Drohnenansicht moderner Windkraftanlagen aus der Luft

„Diese Aufgabe kann niemand allein stemmen“

Interview mit Ewald Woste, Managing Partner der NeXtWind Management


Überblick

  • Wie lassen sich ältere Windparks repowern?
  • Kann privates Kapital die Energiewende wirkungsvoll unterstützen?
  • Wie wirkt sich die Lieferkettenproblematik auf den Windkraftausbau aus?

NeXtWind ist in Deutschland ein noch relativ junges Unternehmen und spezialisiert auf Onshore-Wind-Projekte. Wie ist das Unternehmen entstanden?

Die Idee entstand in einer regnerischen Nacht in Berlin, wo sich drei Kollegen zum Abendessen getroffen haben, nämlich Lars Meyer, Professor Werner Süss und ich. Die Energiewende war damals durchaus noch umstritten. Vor diesem Hintergrund haben wir diskutiert, ob man nicht ältere Windparks in Deutschland übernehmen und dort leistungsfähigere Anlagen errichten könnte. Das erschien uns angesichts der Schwierigkeiten, neue Flächen zu erschließen – Stichwort Bürgerproteste – viel sinnvoller. Mit einem spanischen Investmentfonds hatten wir dann ein erstes erfolgreiches Projekt gestartet, bevor wir 2020 NeXtWind gründeten. Mehrere internationale Adressen – institutionelle Investoren, Family Offices und Privatinvestoren – haben uns im ersten Schritt 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Bei den mit diesen Mitteln gekauften, zumeist kleineren Windparks sind wir derzeit in der Antragsphase, um neue Anlagen zu installieren. Gleichzeitig arbeiten wir eine sehr große Projektpipeline ab, um weitere Projekte zu kaufen, wofür wir zusätzliches Kapital von internationalen Investoren einsammeln.

Das leistet ein inzwischen fast 20-köpfiges Team mit insgesamt über hundert Jahren Erfahrung in der Energiewirtschaft und der Finanzierung grüner Projekte. In unserem Start-up treffen erfahrene wie auch sehr junge Kolleginnen und Kollegen aufeinander, die die Energiewende umtreibt und die nicht mehr nur darüber reden, sondern sie gestalten wollen.

Gab es für Ihren Investmentansatz Vorbilder aus dem Ausland?

Nicht wirklich. Damals haben sich zwar viele im Bereich erneuerbare Energien aufgemacht, auch auf Finanzinvestorenseite, ich kannte zu dem Zeitpunkt jedoch niemanden, der in Deutschland bereit war, ältere Windparks zu kaufen, um sie zu repowern. Heute ist das anders. Mittlerweile sind viele hinter diesen Flächen her. Das ist vor allem dem veränderten rechtlichen Rahmen geschuldet, der sich sehr positiv entwickelt hat. Vor vier, fünf Jahren haben wir ohne Vorbild einfach mal in den Kapitalmarkt hineingehorcht, ob Interesse besteht, eine solche Investmentthese mitzuverfolgen – glücklicherweise mit Erfolg.

Alte Windanlagen gehören häufig Kommunen oder kommunalen Unternehmen. Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht?

Die Anlagen, die wir bislang gekauft haben, stammen vielfach von den Gründern der ersten Stunde. Das ist das Spannende in der Windindustrie: Die Investoren der ersten Förderprojekte um das Jahr 2000 herum sind mittlerweile Mitte 60 bis Anfang 70. Deren Kinder wollen solche Projekte oft nicht weiterverfolgen. Deswegen trennen sich die frühen Entrepreneure von solchen Anlagen. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der Energiekrise haben wir auch Gespräche mit einigen kommunalen Unternehmen geführt, ob sie sich nicht von ihren alten Anlagen trennen wollten, um damit Liquidität zu schöpfen und nicht zuletzt in neue Projekte investieren zu können. Durch die schnelle Unterstützung der Bundesregierung scheinen die Probleme allerdings nicht so groß gewesen zu sein, wie wir am Anfang geglaubt hatten. Daher sind wir an diesem Punkt noch nicht viel weitergekommen.

