Anwendung der Abfärberegelung auch bei Verlusten aus gewerblicher Tätigkeit

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27 Oktober 2022

Unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung hat der BFH entschieden, dass auch Verluste aus einer gewerblichen Tätigkeit bei Überschreiten der sog. Bagatellgrenze zur Umqualifizierung der im Übrigen vermögensverwaltenden Tätigkeit einer GbR führen. 

Im Streitfall war zu klären, ob die Einkünfte einer grundsätzlich vermögensverwaltenden GbR aus der Vermietung eines Grundstücks durch den (gewerblichen) Betrieb einer Photovoltaikanlage auf dem Vermietungsobjekt gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2 Alt. 1 EStG in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren sind. Die Bagatellgrenze (unschädliche Geringfügigkeitsgrenze), die von Seiten der BFH-Rechtsprechung entwickelt wurde und sowohl von der Finanzverwaltung wie auch dem Steuergesetzgeber anerkannt ist, war im Streitfall überschritten, weil die gewerblichen Umsätze mehr als 3 Prozent der Gesamtnettoumsätze ausmachten (die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse dürfen 3 Prozent der Gesamtnettoumsätze der Personengesellschaft (relative Grenze) und zugleich den Höchstbetrag von 24.500 Euro im Veranlagungszeitraum (absolute Grenze) nicht übersteigen).

Im konkreten Fall wurde aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage ein Verlust erzielt. Dennoch sei laut BFH keine Ausnahme von der Abfärberegelung zu machen. Für das Gericht steht die Erzielung eines Verlustes bei Überschreiten der Bagatellgrenze der Umqualifizierung der im Übrigen vermögensverwaltenden Tätigkeit nicht entgegen (Urteil vom 30.06.2022, IV R 42/19). Damit erging die Entscheidung unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des IV. Senats. In einem Urteil aus dem Jahr 2018 hatte er sich noch gegen eine Umqualifizierung im Verlustfall ausgesprochen. Diese Rechtsprechung habe der Gesetzgeber, so der BFH, mit dem rückwirkend auch für Veranlagungszeiträume vor 2019 anwendbaren § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alt. 1 EStG i.d.F. des WElektroMobFördG vom 12.12.2019 „außer Kraft“ gesetzt. Nach diesem neu eingefügten Satz 2 tritt die umqualifizierende („abfärbende“) Wirkung unabhängig davon ein, ob aus dieser Tätigkeit ein Gewinn oder Verlust erzielt wird. Obwohl diese Nichtanwendungsgesetzgebung mit einer grundsätzlich verfassungswidrigen sog. echten Rückwirkung eingeführt wurde, erachtet sie der BFH als „verfassungsrechtlich ausnahmsweise nicht zu beanstanden“. Der BFH führt dazu aus, dass der Gesetzgeber zulässig eine Rechtslage festgeschrieben habe, die vor dem anderslautenden BFH-Urteil aus dem Jahr 2018 einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprochen hätte. Auch habe im konkreten Fall (Streitjahr 2012), durch das BFH-Urteil aus dem Jahr 2018 kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der dadurch geschaffenen Rechtslage entstehen können. Ob dies tatsächlich ausreicht, um diese echte Rückwirkung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, oder ob vielmehr andersherum die nachgelagerte Gesetzesänderung im WElektroMobFördG vom 12.12.2019 zur Rechtfertigung einer Abkehr von der BFH-Rechtsprechung aus 2018 herangezogen wird, bleibt zweifelhaft.

Darüber hinaus entschied der BFH, dass die in der Rechtsprechung für gemischt tätige freiberufliche Personengesellschaften entwickelte Bagatellgrenze für eine gewerbliche Seitwärtsabfärbung auch bei gemischt tätigen vermögensverwaltenden Personengesellschaften und insbesondere auch bei Anwendung der gesetzlichen Neuregelung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 EStG) zu beachten ist.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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