Durch Prüfungsausschuss ist eine tragende Säule guter Corporate Governance, die es dem Unternehmen ermöglicht, seine Vertrauenswürdigkeit gegenüber seinen Stakeholdern auszubauen. Er ist dafür verantwortlich zu überwachen, ob das Unternehmen eine qualitativ hochwertige Unternehmensberichterstattung liefert, die ein wahrheitsgetreues Bild der Geschäftsentwicklung vermittelt.
Für börsennotierte und andere Unternehmen von öffentlichem Interesse werden die Anforderungen an Prüfungsausschüsse durch nationale Gesetze, Governance-Kodizes und Börsenvorschriften festgelegt. Infolgedessen können die Anforderungen von Land zu Land variieren. Weltweit ist ihnen jedoch gemeinsam, dass der Prüfungsausschuss einen breiten, sich ständig weiterentwickelnden Aufgabenbereich hat, der gerade in vielen Ländern mit der Einführung einer verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung und -prüfung weiter ausgebaut wird. Neben der Überwachung der Unternehmensberichterstattung überwachen Prüfungsausschüsse das interne Kontrollsystem, das Risikomanagement und den Abschlussprüfungsprozess. Darüber hinaus können sie auch für die Bereiche Cybersicherheit, Steuern und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften (Compliance) verantwortlich sein.
Mitglied eines Prüfungsausschusses zu sein, ist oft mit erheblichem Zeitaufwand und hohem zeitlichen Druck verbunden und erfordert von denjenigen, die diese Rolle übernehmen, sehr spezifische Fähigkeiten. Wie können also die Prüfungsausschussmitglieder sowohl als Individuen als auch als Team so effektiv wie möglich arbeiten? Eine EY-Publikation, der Audit Committee Guide (pdf), befasst sich eingehend mit dieser Frage und bietet praktische Ratschläge für neue wie auch für bereits etablierte Prüfungsausschussmitglieder, unabhängig davon, in welchem Land sie ein Mandat haben. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Erkenntnisse aus diesem Leitfaden aus europäischer Perspektive.
Was zeichnet ein gutes Prüfungsausschussmitglied aus?
Entsprechend ihrer wichtigen Rolle bei der Vertrauensbildung sind Integrität und hohe ethische Standards für alle Prüfungsausschussmitglieder integrale Eigenschaften. Sie sollten auch bereit und in der Lage sein, dem Management unbequeme Fragen zu stellen und hartnäckig nach Antworten zu suchen.
Unabhängigkeit ist eine übliche Anforderung an die Mitglieder von Prüfungsausschüssen. Der Anteil unabhängiger Mitglieder variiert von Land zu Land stark und reicht üblicherweise von mindestens einem über die Mehrheit hinaus bis hin zu allen Mitgliedern. Die Unabhängigkeit fördert zum einen eine kritische Grundhaltung und die Bereitschaft, das Management herauszufordern. Zum anderen wird es dadurch leichter, Probleme in der Unternehmensberichterstattung oder im Abschlusserstellungsprozessen frei zu benennen, ohne von den potenziell weitreichenden Folgen für das Unternehmen und seine Führungskräfte unmittelbar beeinflusst zu werden.
Wenig überraschend angesichts ihres Aufgabenportfolios müssen die Prüfungsausschussmitglieder häufig über finanzielle Fachkenntnisse und Fähigkeiten verfügen. In vielen Ländern wird erwartet, dass mindestens ein Ausschussmitglied finanziell versiert ist. So verlangen etwa das deutsche Aktiengesetz und der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK), dass mindestens ein Prüfungsausschussmitglied über Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung (Financial Expert) und mindestens ein weiteres Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet der Abschlussprüfung (Audit Expert) verfügt.
Die weiteren Kompetenzen und Erfahrungen, die von Prüfungsausschussmitgliedern verlangt werden, unterscheiden sich je nach Branche und Rechtsordnung, in der das Unternehmen tätig ist, sowie nach den unternehmensspezifischen Verantwortlichkeiten, die dem Ausschuss übertragen wurden. Grundsätzlich reicht Finanzkompetenz allein nicht aus. Von den Prüfungsausschussmitgliedern wird vielmehr zunehmend erwartet, dass sie über ein breiteres Spektrum an Fähigkeiten und Kenntnissen verfügen. So gilt beispielsweise technologisches Wissen als ein Themengebiet, das für die Effektivität eines Prüfungsausschusses von entscheidender Bedeutung sein kann. Cybersicherheit ist eines der sich schnell entwickelnden Risikofelder, die Prüfungsausschüsse überwachen müssen. Somit können Prüfungsausschüsse von einem Mitglied mit technologischer Expertise bei der Überwachung von Cyberrisiken erheblich profitieren.
Tone at the Top
Vielfach ist der Gesamtaufsichtsrat für die Überwachung der Unternehmenskultur verantwortlich. Dennoch hat der Prüfungsausschuss – als Bestandteil der Wirksamkeitsüberwachung der unternehmerischen Kontrollsysteme – häufig die Aufgabe, die Compliance-Aspekte der Kultur zu überwachen.
