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Personalmangel und Bürokratie: warum die Fachkräfteeinwanderung stockt

Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Mit der jüngsten Reform durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurden die bereits bestehenden guten Regeln für Fachkräfte erweitert, indem insbesondere für Arbeitskräfte mit nicht formalen Qualifikationen (vor allem Berufserfahrung) Erleichterungen geschaffen und Möglichkeiten ausgebaut wurden. Die Rekrutierung geeigneter Fachkräfte aus dem Ausland hätte sich daher in absehbarer Zukunft deutlich einfacher gestalten müssen. In der Realität erweisen sich jedoch Personalmangel bei den Ausländerbehörden und den Botschaften sowie ein intransparenter Flickenteppich unterschiedlicher Vorgaben und Vorgehensweisen als massiver Hemmschuh.

 Lange Bearbeitungsdauer

Die in weiten Teilen übermäßig lange Bearbeitungsdauer ist ein wesentlicher Schwachpunkt. So sind Bearbeitungszeiten von sechs Monaten und mehr keine Seltenheit. Dies gilt insbesondere für Ausländerbehörden, bei denen die Digitalisierung noch nicht Einzug gehalten hat, wobei Digitalisierung leider kein Garant für kurze Wartezeiten ist.

So gibt es zwar einerseits Ausländerbehörden, in denen die Anträge nach der Digitalisierung deutlich schneller bearbeitet werden, nämlich in weniger als vier Wochen statt wie bisher durchschnittlich sechs Monaten – obwohl sämtliche erforderliche Unterlagen vorlagen. Doch teilweise verkürzt sich die Bearbeitungsdauer trotz Digitalisierung nicht wesentlich. Bei mindestens einer Behörde kommt hinzu, dass seit der Digitalisierung keine Anrufe mehr entgegengenommen bzw. vorsorglich schon gleich keine Kontaktdaten zur Verfügung gestellt werden.

Ohne Digitalisierung schlagen allerdings personelle Engpässe, beispielweise aufgrund von Krankheit oder Versetzung, deutlich stärker zu Buche. Denn hier sind die Möglichkeiten, auf sich ändernde Fallzahlen zu reagieren, begrenzt.

Mangelnde Transparenz: unzureichende bzw. uneinheitliche Informationen

Zudem beklagen Relocation-Berater, dass die Behörden Änderungen nicht ankündigen. Erfahrungsgemäß werden insbesondere Änderungen der Verwaltungsvorgaben nicht kommuniziert. Im schlimmsten Fall scheitern dann Anträge nur, weil die neuen Anforderungen bei Antragstellung nicht bekannt waren. Auch die Umsetzung von Gesetzesänderungen ist von dieser Problematik betroffen. 

Make it in Germany
Sinnvoll wäre eine frühzeitige Mitteilung auf der Website der Behörde (oder auf dem Portal der Bundesregierung „Make it in Germany“), dass die betreffende Neuerung von der Verwaltung noch nicht umgesetzt wird und zu welchem Stichtag dies geplant ist.

Praktisch stellt sich das folgendermaßen dar: Ein Teil der Behörden handhabt Fälle unvermittelt anders als bisher. Die Information der Betroffenen erfolgt dann per „Buschfunk“ statt durch eine offizielle Information. Wenn etwa neue Formulare eingeführt werden, akzeptieren manche Ausländerbehörden plötzlich die bisherigen Formulare nicht mehr. Gleichzeitig nehmen andere (zunächst) ausschließlich die alten Formulare an – vermutlich weil sie bereits digital arbeiten und die Programme noch nicht aktualisiert wurden. 

Dann stellen sowohl das Innenministerium als auch das BAMF im Internet Informationen zur Fachkräfteeinwanderung zur Verfügung. Diese Informationen sind naturgemäß ähnlich, jedoch nicht völlig identisch. Wenn sich Einwanderungswillige entsprechend Informieren und Abweichungen zur Vorgehensweise des Relocation Service feststellen, kommt es zu (vermeidbaren) Rückfragen, weil die Betreffenden aufgrund der widersprüchlichen Angaben vermuten, dass ein Fehler vorliegt. Das schafft Verwirrung und erzeugt unnötigen Mehraufwand.

Die Plattform „Make it in Germany“ ist grundsätzlich gut ausgearbeitet, doch es fehlen teilweise wesentliche Informationen. So sind etwa die Verwaltungsvorschriften nicht enthalten. Unseres Erachtens sollte das Informationsangebot hier noch ausgebaut werden.

