Die breite Verteilung der eingereichten Bewerbungen auf Standorte und Branchen verdeutlicht, dass Public Value kein branchen- oder standortabhängiges Thema ist. Außerdem ist der zunehmende Wunsch der Gründer mit dem, was sie tun, einen positiven Impact zu leisten, auch von den Statistiken gespiegelt. Von 2017 bis 2019 entwickelte sich die Zahl der neu gegründeten Unternehmen in ganz Deutschland insgesamt rückläufig.9 Dennoch wurde im selben Zeitraum jährlich ein Zuwachs an Bewerbungen für den Public Value Award verzeichnet.
Wenn es darum geht, Investoren zu gewinnen, ist der Public Value eines Start-ups und damit die soziale Relevanz und Akzeptanz seines Geschäftsmodells ein immer relevanteres Kriterium. So hat beispielsweise das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Klimawandel in den letzten Jahren starken Einfluss auf das Verbraucherverhalten ausgeübt. Dies führte gemäß einer Erhebung im Rahmen der EY Venture Capital Studie 2020 zu einer spürbaren Verschiebung des Augenmerks der Investoren. Im deutschen Start-up-Ökosystem haben sich bereits neue umwelt- und sozialverträgliche Geschäftsmodelle etabliert, die von Investoren zunehmend positive Resonanz erfahren. Die Anzahl neuer Finanzierungsrunden bei Start-ups, die Innovationen zu sauberen Technologien (CleanTech), nachhaltigen Mobilitätslösungen und digitaler Landwirtschaft (AgTech) entwickelt haben, hat zugenommen. Zudem könnte der Green Deal der Europäischen Kommission, der 2020 ein zentraler Schwerpunkt der politischen Entscheidungsträger war, weitere Anreize für Investitionen in diesem Bereich schaffen.10
Das konnte auch von mehreren Teilnehmern des Public Value Awards bestätigt werden. Beispiele von Finalisten, die Investoren für sich gewinnen könnten, sind:
- Die Selfapy GmbH ist eine Online-Plattform, die einen low-threshold Zugang zu geführten Interventionen und therapeutischen Programmen für Stress, Angstzustände, Depressionen und andere psychische Erkrankungen bietet. Seit seiner Gründung im Jahr 2016 wurde das Start-up mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Public Value Award 2018 (dritter Platz) und verschiedenen Preisen für Innovation und weibliches Unternehmertum. Der Tübinger Investor SHS sowie der alte Investor High-Tech Gründerfonds (HTGF), Think.Health und die IBB Beteiligungsgesellschaft haben 2020 6 Millionen Euro in Selfapy investiert. 2017 floss bereits eine Million in das Berliner Start-up.
- Die besser zuhause GmbH unterstützt seit Juli 2019 als Berater und Begleiter pflegebedürftige Menschen bei der Gestaltung ihres Lebensumfelds für ein unabhängiges Leben. 2019 wurde das Team mit dem zweiten Platz des Public Value Awards ausgezeichnet und als eine der 10 besten Ideen des ZEIT Z2X Festivals ausgewählt. Das Hamburger Start-up hat im Dezember 2020 seine erste Finanzierungsrunde für einen mittleren sechsstelligen Betrag abgeschlossen.
- Die SirPlus GmbH rettet Lebensmittel, die aufgrund optischer Defekte normalerweise weggeworfen werden, und wirkt so der allgemeinen Lebensmittelverschwendung entgegen. Ihre Kunden können diese genießbare Ware bis zu 70 % günstiger kaufen. 2017 erreichte SirPlus den zweiten Platz beim Public Value Award. Der Unternehmer Benjamin Otto, Ecosia Co-Founder Tim Schumacher und der Winwin-Gründer Matthias Willenbacher investierten 2019 einen sechsstelligen Betrag in das Berliner Start-up.
Public Value als Anker in Krisensituationen
Public Value scheint auch ein besonderer Anker in einer gesellschaftlichen Krisensituation zu sein. 2021 wurde an der HHL Leipzig Graduate School of Management im Rahmen des Kooperationsprojekts für den Public Value Award unter der Studienleitung von Prof. Dr. Timo Meynhardt eine Trendumfrage zum Thema "Start-ups in einer Pandemie" durchgeführt. Die Adressaten der Umfrage waren insbesondere die bisherigen Bewerber für den Award. Ziel der Umfrage war es, den Zusammenhang zwischen Krisen-Resilienz und der öffentlichen Wertorientierung eines Unternehmens zu untersuchen. 54 Start-ups haben an der Befragung teilgenommen.
Insgesamt schätzten die befragten Start-ups ihre aktuelle Lage und ihre Entwicklungsaussichten positiver als der Durchschnitt der Unternehmen in Deutschland ein. Während der Pandemie halten 64% der befragten Start-ups am eigenen Geschäftsmodell und 63% an bestehenden Vermarktungs- und Vertriebsstrategien fest.
Im Rahmen der Trendumfrage gaben etwa vier von fünf Unternehmen an, dass der Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen im eigenen Kerngeschäft verankert und die Gesellschaft als Ganzes ein wichtiger Fokus ihres unternehmerischen Handelns ist. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass die Corona-Pandemie zu Veränderungen des eigenen Verantwortungsbewusstseins und damit einhergehenden Anpassungen in der Organisationsstruktur beigetragen hat. So gab ein Teilnehmer diesen Zusammenhang für sein Start-up wie folgt wieder: „Unsere Zielgruppe ist die Hochrisikozielgruppe und so mussten wir Konzepte entwickeln, die diesem besonderen Schutz Rechnung tragen.“
Ein deutlich positiver Zusammenhang ergibt sich nach Auswertung der Umfrageergebnisse zwischen dem durch die Befragten selbst eingeschätzten Gemeinwohlbeitrag und ihrer Performance während der Corona-Pandemie. So sagt ein Befragter: „Die Pandemie wirkt in vielerlei Hinsicht wie ein Brennglas auf die Missstände, die es vorher schon gab. Es ist eher so, dass die Akzeptanz für gemeinwohlorientierte Unternehmen (…) zugenommen hat.“ Die Ergebnisse der Umfrage zeigen außerdem, dass Start-ups, die ihren Beitrag zum Zusammenhalt in ihrer Region als hoch einschätzen, doppelt so häufig eine gesteigerte Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen verzeichnen als solche, die diesen Beitrag als niedrig einstufen.
Fazit
Es gibt gute Gründe, sich von Anfang an auf den Public Value eines Unternehmens zu konzentrieren. Das Gemeinwohl ist keine altmodische Idee, es schafft eine Mischung aus Mut und Demut in einem Unternehmen, die für den Unternehmenserfolg wichtig ist. Unternehmerische Entscheidungen sowie Entscheidungen für oder gegen eine Investition sollten den Kontext berücksichtigen, ob Start-ups einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Nicht nur, weil unternehmerisches Handeln und soziale Verantwortung untrennbar miteinander verbunden sind, sondern auch, weil dies langfristig dazu führen kann, zusätzliche Aktionäre zu gewinnen und Stakeholder Returns zu generieren. Davon könnten wir alle profitieren.