Ewald Woste, Managing Partner der NeXtWind Management Ewald Woste, Managing Partner der NeXtWind Management

EY und BDEW Stadtwerkestudie 2023

Wie die Stadtwerke mit neuen Strategien auf die Energiekrise reagieren.

Gibt es dafür weitere Gründe – und wie lässt sich die Situation auflösen? Der Bedarf an Windenergie ist ja zweifellos vorhanden.

 

Wir werden die Gespräche in jedem Fall weiter intensivieren, denn wir haben ein großes Interesse, mit Kommunen, aber auch mit den Stadtwerken zusammenzuarbeiten. Wir sind bereit, alte Parks zu übernehmen und gemeinsam mit unseren Partnern in neue Anlagen zu investieren. Und wir sind ebenfalls bereit, den Strom langfristig an unsere Partner zu verkaufen. Denn darum geht es ja: um Versorgungssicherheit beim Strom für die Endkunden und die Möglichkeit, daraus Produkte zu generieren. Dieses Modell – wir sehen es als Win-win-Situation – arbeiten wir gerade weiter aus, um damit auf die kommunalen Partner zuzugehen.

 

Wir sind überzeugt, hier einen Mehrwert für alle Beteiligten schaffen zu können. Die Energiewende kann niemand allein stemmen. Warum also nicht privates Kapital einbinden? Zumal wenn es dazu beiträgt, Projekte schneller voranzutreiben. Der Faktor Zeit ist entscheidend. Und es gibt ja bereits einige Projekte, die das Potenzial eines solchen Zusammenwirkens aufzeigen.

 

Die von NeXtwind investierten Mittel stammen unter anderem von Pensionskassen. Für die Stadtwerkestudie 2022 sprachen wir mit Timo Poppe von Palladio Kommunal, der darauf verwies, dass die Verwendung solcher Mittel für den Ausbau und die Modernisierung von Infrastruktur in anderen Ländern seit Jahren gang und gäbe ist.

 

Das ist richtig. In Deutschland herrscht im kommunalen Umfeld eine gewisse Skepsis Finanzinvestoren gegenüber. Die Erinnerungen aus den früheren Sale-and-Leaseback-Projekten bei Wassernetzen mögen nachwirken. Zudem können Partnerschaften mit privaten Investoren kommunal- und vergaberechtliche Komplexität bewirken. Das darf uns aber nicht davon abhalten, die Probleme anzugehen. Das Beispiel Bundeswehr zeigt doch, dass es offenbar möglich ist, Beschaffungsstrukturen zu knacken und Vergabeverfahren zu verändern. Dazu muss man doch nicht bis ultimo warten. Wir müssen den Ausbau der Erneuerbaren und die Energiewende schneller hinbekommen. Dafür müssen wir auch darüber nachdenken, Dinge zu verändern und auch auszuprobieren. Ehrlicherweise bin ich da ganz entspannt, denn wenn gesetzliche Regelungen wie Verbote gewisser Strukturen kommen, dann wird das zu viel Dynamik führen. Und das wird Raum für andere Konzepte öffnen.

 

Wie würde denn Ihr Modell mit einem Stadtwerkeunternehmen aussehen? Könnten Sie sich auch ein Joint Investment vorstellen?

 

Das ist denkbar und wünschenswert, ja. Zu bedenken ist allerdings, dass wir nicht unser eigenes Geld verwalten, sondern Mittel von Infrastrukturfonds, Pensionskassen, Finanzinvestoren usw. Von denen würde niemand die Verfügungsgewalt an Dritte übertragen, wir benötigen die Mehrheit. Man müsste miteinander einen Weg finden – da sind wir aber auch sehr zuversichtlich und absolut bereit.

 

Sehen Sie in Ihrem Geschäftsmodell eine Möglichkeit, die Energiewende zu beschleunigen?

