Regelungen zur Barrierefreiheit im digitalen Raum gelten für öffentliche Stellen bereits seit 2021. Ab dem 28. Juni 2025 werden entsprechende Vorschriften auch für privatwirtschaftliche Unternehmen wirksam. Das BFSG verlangt, dass Menschen mit Behinderungen Produkte und Dienstleistungen ohne zusätzliche Schwierigkeiten nutzen können. Angesprochen ist der B2C-Bereich zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Betroffen sind Anbieter von alltäglichen Produkten wie Computern, Notebooks, Tablets, Smartphones, Geldautomaten, Fahrausweis- und Check-in-Automaten, E-Book-Lesegeräten, Routern und Fernsehgeräten mit Internetzugang. Daneben sind Dienstleistungen wie Telekommunikationsdienste, E-Books und hierfür bestimmte Software, Messenger-Dienste, elektronische Bankdienstleistungen und Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr erfasst. Viele Websites fallen ebenfalls unter diese Kategorie, insbesondere Onlineshops, aber auch Websites und Apps für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), Kontaktformulare, Kundensupport und Terminbuchungsmasken.
Schriftgröße und Kontraste
Die konkreten Anforderungen für die privatwirtschaftlichen Unternehmen ergeben sich aus der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) vom 22. Juni 2022. Sie enthält neben den Vorgaben für bestimmte Produkte und Dienstleistungen auch allgemeine Vorgaben zu deren Verpackungen, Anleitungen und Funktionalität. Zudem müssen die „Web Content Accessibility Guidelines“ (WCAG) berücksichtigt werden, die europaweit Standards für die Gestaltung zugänglicher Internetseiten festlegen. So ist etwa darauf zu achten, dass Texte und Hintergründe einen ausreichenden Kontrast aufweisen, die Schriftgröße angemessen ist und dass Nutzerinnen und Nutzer die Option haben, die Einstellungen nach ihren persönlichen Bedürfnissen zu modifizieren.
Hören, Sehen, Tasten
Enthält eine Dienstleistung beispielsweise visuelle oder auditive Komponenten, müssen Bedienungsformen enthalten sein, die eine Nutzung bei fehlendem Seh- oder Hörvermögen ermöglichen. Oder es müssen Bedienungsformen vorhanden sein, die eine Nutzung der Dienstleistung bei kognitiven Einschränkungen erleichtern und vereinfachen. In diesem Zusammenhang ist das 2-Sinne-Prinzip zu beachten. Danach ist der Informationszugang immer über zwei der drei Sinneskanäle Hören, Sehen und Tasten zu ermöglichen – zum Beispiel durch Texte, die sowohl gelesen als auch gehört werden können. Darüber hinaus müssen Unternehmen Informationen „verständlich“ darstellen. Das bedeutet: Sie sollten klar strukturiert und ohne komplizierte Satzkonstruktionen präsentiert werden.
Ausnahmen
Ausnahmen sieht das BFSG zunächst für Kleinstunternehmen vor. Gemeint sind Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro aufweisen – sofern sie nicht die oben genannten Produkte wie Smartphones, Tablets und E-Book-Lesegeräte vertreiben. Eine weitere Ausnahme gilt für Fälle, in denen die Einhaltung der BFSG-Anforderungen entweder eine unverhältnismäßige Belastung für das Unternehmen darstellt oder im Ergebnis zu einer grundlegenden Veränderung der Wesensmerkmale des Produkts oder der Dienstleistung führen würde.
Sanktionen und Abmahnungen
Unternehmen riskieren erhebliche Strafen, wenn sie das BFSG unvollständig oder nicht fristgerecht umsetzen. Marktüberwachungsbehörden können Bußgelder von bis zu 100.000 Euro verhängen oder – nach vorheriger Abmahnung – anordnen, das Angebot oder die Dienstleistung einzuschränken oder gar ganz einzustellen. Darüber hinaus können Produkte zurückgerufen werden. Auch ist zu beachten, dass die Vorgaben des BFSG als Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gelten. Mitbewerber können also ebenso wie qualifizierte Verbraucherschutzverbände bei Nichteinhaltung eine Abmahnung aussprechen.
Übergangsregeln
Betroffene Produkte und Dienstleistungen müssen grundsätzlich ab dem 28. Juni 2025 digital barrierefrei sein. Für einige gelten jedoch Übergangsbestimmungen. Selbstbedienungsterminals, die bis dahin rechtskonform in Betrieb genommen wurden, dürfen weiterhin genutzt werden, und zwar bis zum Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer, maximal jedoch für 15 Jahre ab Inbetriebnahme. Dienstleistungen unter dem Einsatz von Produkten, die bereits vor dem 28.06.2025 rechtmäßig angeboten wurden, müssen erst ab dem 28.06.2030 barrierefrei sein. Verträge über Dienstleistungen, die vor dem 28. Juni 2025 abgeschlossen wurden, können bis zum Ende ihrer vereinbarten Laufzeit fortgeführt werden, jedoch nicht über den 27. Juni 2030 hinaus.