Glühbirne leuchtet zwischen grünen Blättern

Der Clean Industrial Deal der EU: strategische Weichenstellung für eine klimaneutrale Industrie  

Mit dem Clean Industrial Deal präsentiert die EU ein industriepolitisches Zukunftsprogramm, das Dekarbonisierung, Wettbewerbsfähigkeit und Investitionsförderung vereint – auch für Österreichs Industrie ein zentraler Impuls.


Überblick

  • Der Clean Industrial Deal stellt einen Paradigmenwechsel in der EU-Industriepolitik dar: Er verbindet Klimaneutralität mit gezielter Investitionsförderung und strategischer Standortstärkung.
  • Für energieintensive Sektoren entstehen neue Transformationspfade, die durch Förderprogramme, Steueranreize und vereinfachte Genehmigungsverfahren unterstützt werden.
  • Durch Maßnahmen wie die „Union der Kompetenzen“ und den „Affordable Energy Action Plan“ fördert der CID sowohl Kompetenzaufbau als auch Planungssicherheit für Unternehmen.
  • Auch österreichische Industrieunternehmen können vom CID profitieren – etwa durch Zugang zu Innovationsförderungen, Power Purchase Agreements oder neue Spielräume in der Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen.

Die europäische Industrie steht vor einer der größten Transformationen ihrer Geschichte – mit dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden. Um diesen Wandel aktiv zu gestalten, hat die Europäische Kommission im Frühjahr 2024 den Clean Industrial Deal (CID) präsentiert: ein industriepolitisches Maßnahmenpaket, das Investitionen in klimafreundliche Technologien fördert, Planungssicherheit für Unternehmen schafft und Europa als global wettbewerbsfähigen Industriestandort absichert. Der CID ist damit eine zentrale Säule des Green Deal Industrial Plan – und ein Aufruf zur aktiven Mitgestaltung an Unternehmen, Verbände und Mitgliedstaaten.

Welche Chancen bietet der EU Clean Industrial Deal für die österreichische Industrie?

Der Clean Industrial Deal der EU verbindet ehrgeizige Klimaziele mit einer starken Fokussierung auf eine wettbewerbsfähige heimische Industrie. So werden Planungssicherheit für Investitionen, steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten und eine strategische Ausrichtung geschaffen – durch gezielte Förderprogramme, stabile Rahmenbedingungen und industriepolitische Impulse. Auch die österreichische Industrie hat die Möglichkeit, durch die gezielte Nutzung dieser neuen Rahmenbedingungen einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung zu leisten. Im Rahmen des CID fordert die EU einen partizipativen Austausch mit Vertreter:innen der Industrie. Damit die österreichische Perspektive in die finalen Rahmenbedingungen einfließt, muss auf nationaler Ebene eine einheitliche Haltung der betroffenen Industriesektoren erreicht werden.

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Wie will die EU Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit miteinander vereinen?

Mit dem CID positioniert sich die Europäische Union als globaler Vorreiter, der eine ambitionierte Transformation hin zur Klimaneutralität verfolgt und gleichzeitig sicherstellen möchte, dass die eigene Industrie gestärkt aus diesem Prozess herausgeht. Diese Initiative ist weit mehr als ein klimapolitisches Bekenntnis – sie bildet einen industriepolitischen Rahmen, der gezielt Investitionen in die Dekarbonisierung fördert und langfristig den Standort Europa und dessen Wettbewerbsfähigkeit auf globalen Märkten stärkt. Dies soll etwa durch eine gezielte Förderung von Clean-Tech-Produkten in der EU, sowohl angebots- als auch nachfrageseitig, geschehen.

Der CID reagiert auf zentrale Herausforderungen, mit denen die europäische Industrie derzeit konfrontiert ist: hohe Energiepreise, geopolitische Abhängigkeiten bei Rohstoffen und Fachkräften, Greenwashing-Produkte auf globalen Märkten sowie wachsender Informationsbedarf und fehlende Planungssicherheit im Zuge regulatorischer Anforderungen. Um diesen Entwicklungen zu begegnen, setzt der CID auf ein umfassendes Maßnahmenpaket, das finanzielle Förderung, Planungssicherheit und marktwirtschaftliche Anreize umfasst – und das in sechs zentralen Hebeln.

Sechs Hebel für die grüne Transformation der Industrie

Der CID fokussiert sich auf sechs zentrale Handlungsfelder, die gemeinsam den Übergang zu einer klimafreundlichen, wettbewerbsfähigen Industrie gestalten sollen:

  1. Energieversorgung: Mit dem „Affordable Energy Action Plan“ sollen die Energiekosten gesenkt, das Stromnetz modernisiert und die Elektrifizierung der Industrie deutlich vorangetrieben werden. Ein zentrales Ziel ist es, die Elektrifizierungsrate der EU bis 2030 von 21,3 Prozent auf 32,0 Prozent zu steigern.
  2. Finanzierung: Der Ausbau des Innovationsfonds und die geplante Europäische Dekarbonisierungsbank sollen mehr als 100 Mrd.  Euro für Investitionen in saubere Technologien, Energie und Infrastruktur bereitstellen.1 Für das gesamte Maßnahmenpaket sollen jährlich rund 480 Mrd. Euro investiert werden.
  3. Kreislaufwirtschaft: Bis 2030 soll der Anteil zirkulär genutzter industrieller Materialien in der EU auf 24 Prozent steigen. Dies soll durch einen neuen Circular Economy Act und die Schaffung eines EU-Zentrums für kritische Rohstoffe unterstützt werden.
  4. Globale Märkte: Handelsabkommen und „Clean Tech Partnerships“ sollen Unternehmen den Zugang zu Märkten erleichtern. Ziel ist es, einen relevanten Anteil am Clean-Tech-Markt, der bis 2035 auf 2 Billionen US-Dollar geschätzt wird, zu sichern. Zudem soll ein freiwilliges Siegel für die CO2-Intensität europäischer Produkte eingeführt werden, um Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen. In einem zunehmend protektionistisch geprägten globalen Umfeld – etwa durch US-Zölle und Standortsubventionen – gewinnt eine stabile europäische Perspektive auf Nachhaltigkeit an Bedeutung.
  5. Kompetenzen: Mit der „Union der Kompetenzen“ wird eine europäische Weiterbildungsinitiative ins Leben gerufen, um das notwendige Wissen für die Transformation aufzubauen und rund 500.000 neue Stellen in der EU zu schaffen.
  6. Regulatorische Vereinfachung: Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt, Beihilferegeln vereinfacht und Investitionshürden abgebaut werden. Dies ist einzentraler Hebel für die rasche, zielgerichtete Umsetzung der Industrietransformation.

