Eine Beschaeftigte sitzt an ihrem Computer im Homeoffice

Wie Arbeitgeber die Grenzen ihres Weisungsrechts im Homeoffice beachten müssen

Ein wichtiges Urteil zu Versetzung und Änderungskündigung zeigt Arbeitgebern die Grenzen ihres Weisungsrechts auf.

Überblick

  • Ein aktuelles Urteil verdeutlicht die Grenzen des Weisungsrechts von Arbeitgebern im Zusammenhang mit Homeoffice.
  • Die Versetzung eines Mitarbeiters an einen weit entfernten Standort wurde als unwirksam erklärt, da die Interessen des Mitarbeiters nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
  • Arbeitgeber müssen bei Änderungen der Arbeitsbedingungen sorgfältig abwägen, ob die berechtigten Interessen des Unternehmens die des Mitarbeiters überwiegen.

Der Kläger arbeitete seit 2017 bei einer Gesellschaft im Bereich der industriellen Planung, Entwicklung und Realisierung. Er erbrachte seine Tätigkeit mit Erlaubnis der Beklagten überwiegend im Homeoffice oder war projektabhängig bei den deutschlandweit verteilten Kunden vor Ort tätig. Am 24. März 2023 erhielt der Mitarbeiter ein Schreiben mit dem Inhalt, dass er an einen anderen, mehr als 500 Kilometer entfernten Standort versetzt werden sollte, da sein bisheriger Standort zum 30. April 2023 geschlossen werde. Ab dem 1. Mai 2023 sollte er daher seine Arbeitsleistung in Präsenz, vor Ort am neuen Standort, zu ansonsten unveränderten Bedingungen erbringen. Und: Eine Tätigkeit im Homeoffice sei ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Für den Fall, dass diese Versetzung unwirksam sei, erhielt der Kläger gleichzeitig hilfsweise eine ordentliche Änderungskündigung mit dem Angebot, seine Tätigkeit vor Ort am neuen Standort fortzusetzen.

Klage

Der Mitarbeiter war damit nicht einverstanden und zog vor Gericht. Seine Begründung: Die Versetzung sei unverhältnismäßig und die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt. Er habe bisher fast ausschließlich im Homeoffice gearbeitet und eine so kurzfristige Versetzung sei unzumutbar. Es sei ihm aus privaten Gründen nicht möglich, seinen Lebensmittelpunkt so schnell zu verlagern. Allein die Wohnungssuche sei in diesem Zeitraum praktisch unmöglich.

Erste Instanz

Das Arbeitsgericht Köln gab der Klage statt. Die Versetzung sei unwirksam, da sie die gesetzlichen Grenzen des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO überschreite. Das beklagte Unternehmen habe die Interessen des Mitarbeiters nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere sei es unzumutbar, so kurzfristig an einen anderen Standort zu wechseln und dort eine Wohnung zu finden. Auch die hilfsweise erklärte Änderungskündigung sei unwirksam, da sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bedingt sei. Der Arbeitgeber habe auch nicht ausreichend dargelegt, betonte das Landesarbeitsgericht Köln, warum eine Tätigkeit aus dem Homeoffice am neuen Standort nicht möglich sei. Gegen dieses Urteil legte die Arbeitgeberin Berufung ein.

Grafik: Homeoffice-Anteil bei Beschaeftigten in Deutschland nach Branchen 2023

Zweite Instanz

Das LAG Köln wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück und bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Auch das LAG stellte fest, dass die angeordnete Versetzung des Klägers unwirksam sei. Der Kläger habe ein „erhebliches Bestands- und Ortsinteresse“, da er über Jahre hinweg im Homeoffice gearbeitet habe und „familiär, logistisch, im Freundeskreis und in der Kultur verortet“ sei. Um eine Versetzung an einen 500 Kilometer entfernten Standort zu rechtfertigen, brauche es „überwiegende sachliche Interessen auf der Arbeitgeberseite“. Diese lägen jedoch nicht vor. Die Darlegung des Klägers, dass der Kontakt zu Kundinnen und Kunden zur Erfüllung seiner Aufgaben projektbezogen vor Ort geschehe und ansonsten per Telefon und Computer, sei von der Beklagten nicht konkret bestritten worden. So sei nicht klar, welche Tätigkeiten anfielen, die eine Anwesenheit im Betrieb notwendig oder auch nur zielführend erscheinen ließen.

Standortwechsel ändert nichts am Homeoffice

Schließlich stellte das LAG Köln fest, dass die Versetzung des Klägers infolge der Betriebsschließung grundsätzlich zwar aus einem dringenden betrieblichen Erfordernis heraus erfolge, dies gelte aber nicht für den mit der Neuzuordnung verbundenen Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis. Auch die Änderungskündigung sei gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, da sie unverhältnismäßig und „nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG bedingt“ sei. Insbesondere sei nicht ersichtlich, warum nach der Einarbeitungszeit am neuen Standort nicht weiter eine Arbeitsleistung aus dem Homeoffice in Betracht komme.



Fazit

Arbeitgeber müssen bei Versetzungen die Vorgaben des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO beachten. Vor allem ist sorgfältig abzuwägen, ob die berechtigten Interessen des Arbeitgebers die Interessen des Mitarbeiters überwiegen. Sofern Arbeitgeber eine Änderung der Arbeitsbedingungen in Form einer Änderungskündigung aussprechen möchten, sind dringende betriebliche Erfordernisse erforderlich. Die Änderung der Arbeitsbedingungen darf für den Mitarbeiter nicht unverhältnismäßig sein. Insbesondere im Kontext von Homeoffice-Regelungen spielt dieses Urteil eine wichtige Rolle. Es stärkt die Rechte der Mitarbeiter im Homeoffice. Arbeitgeber sind daher gut beraten, ihre eigenen Interessen an einer Versetzung zu dokumentieren und genauestens zu begründen. Dies gilt insbesondere bei langjährigen Homeoffice-Regelungen, die zu einer persönlichen und familiären Verwurzelung am Wohnort geführt haben.

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