 

Absolut. Die Diskussion im öffentlichen Umfeld zeigt sehr deutlich auf eine Entwicklung, dass sich der Staat wieder sehr stark im Bereich der Energieversorgung engagieren will. Sowohl für den Bund als auch teilweise für die Länder bringt das erhebliche Investitionslasten mit sich. Dabei sprechen wir ja schon bei den erklärten Ausbauplänen im Bereich der Erneuerbaren von großen Milliardenbeträgen in den nächsten Jahren. Persönlich glaube ich nicht, dass das auf Dauer alles mit öffentlichen Geldern zu realisieren sein wird – zumal in anderen Bereichen wie Verteidigung ja auch immense Ausgaben erforderlich sind. Insofern denke ich schon, dass sich eine Diskussion in die Richtung öffnen wird, ob man nicht private Kapitalgeber stärker in den Ausbau der Energieversorgung in Deutschland einbinden kann. Und das ist unsere Rolle. Wir verstehen uns darauf, Kapital einzusammeln, zu bündeln und gemeinsam auch mit kommunalen Partnern in geeignete Projekte zu investieren. Auch hier spielt natürlich wieder der Aspekt Geschwindigkeit hinein.

 

Wie sehen Sie an dieser Stelle das Osterpaket, das den Ausbau der erneuerbaren Energie entfesseln soll? Wird das reichen?

 

Wir waren alle hocherfreut, dass jetzt endlich etwas passieren wird. Es muss allerdings auch an den richtigen Stellen ankommen und verfangen. Wenn ich da einmal auf das Thema Bauanträge schaue, kann ich noch keine Entfesselung erkennen. Die Verantwortlichen vor Ort müssen wissen, was das konkret für sie heißt. Wir werden bei einem aktuellen Projekt jedenfalls genau beobachten, ob wir dort innerhalb eines Jahres eine Genehmigung bekommen, um neue Anlagen zu errichten. Ich denke schon, dass die richtigen Pflöcke gesetzt und die richtigen gesetzlichen Regelungen getroffen worden sind. Aber es gilt jetzt in unserem föderalen Staat, dafür zu sorgen, dass das auch nach unten runtergebrochen und vor Ort schnell umgesetzt wird.

Sie sprechen Punkte wie Fachkräftemangel, Digitalisierungsstand und die lange Liegezeit von Anträgen an …

Das gehört sicherlich dazu. Aber man muss auch ehrlich bleiben. Ein Bürgermeister einer kleineren Kommune etwa muss natürlich im Blick behalten, dass die Menschen vor Ort mitgenommen werden und diese Projekte mittragen. Bürgerbeteiligungsmodelle sind eine Option. Insgesamt gehen die Herausforderungen über den reinen Verwaltungsablauf hinaus und betreffen das gesamte Setting. Hier müssen wir noch eine Menge dazulernen, mehr kommunizieren und deutlicher machen, warum das, was wir tun, sinnvoll ist. Natürlich spielen auch die genannten Themen eine Rolle.

Stichwort Bürgerbeteiligung: Ist das eine Option in Ihrem Modell?

Auch hier ein klares Ja. Wenn das gewünscht ist und wir vor Ort solche Projekte realisieren, sind wir bereit, auch einen Teil über ein Bürgerbeteiligungsmodell an die Menschen vor Ort abzutreten. Wir haben kürzlich unser erstes Greenfield-Projekt erworben. Dort gibt es keine alten Anlagen, vielmehr wollen wir mit einem Entwickler moderne Windanlagen errichten. Dort überlegen wir gerade mit den Kommunen, wie man solche Bürgerbeteiligungsmodelle umsetzen kann. Wenn die Menschen sich schon die Anlagen ansehen müssen – und so schön sind sie nun mal nicht, da muss man ehrlich bleiben –, dann ist ein Bürgerbeteiligungsmodell sicherlich eine gute Chance, die Bürgerinnen und Bürger vor Ort einzubinden.

An allen Ecken und Enden werden momentan die Lieferkettenproblematik und die Verfügbarkeit von Rohstoffen thematisiert. Wie hart trifft Sie das im Windenergieausbau?

Die gesamte Industrie leidet natürlich darunter. Auf der anderen Seite lässt sich vieles in den Griff bekommen, wenn man mit den großen Herstellern redet, über längere Partnerschaften verfügt und frühzeitig bestellt. In diesem Zusammenhang halte ich übrigens den Ansatz der Bundesregierung für absolut richtig, jetzt zu helfen und die Produktion von Unternehmen beispielsweise mittels Abnahmegarantien abzusichern. In unserem Segment halte ich es ohnehin für sehr unwahrscheinlich, dass der Markt die Anlagen nicht abnimmt. Das kann nur passieren, wenn der Ausbau der Windenergie über gesetzliche Regelungen wieder heruntergefahren würde.

