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Wie Aufsichtsräte über die Nachhaltigkeitsberichterstattung die Unternehmensstrategie beeinflussen können

Der Paradigmenwechsel in der Unternehmensberichterstattung bietet europäischen Unternehmen eine spannende Gelegenheit zur Transformation ihres Geschäftsmodells.


Überblick

  • Für Vorstände und Aufsichtsräte ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung ein Katalysator, um Unternehmensstrategie und Nachhaltigkeitsziele in Einklang zu bringen.
  • Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse liefert wertvolle Informationen, die zu besseren Investitionsentscheidungen führen können.
  • Hochwertige Nachhaltigkeitsinformationen dienen Vorständen und Aufsichtsräten als Grundlage, um bei wesentlichen Stakeholdern und Investoren des Unternehmens Vertrauen aufzubauen.

Unternehmen, die in der EU tätig sind, stehen derzeit mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vor der Herausforderung des wohl größten Paradigmenwechsels in der Unternehmensberichterstattung seit Jahrzehnten. Über 40.000 Unternehmen fallen in den Geltungsbereich der CSRD und sind nun gefordert, detaillierte Informationen über ihre Geschäftsmodelle, Strategien und Lieferketten offenzulegen – Informationen, die sie teilweise noch nie zuvor gesammelt und veröffentlicht haben.

Die Richtlinie wird über einen Zeitraum von vier Jahren schrittweise eingeführt, wobei die ersten Unternehmen in Europa bereits im Jahr 2025 basierend auf Daten aus dem Jahr 2024 CSRD-konform berichten müssen. Von Aufsichtsräten ist nun eine steile Lernkurve gefordert, denn die Richtlinie sieht insbesondere eine Übertragung von mehr Verantwortung an die Prüfungsausschüsse vor. Sie sind dann auch für die Überwachung des CSRD-Nachhaltigkeitsberichts und des gesamten Erstellungsprozesses zuständig und haben in diesem Zusammenhang zahlreiche neue Pflichten zu erfüllen.

Die Richtlinie wirft für die betroffenen Unternehmen nicht nur ganz konkrete praktische Fragen zur Umsetzung auf, sondern bietet Vorständen und Aufsichtsräten auch die Gelegenheit zu reflektieren, wie sie die Nachhaltigkeitsberichterstattung nutzen können, um die Unternehmensstrategie weiterzuentwickeln, neue Chancen zu ergreifen und das Risikomanagement zu verbessern. Wie schon die EY Sustainable Value Study 2023 gezeigt hat, ist bei Unternehmen mit besonders vielen Maßnahmen gegen den Klimawandel die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen über den Erwartungen liegenden finanziellen Nutzen aus diesen Initiativen ziehen, 1,8-mal so hoch wie bei jenen Unternehmen, die besonders wenige Maßnahmen implementieren.

Der EY-Bericht How can European boards steer sustainability reporting? gibt Einblicke in den Mehrwert, den Aufsichtsräte aus der Nachhaltigkeitsberichterstattung ziehen können. Er basiert auf Diskussionsrunden mit Board-Mitgliedern in den wichtigsten europäischen Märkten sowie auf Interviews mit EY-Fachleuten aus den Bereichen Wirtschaftsprüfung und Nachhaltigkeit. Der Bericht zeigt, dass Board-Mitglieder bei der Bewertung der strategischen, operativen und finanziellen Auswirkungen der CSRD auf ihr Unternehmen zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen haben. Darüber hinaus enthält er wertvolle Beobachtungen und Empfehlungen, die für andere Vorstände, Aufsichtsräte und Prüfungsausschüsse von Nutzen sein können, insbesondere in den Themenbereichen Governance und Aufsicht, strategische Ausrichtung und Risikomanagement, Berichterstattung, Stakeholder-Dialog sowie Fortbildung und Kompetenzaufbau.