Personalmangel

Immer häufiger melden sich Ausländerbehörden, nachdem ein Aufenthaltstitel beantragt wurde, und fragen nach, was genau beantragt werden soll. Eigentlich erfreulich, oder? Doch tatsächlich müsste das Amt selbst den Antrag so auslegen, dass das Ergebnis für die Antragsteller am günstigsten ist. Es liegt der Verdacht nahe, dass die Behörden unterbesetzt sind und/oder es an der notwendigen Fachkenntnis fehlt. Für diese Vermutung spricht auch, dass beispielsweise erfahrene Kräfte immer wieder vorübergehend in andere Bereiche versetzt werden, um dort Engpässe zu überbrücken. Doch deren Expertise fehlt dann während dieser Zeit in der Ausländerbehörde.

Unverständlich ist auch, dass ausdrücklich Personal ohne juristische Fachkenntnisse gesucht wurde (also keine Anwälte oder ausgebildete Juristen), als die erste große Flüchtlingskrise begann. Doch dies nur am Rande.

Ineffiziente Vorgehensweise

Auch die Behörden leiden unter dem Fachkräftemangel. Doch manche Verzögerungen sind auch auf unnötig umständliche Prozesse zurückzuführen, die bestehende Engpässe verschärfen. Dies illustrieren die folgenden Beispiele:

Beispiel 1: Künstliche Personalverknappung
Häufig entstehen Verzögerungen, weil bestimmte Dokumente nur einzelne Personen ausstellen dürfen, obwohl dies sachlich nicht notwendig wäre, da auch andere Mitarbeitende über die erforderliche Sachkenntnis verfügen.

Beispiel 2: Unnötige Wege
Die Blaue Karte EU wurde nach altem Recht für die Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber gewährt. Mit ihr wurde daher ein zusätzliches Blatt ausgestellt, auf dem stand, für welchen Arbeitgeber sie gilt und wann die zweijährige Frist (nach altem Recht) ausläuft. Wenn die Blaue Karte vor weniger als zwölf Monaten erteilt wurde, kann die Behörde (nach aktuellem Recht) den Arbeitsplatzwechsel für 30 Tage stoppen (wenn die Voraussetzungen für die Blaue Karte im neuen Arbeitsverhältnis nicht erfüllt sind). 

Doch im Rahmen der letzten Gesetzesinitiative wurde die Arbeitgeberbindung abgeschafft. Damit wurde das ausgestellte Zusatzblatt ungenau. Die neuen rechtlichen Regelungen greifen jedoch in jedem Fall automatisch. Dennoch verlangten einige Behörden von Personen, die nach zwei Jahren die Stelle wechseln wollten, dass sie das Zusatzblatt persönlich (!) abgeben bzw. dieses geändert wird.

Anfragen
Insgesamt ist es inzwischen leider gängige Praxis der Behörden, auf Anfragen bzw. schriftliche Kontaktaufnahme (insbesondere per E-Mail) entweder mit einer automatisch generierten Antwort oder gar nicht zu reagieren.

Erschwerte Kontaktaufnahme

Leider bedeutet Digitalisierung nicht automatisch, dass sich die Abläufe verbessern. Entscheidend ist die konkrete Umsetzung. So fehlt in einem Fall auf der Website der Behörde ein Feld, in dem (neben dem Antragsteller) weitere Kontaktpersonen eingetragen werden konnten. Folge: Der Arbeitgeber bzw. der Dienstleister kann keine Fragen stellen, weil das Formular dies nicht vorsieht.

 

Bei anderen Ausländerbehörden muss man sich zuerst registrieren, um Fragen stellen zu können – etwa zu Anträgen, die gestellt wurden. So weit, so gut. Allerdings erhält man erfahrungsgemäß trotz Registrierung keine Antwort. Das heißt, es ist nicht möglich, den Sachstand in Erfahrung zu bringen. So bleibt nur noch die persönliche Vorsprache. Dabei ist jedoch die nächste Hürde zu nehmen. Denn ohne Termin erhält man regelmäßig ebenfalls keine Auskunft. In einem konkreten Fall hatte die Behörde nach längerer Diskussion ein Einsehen und hat der Kollegin, die schließlich persönlich vorgesprochen hat, die ersehnte Auskunft erteilt.

Stolperstein Krankenversicherung

Auch an den Vorgaben der Auslandsvertretungen zur Krankenversicherung verzweifeln viele. So müssen Personen, die beispielsweise über Dubai oder London einreisen möchten, bereits im Zeitpunkt des Visumantrags nachweisen, dass der gesetzliche Krankenversicherungsschutz vorliegt. Dabei reicht es häufig nicht aus, wenn der Arbeitgeber eine einfache Bestätigung ausstellt, bei welcher Versicherung er den Arbeitnehmer anmelden wird, um den gesetzlich vorgesehenen Schutz zu gewährleisten.