Welche Bedeutung hat der Netzausbau? Und denken Sie bei NeXtWind über vertikale Integration nach?

Das ist in der Tat ein schwieriges Thema. Der Netzausbau hat nicht schnell genug stattgefunden. Das bezieht sich nicht nur auf Übertragungsnetze, sondern das Spiel fängt in den Verteilnetzen an. Wenn jetzt massiv Photovoltaik ausgebaut wird, in Kombination mit dem jüngst verkündeten Verbot von Öl- und Gasheizungen ab 2024, dann werden wir ein exponentielles Wachstum von Wärmepumpen im System sehen. Die Verteilnetzbetreiber werden dadurch enorme Probleme bekommen. Hier zeigt sich das größte Problem der Energiewende: Sie wurde und wird nicht ganzheitlich und nicht in Abhängigkeiten voneinander gedacht. Wie sichern wir etwa Zeiten ab, in denen kein Wind weht, keine Sonne scheint? Lange fehlten Gesamtkonzepte, wie man sie in jedem Industrieunternehmen und auch im Mittelstand entwerfen würde.

Um das noch einmal auf NextWind zu beziehen: Wir merken, dass wir ein integrierter Energieversorger werden müssen und Versorgungssicherheit anbieten können. Das heißt, dass wir Wind mit Photovoltaik verbinden müssen, Wind mit Batteriespeicherprojekten, Wind perspektivisch auch mit lokalen Wasserstoffprojekten usw. Hier hoffe ich, dass die Bundesregierung mehr in diese Richtung fördern wird, mehr unterstützen wird, damit wir, um in der alten Energiesprache zu bleiben, grundlastfähige Strukturen anbieten können.

Welche Investitionsbedingungen würden Sie sich generell wünschen?

Der Staat setzt die Rahmenbedingungen und in diesem Rahmen haben wir uns zurechtzufinden – und werden das auch. Absolutes Gift, vor allem für langfristig orientierte Investoren, ist jedoch, wenn permanent die Rahmenbedingungen verändert werden. Das ist doppelt gefährlich, weil sich dadurch Unsicherheit im Markt breitmacht. Wie schnell Unternehmen auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können, zeigt zum Beispiel das Unternehmen Vaillant, das die Produktionskapazität für Wärmepumpen verdoppelte. Die Produktion soll auf 500.000 Einheiten pro Jahr steigen.

Gehen Sie davon aus, dass wir die Klimaziele der Bundesregierung erreichen?

Ich bin 63 Jahre alt und habe zwei Enkelkinder. Und ich wünsche mir nichts mehr, als dass wir sie schaffen. Also gehe ich mal davon aus, dass es gelingt. Ich will es auch unterlegen: Zum einen werden die Rahmenbedingungen jetzt so gesetzt, dass wir einen erheblichen Ausbau bei den Erneuerbaren sehen und weiter sehen werden. Die Netzseite haben wir diskutiert, da muss sicherlich noch einiges gemacht werden. Zum anderen sollte man auch sehen, was in den letzten Jahren schon alles passiert ist. Das wird schnell übersehen. Daher glaube ich, wir werden das hinbekommen. Das ist meine tiefe Überzeugung. Optimistisch stimmt mich auch, dass dieses Land in Krisenzeiten immer wieder gezeigt hat, dass wir zusammenstehen und reagieren können, auch wenn manche Dinge schmerzhaft sind und vielleicht nicht so rund laufen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Fazit

Ewald Woste ist Mitgründer von NeXtWind, geschäftsführender Gesellschafter der NeXtWind Management GmbH und Mitglied der Geschäftsführung der NeXtWind Capital Ltd. Er verfügt über mehr als 30 Jahre Berufserfahrung in der deutschen Energiewirtschaft und war in verschiedenen Geschäftsführungs-, Aufsichtsrats- und Beratungsfunktionen für Unternehmen, Private-Equity-Firmen und Industrieverbände aktiv. Unter anderem war er Präsident des BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.) und Vorstandsvorsitzender der Mainova AG sowie der Thüga AG.

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