Governance und Aufsicht

Konzentrieren sich die Unternehmen lediglich auf die rechtliche Befolgung der CSRD („CSRD-Compliance“) und lassen dabei den übergeordneten Zweck der Richtlinie außer Acht, dann verpassen sie eine wertvolle Gelegenheit, Nachhaltigkeit in ihrer Unternehmensstrategie zu verankern und eine langfristige Wertschöpfung zu schaffen. Eine wesentliche Zielsetzung der Richtlinie ist die Lenkung von Kapitalflüssen in die Richtung von Unternehmen, deren Tätigkeiten sich positiv auf Mensch und Umwelt auswirken. Laut der Umfrage EY Europe Long-Term Value and Corporate Governance Survey 2024 ziehen Unternehmen, die auf neue Produkte und Dienstleistungen als Chance zur Wachstumsförderung setzen, am meisten finanziellen Erfolg aus der Nachhaltigkeit.


Aufsichtsräte sollten evaluieren, wie die Nachhaltigkeitsberichterstattung genutzt werden kann, um die Unternehmensstrategie mit den Nachhaltigkeitszielen in Einklang zu bringen.


Daher sollten Vorstände und Aufsichtsräte mit strategischem Weitblick evaluieren, wie die Nachhaltigkeitsberichterstattung genutzt werden kann, um die Unternehmensstrategie mit den Nachhaltigkeitszielen in Einklang zu bringen und eine Transformation des Geschäftsmodells zu beschleunigen. Sie betrachten also die Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht als reinen Selbstzweck, sondern vielmehr als ein Rahmenwerk, das das Unternehmen dabei unterstützen kann, Nachhaltigkeitsziele festzulegen, angemessene Maßnahmen abzuleiten, Leistungen zu messen, Chancen und Risiken zu identifizieren und zu managen sowie anhaltende Beziehungen zu ihren Stakeholdern aufzubauen.

Aus der Untersuchung lässt sich somit die klare Empfehlung ableiten, dass Aufsichtsräte und Vorstände gemeinsam an einer Unternehmensstrategie arbeiten sollten, die die Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf Mensch und Umwelt in die langfristige Wertschöpfung integriert. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist für diese Anstrengungen von entscheidender Bedeutung, da sie das Unternehmen in die Lage versetzt, seine Werttreiber besser zu verstehen und seine Fortschritte mit Blick auf konkrete Ziele nach außen zu kommunizieren.

Strategische Ausrichtung und Risikomanagement

Aus strategischer Sicht kann die CSRD bahnbrechend sein. Eine hochwertige Nachhaltigkeitsberichterstattung versorgt Unternehmen mit verlässlichen Informationen und Daten, die Vorstand und Aufsichtsrat benötigen, um ihr Geschäftsmodell zu transformieren und neue, nachhaltigkeitsbezogene Chancen zu ergreifen. Gleichzeitig birgt das von der Richtlinie geforderte hohe Maß an Transparenz jedoch auch neue Risiken, die es von Vorständen und Aufsichtsräten zu managen gilt.

Bei der Festlegung und Kommunikation strategischer Ziele – einschließlich der Pläne zur Weiterentwicklung des Geschäftsmodells im Einklang mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C – sind Unternehmen mit erheblichen Risiken konfrontiert. Insbesondere laufen sie Gefahr, unter Greenwashing-Verdacht zu geraten, wenn sie sich ambitionierte Ziele setzen und ihre Pläne zu deren Erreichung nicht hinreichend erläutern. Außerdem gilt es, die mit der Transformation verbundenen erheblichen finanziellen, operativen und personellen Risiken zu bewältigen.

Die Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken ist noch keine ausgereifte Disziplin. Dennoch hat die Studie ergeben, dass Aufsichtsräte begonnen haben, Informationen aus der Nachhaltigkeitsberichterstattung als Grundlage für ihre laufende Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken zu verwenden, die ihr Unternehmen bedrohen. Sie stützen sich ebenfalls auf die Berichterstattung, um Auswirkungen dieser Risiken für das Risikomanagement und das interne Kontrollsystem ihres Unternehmens zu verstehen.

