen Steuergestaltungen, der Ersatz der Lohnsteuerklassen-Kombination III/V durch das Faktorverfahren sowie die Ausweitung der zulässigen politischen Betätigungen im Rahmen der Gemeinnützigkeit. Auch der Entwurf des JStG II könnte kurzfristig nach einer Einigung zum Bundeshaushalt veröffentlicht werden.

Zur weiteren Ausgestaltung der deutschen Umsetzung der globalen Mindeststeuer wird im weiteren Jahresverlauf ein Anpassungsgesetz erwartet, mit dem neben Nachbesserungen insbesondere die noch fehlenden Teile der OECD Agreed Administrative Guidance 4 (vgl. EY-Steuernachricht vom 20.06.2024) umgesetzt werden sollen. Hinzutreten soll ein umfangreiches BMF-Schreiben zum Mindeststeuergesetz.

Um die Bedingungen für Investitionen in Startups zu verbessern, haben die Bundesregierung und die Finanzwirtschaft die sog. WIN-Initiative (WIN – Initiative für Wagnis- und Wachstumskapital für Deutschland) ins Leben gerufen. Schon im September 2024 sollen steuer- und aufsichtsrechtliche Vorschläge dazu vorgestellt werden. Diese könnten z.B. zusammen mit den o.g. Maßnahmen zur Förderung von Investitionen von Fonds in erneuerbare Energien und Infrastruktur in ein Zukunftsfinanzierungsgesetz II überführt werden.

Als große Unbekannte erweist sich das Bundesverfassungsgericht. Auf der Jahresvorausschau für 2024 stehen mit dem Solidaritätszuschlag und den erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen für Betriebsvermögen zwei steuerpolitische Big Points. Entscheidet das Gericht in den kommenden Monaten, dass eine oder gar beide Regelungen nicht verfassungskonform sind, ist eine Reaktion des Gesetzgebers zu erwarten. Denkbar wäre aber, dass die Verfassungsrichter eine Anpassung erst im Laufe der kommenden Legislaturperiode verlangen.