Was bedeutet der Clean Industrial Deal für Österreichs Industrie?

Auch in Österreich hat der CID konkrete Bedeutung. Die produzierende Industrie verbraucht hierzulande 28,3 Prozent der Endenergie – ein entscheidender Hebel für die nationale Dekarbonisierungsstrategie.2 Gleichzeitig verfolgt Österreich in seiner Kreislaufwirtschaftsstrategie ein Ziel von 18 Prozent Materialkreislaufnutzung.3 Dieses liegt deutlich unter der EU-weiten Zielmarke von 24 Prozent und verdeutlicht den dringenden Bedarf an Investitionen in Materialeffizienz und die Nutzung von Sekundärrohstoffen. Daraus ergeben sich klare Investitionsmöglichkeiten für die heimische Industrie, um sich aktiv an der Dekarbonisierung zu beteiligen.

 

Besonders energieintensive Sektoren wie Stahl, Chemie und die Automobilindustrie sind in Österreich stark vertreten. Für diese Branchen wird der CID sektorspezifische Transformationspfade mit konkreten Zeitplänen und Förderprogrammen entwickeln – ein klares Signal, dass die EU eine dekarbonisierte Zukunft gemeinsam mit der Industrie gestalten will.

Welche neuen Finanzierungsoptionen bietet der Clean Industrial Deal?

Im Rahmen des CID ändern sich die Rahmenbedingungen für Investitionen, Kostenplanung und strategische Steuerung. Verstärkte europäische Förderstrukturen wie der Innovationsfonds oder steuerliche Erleichterungen schaffen zusätzlichen Handlungsspielraum. Auch Power Purchase Agreements und neue Abschreibungsmodelle rücken stärker in den Fokus und sollen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen etabliert werden. Die Re-Industrialisierung Europas und die Förderung regionaler Lieferketten eröffnen neue Standortvorteile. Darüber hinaus haben ESG-Vorgaben und Investitionsimpulse immer größeren Einfluss auf die Unternehmensfinanzierung und Kapitalstruktur.

Drei Impulse für finanzielle Planungssicherheit

  1. Investitionsfenster nutzen: Eine frühzeitige Analyse der Fördermöglichkeiten und steuerlichen Erleichterungen auf EU- und nationaler Ebene kann Wettbewerbsvorteile sichern.
  2. Stromkosten strategisch managen: Power Purchase Agreements und Eigenversorgungslösungen sollten hinsichtlich ihrer langfristigen Auswirkungen auf Planung und Budgetierung geprüft werden.
  3. Klimaschutz als Wettbewerbsvorteil erkennen: Genau wie die EU Klimaschutz als strategischen Wettbewerbsvorteil definiert, können sich auch österreichische Unternehmen am Markt durch ambitionierte Klimatransitionspläne und dekarbonisierte Produkte von ihrem Mitbewerb abheben.

Warum sollten Unternehmen den Clean Industrial Deal aktiv mitgestalten?

Der CID ist kein klassisches Umweltprogramm, sondern ein industriepolitischer Rahmenplan, der Unternehmen neue Perspektiven für ihre Transformation eröffnet – technologisch, strategisch und nachhaltig. Für Planungs- und Finanzverantwortliche lohnt sich ein genauer Blick auf die Mechanismen und die strategischen Ziele des CID. Wer jetzt in erneuerbare Technologien investiert, profitiert nicht nur von finanzieller Unterstützung, sondern schafft auch die Grundlage, um Fördermittel, Rahmenbedingungen und Anreize in echte wirtschaftliche Vorteile umzusetzen. Inmitten dieser zahlreichen Transformationen kommt dem Finanzbereich eine zentrale Schlüsselrolle zu: Er verbindet tiefgreifende Veränderungen mit operativen Rahmenbedingungen.


Fazit

Der CID gibt eine klare Richtung vor, wie sich die europäische Industrie entwickeln soll. Er ist die industriepolitische Antwort der EU auf die Herausforderungen der grünen Transformation. Er schafft konkrete Anreize für die Dekarbonisierung der Industrie, stärkt die Resilienz europäischer Wertschöpfungsketten und gibt Unternehmen die nötige Planungssicherheit für Investitionen. Für Österreichs Industrie ergeben sich neue Perspektiven: von Förderprogrammen für klimaneutrale Technologien über steuerliche Anreize bis hin zur strategischen Neuausrichtung energieintensiver Sektoren. Wer die Chancen frühzeitig erkennt, kann nicht nur Kosten senken, sondern auch seine Position im globalen Wettbewerb stärken.

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