Um die CSRD befolgen zu können, haben die Unternehmen eine Reihe von komplexen Herausforderungen in der Berichterstattung zu bewältigen. Dazu zählen ein Mangel an verfügbaren Daten und Kennzahlen, die Interpretation der Berichterstattungsstandards und die Durchführung einer Gap-Analyse. Aufsichtsräte müssen nicht mit allen technischen Details dieser Herausforderungen vertraut sein; für ein erfolgreiches Management der Erwartungen der Investoren und weiterer externer Stakeholder ist es allerdings unerlässlich, die Probleme, die das Unternehmen daran hindern könnten, seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie vollumfänglich nachzukommen, zu kennen und zu verstehen.

Berichterstattung

Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse (Double Materiality Assessment) gilt aufgrund des damit verbundenen Arbeitsaufwands und diverser Fallstricke als einer der schwierigsten Aspekte der CSRD-Compliance. Viele Vorstände und Aufsichtsräte der Unternehmen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen, werden bereits eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse gesehen und diskutiert haben. Darin werden sowohl die Auswirkungen verschiedener Nachhaltigkeitsaspekte auf das Unternehmen bewertet (Outside-in-Perspektive) als auch die Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf Mensch und Umwelt (Inside-out-Perspektive). Die Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, die Ergebnisse dieser Analyse auf ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung zu übertragen. Die Inhalte müssen umfassend sein, ohne dabei unwesentliche Informationen zu berichten.

Für viele der befragten Board-Mitglieder hat sich die doppelte Wesentlichkeitsanalyse als wesentliche strategische Chance erwiesen. Sie haben Zugang zu Daten erhalten, auf deren Grundlage sie ihre Unternehmens- und Nachhaltigkeitsstrategie verfeinern und Investitionsentscheidungen besser begründen können. Mithilfe dieser Daten können Vorstände und Aufsichtsräte mehr Nutzen aus der Nachhaltigkeitsagenda ihrer Unternehmen ziehen. Sie können sicherstellen, dass Kapital in wirkungsvolle Projekte fließt, die gute finanzielle Ergebnisse erzielen und mit denen gleichzeitig die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens erreicht werden können.

Aufgrund der mit der Berichterstattung verbundenen Herausforderungen sollte es eine Priorität von Aufsichtsräten sein, darauf zu achten, dass ihr Unternehmen mit ausreichend Personal und IT-Ressourcen für einen effektiven und effizienten Berichtsprozess ausgestattet ist. Der Aufsichtsrat oder sein Prüfungsausschuss sollte die aktuellen Kapazitäten des Unternehmens zur Erfassung und Analyse von Daten für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die damit verbundenen internen Kontrollen hinterfragen und bei Bedarf mit dem Vorstand Verbesserungspotenziale diskutieren. Zudem sollte er mit dem Vorstand erörtern, wie das Unternehmen die Schließung von Datenlücken plant und wie überprüft werden soll, ob die Informationen zur Wertschöpfungskette zuverlässig und belastbar sind.


Effektive Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD ist eine funktionsübergreifende Aufgabe, die eine effektive Überwachung vom Aufsichtsrat erfordert.


Die CSRD verlangt zunächst eine Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung mit begrenzter Sicherheit durch einen externen Prüfer. Daher sollte der Prüfungsausschuss frühzeitig und eingehend mit seinem Abschlussprüfer bzw. dem Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts über das voraussichtliche Format des Nachhaltigkeitsberichts und über die wichtigsten geplanten Angaben sprechen. Außerdem sollte der Prüfungsausschuss dokumentieren, wie er zu seinem Urteil über die Integrität der Nachhaltigkeitsinformationen des Unternehmens gekommen ist, um dem Aufsichtsrat, dem Prüfer und anderen wichtigen Stakeholdern seine Beweggründe nachvollziehbar erläutern zu können. Viele Unternehmen planen zudem, eine freiwillige Prüfung durchführen zu lassen, sofern die Umsetzung der CSRD ins nationale Gesetz verspätet erfolgt.