Das betroffene Unternehmen schließt in solchen Fällen oft nur aufgrund der Anforderungen der Auslandsvertretung vorab eine befristete Krankenversicherung ab, was dann vorübergehend zu einer Doppelversicherung führt. Denn häufig kann die eigentliche gesetzliche oder private Krankenversicherung erst kurz vor oder nach der Einreise abgeschlossen werden. Oder das Unternehmen stellt den Antrag (ohne eine vorherige befristete Krankenversicherung) entsprechend spät und riskiert zeitliche Engpässe. In anderen Fällen handelt es sich um eine Entsendung und eine Versicherung in Deutschland wäre an sich gar nicht notwendig, weil die betreffende Person weiter in ihrem Heimatland versichert ist bzw. das Unternehmen einen globalen Krankenversicherer für seine Expatriates hat.

Andere Auslandsvertretungen fordern nur eine übliche Reisekrankenversicherung mit einer Deckungssumme von 30.000 Euro. Die Versicherung muss lediglich ihren Sitz in der EU haben. Dabei verlangen die Ausländerbehörden regelmäßig den Nachweis der Deckung des Basistarifs. Große internationale Krankenversicherer stellen solch eine Bestätigung oft erst nach einer Vielzahl von Telefonaten aus (oder gar nicht, wenn sie nicht bestätigen können, dass ihr Versicherungspaket tatsächlich einer gesetzlichen deutschen Krankenversicherung entspricht), kleinere Versicherungsunternehmen kennen dieses deutsche Erfordernis erst gar nicht. Fehlt der erforderliche Nachweis des Krankenversicherungsschutzes, führt dies schlimmstenfalls zur Ablehnung des Antrags.

Mangelnde Flexibilität

Ein weiterer Schwachpunkt ist, dass auch Flüchtlinge, die in Engpassberufen ausgebildet sind, im Asylverfahren „gefangen“ sind. Für hoch qualifizierte Flüchtlinge wäre es jedoch häufig sinnvoll, wenn sie von dem langwierigen Asylverfahren zum Verfahren für Fachkräfte wechseln könnten. So wären sie wesentlich schneller auf dem Arbeitsmarkt verfügbar und könnten eine berufliche Tätigkeit aufnehmen (z. B. im Gesundheitsbereich). Doch solch ein Wechsel ist gesetzlich nicht vorgesehen und wird daher von den Behörden nicht in Betracht gezogen.

Fazit

Die durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz erst kürzlich reformierten gesetzlichen Regelungen sind grundsätzlich gut. Wenn Verfahren scheitern, liegt es letztlich regelmäßig daran, dass die erforderliche Qualifikation nicht vorliegt oder dass der Verdienst zu gering ist. Dies ist durchaus erwünscht, da so das Ziel erreicht wird, gesuchte ausländische Fachkräfte zu gewinnen und gleichzeitig Dumpinglöhne zu verhindern. Doch der Weg zur Einwanderung ist nach wie vor in vielen Fällen holprig. Für alle Beteiligten wären weitere Reformen – dieses Mal bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben – dringend notwendig. Dabei wäre es nicht einmal erforderlich, völlig neue Wege zu gehen. Es würde ausreichen, die Prozesse, die sich in bestimmten Ausländerbehörden bereits bewährt haben, als Standard zu übernehmen. Darüber hinaus müsste als weitere wesentliche Ursache der Mangel an gut ausgebildetem Personal angegangen werden.

Empfehlungen

Aus den oben dargestellten Problemfeldern lassen sich die folgenden Empfehlungen ableiten:

  • Digitalisieren, aber richtig: Es reicht nicht, wenn nur die Formulare und Anforderungen der Behörde berücksichtigt werden, auch den Bedürfnisse der Betroffenen sollte Rechnung getragen werden.
  • Transparenz schaffen durch
    • proaktive und leicht zugängliche Kommunikation der Behörden zu Neuerungen,
    • einheitliches Informationsmaterial zu den geltenden Regelungen für Betroffene,
    • eine konsequentere Harmonisierung der Vorgehensweisen sowie
    • Tracken des Antragsprozesses (digital) und Zugriff der Betroffenen auf die Informationen zum Sachstand (idealerweise mit einer Schätzung der restlichen Bearbeitungsdauer)
  • Personal aufstocken und schulen
  • Prozesse vereinfachen, indem unnötige Schritte/Anforderungen abgeschafft werden
  • Bei Schnittstellen zu anderen Bereichen (Beispiel Krankenversicherung) die tatsächlichen Gegebenheiten in diesen Bereichen berücksichtigen (etwa nur Nachweise verlangen, die mit vertretbarem Aufwand erhältlich sind)
  • Wechsel vom Asylverfahren zur Fachkräfteeinwanderung ermöglichen

Da einige Behörden offensichtlich effizienter arbeiten als andere, bietet es sich auch an, die Best Practices festzustellen und flächendeckend umzusetzen. Daneben könnte eine stärkere Zentralisierung sinnvoll sein, unter anderem um einheitliche Prozesse und mehr Transparenz zu gewährleisten.

Autorinnen: Martina Unrau, Ursula Beste

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