Letztendlich erfordert eine genaue, umfassende und zuverlässige Nachhaltigkeitsberichterstattung eine funktionsübergreifende Zusammenarbeit im gesamten Unternehmen, an der unter anderem Personal, die Rechtsabteilung, Public Relations, Finance, Unternehmenskommunikation, Einkauf und das Nachhaltigkeitsteam beteiligt sind. Außerdem muss eine enge Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Aufsichtsratsausschüssen bestehen, die jeweils für die Überwachung von Teilaspekten zur Nachhaltigkeit zuständig sind. Zu denken ist beispielsweise an den Prüfungs-, den Nachhaltigkeits-/ESG-, den Strategieausschuss oder an den Ausschuss, der sich mit den Vorstandsverträgen, inkl. der Vergütung, befasst.

Stakeholder-Dialog

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung kann dazu beitragen, den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zu beschleunigen, indem sie die authentische Geschichte hinter dem Wandel erzählt, der sich in der Praxis vollzieht. Mithilfe qualitativ hochwertiger Informationen können Vorstände und Aufsichtsräte ihre vertrauensvollen Beziehungen zu den wichtigsten Stakeholdern – einschließlich Investoren und anderen Kapitalgebern – ausbauen, die es ihnen letztlich ermöglichen, ihre Strategie umzusetzen. Passenderweise gaben 99 Prozent der für den 2022 EY Global Corporate Reporting and Institutional Investor Survey befragten Investoren an, dass sie die ESG-Berichterstattung von Unternehmen im Rahmen ihrer Investitionsentscheidungen berücksichtigen.

Aufsichtsräte sollten spätestens jetzt einen soliden Plan einfordern, wie das Unternehmen bzw. sein Vorstand die Stakeholder über den Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens informiert und dessen Inhalte erläutert. Aufsichtsräte und Prüfungsausschüsse können hier eine Schlüsselrolle übernehmen. Sie können den Vorstand kritisch hinterfragen, wie zukunftsweisende Informationen, etwa zu Strategie und Zielen, im Nachhaltigkeitsbericht dargestellt werden, und mit ihm diskutieren, welche Themen die höchsten Betrugsrisiken bergen.

Fortbildung und Kompetenzaufbau

Die Überwachung der Erstellung zuverlässiger Nachhaltigkeitsberichte ist für Aufsichtsräte eine neue wichtige Aufgabe. Aufgrund von Umfang und Komplexität dieser Aufgabe besteht ein hoher Weiterbildungsbedarf, auch für Aufsichtsräte, die bereits über Erfahrung in diesem Bereich verfügen.


Aufsichtsräte sollten einen Schulungsplan entwickeln, der ihre Mitglieder mit den nötigen Fähigkeiten und Kenntnissen ausstattet, um die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens zu überwachen.


Die befragten Board-Mitglieder sind sich sehr bewusst, dass sie neue Kompetenzen entwickeln und sich in Sachen Nachhaltigkeit weiterbilden müssen. Sie lassen sich daher von internen und externen Experten beraten und führen ausführliche Gespräche mit ihren Abschlussprüfern. Darüber hinaus evaluieren sie die im Gremium vorhandenen Fähigkeiten im Bereich der Nachhaltigkeit und versuchen, identifizierte Wissenslücken bei Neubesetzungen oder durch neue Mitglieder gezielt zu schließen.

Aus der Studie leitet sich eine klare Empfehlung für Aufsichtsräte zur Entwicklung eines Schulungsplans ab, um ihre Mitglieder mit den erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnissen auszustatten, die sie für die Überwachung der Nachhaltigkeitsstrategie und der damit verbundenen Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD benötigen. Außerdem sollten Aufsichtsräte prüfen, ob das Unternehmen bereits ausreichend Personen mit den entsprechenden Fähigkeiten und Denkweisen beschäftigt, um die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen der Nachhaltigkeitsfragen auf das Unternehmen zu verstehen.

Fazit

Aufsichtsräte tragen aktiv dazu bei, den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zu beschleunigen, indem sie ihre Unternehmen bei der Einhaltung der CSRD unterstützen. Im Rahmen ihrer Überwachungsfunktion können sie darüber hinaus sicherstellen, dass die Unternehmen die aussagekräftigen Erkenntnisse aus der Nachhaltigkeitsberichterstattung nutzen, um die Transformation des Geschäftsmodells voranzutreiben und langfristige Erfolge zu erzielen.

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