Um den richtigen Ton an der Spitze sicherzustellen, muss der Aufsichtsrat/Prüfungsausschuss die Einhaltung des Verhaltenskodex fördern, sich für eine Kultur der Integrität einsetzen und die Whistleblowing-Vorkehrungen des Unternehmens überwachen. Er sollte ein Umfeld unterstützen, in dem sich Menschen in der Lage fühlen, Fehler einzugestehen, und das kollektive Denken auf Lernen und nicht auf Schuldzuweisungen ausgerichtet ist.
Betrug und Korruption sind nicht nur große finanzielle, sondern auch erhebliche Reputationsrisiken für Unternehmen und können die Rentabilität gefährden. Laut dem 2022 Report to the Nations der Association of Certified Fraud Examiners verlieren Unternehmen jedes Jahr 5 Prozent ihres Umsatzes durch Betrug. Prüfungsausschüsse können auch durch ihren eigenen Umgang mit internen und externen Stakeholdern den richtigen Tone at the Top setzen. In der Regel stehen sie mit dem CFO und dem Chief Risk Officer sowie weiteren Schlüsselpositionen im Austausch.
Überwachung der Unternehmensberichterstattung
Die Überwachung des Jahres- und Konzernabschlusses sowie des Prüfungsprozesses durch den Abschlussprüfer sind Kernaufgaben des Prüfungsausschusses. Zu seinen Tätigkeiten gehören:
- Beurteilung der Angemessenheit der Rechnungslegungsmethoden
Dies ist besonders wichtig, wenn der Vorstand bzw. die Geschäftsführung nach eigenem Ermessen von üblichen Auslegungen der Rechnungslegungsstandards oder Branchennormen abgewichen ist.
- Hinterfragen, wie das Management zu wesentlichen Schätzungen gekommen ist
Der Prüfungsausschuss sollte die vom Vorstand bzw. von der Geschäftsführung getroffenen Annahmen prüfen. Er sollte sicherstellen, dass objektive und glaubwürdige externe Datenpunkte verwendet und, sofern verfügbar, geeignete Expertise von Fachleuten eingeholt wurde.
- Prüfung wesentlicher Transaktionen wie Akquisitionen oder andere Geschäfte mit komplexer Struktur oder außerbilanzieller Gestaltung
- Sicherstellung, dass alle wesentlichen Risiken berücksichtigt werden
Der Prüfungsausschuss sollte prüfen, ob der Vorstand bzw. die Geschäftsführung das Ausmaß, in dem sich wesentliche Risiken (einschließlich klimabezogener Risiken) auf den Abschluss auswirken, angemessen reflektiert hat.
- Hinterfragen der alternativen Leistungskennzahlen
Unternehmen verwenden in ihrer Berichterstattung häufig Alternative Performance Measures (APMs) wie EBITDA, das Betriebsergebnis und den Gewinn pro Aktie. Wenn die APMs unzureichend definiert, inkonsistent dargestellt oder gegenüber Kennzahlen der geltenden Rechnungslegungsstandards übermäßig hervorgehoben werden, können sie ein irreführendes Bild über die Gesellschaft vermitteln. Prüfungsausschüsse sollte daher überwachen, wie die APMs ausgewählt, berechnet und dargestellt werden und ob ihre Verwendung die Transparenz verbessert.
- Überwachung von Transaktionen mit nahestehenden Personen
Related Party Transactions (RPTs) bergen ein erhöhtes Betrugsrisiko. Der Prüfungsausschuss sollte also sicher sein, dass alle RPTs identifiziert und offengelegt wurden. Zudem sollte er die Einschätzung vom Vorstand bzw. von der Geschäftsführung, dass die Transaktionen zu marktüblichen Bedingungen durchgeführt wurden, hinterfragen.
- Kritisches Lesen der finanziellen Lage des Unternehmens
Der Prüfungsausschuss sollte die Aussagen im beschreibenden Teil des Geschäftsberichts inhaltlich würdigen, insbesondere dass keine Widersprüche zu den konkreten Zahlen im Jahresabschluss und zugrunde liegenden Annahmen bestehen.
- Validierung der Prognose zur Unternehmensfortführung (Going Concern)
Abschlüsse werden in der Regel unter der Annahme erstellt, dass das Unternehmen auf absehbare Zeit weiterhin tätig sein wird. Der Prüfungsausschuss muss die Angemessenheit dieser Annahme prüfen, insbesondere im Verhältnis zu den monatlichen Prognosen und Finanzierungsquellen.
- Überwachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Analog zur Finanzberichterstattung muss der Prüfungsausschuss überprüfen, ob die Prozesse für die Datenerfassung (Herkunft der Daten, Annahmen, Einhaltung der regulatorischen Anforderungen), die der Berichterstattung zugrunde liegen, robust sind und zu einer zuverlässigen, qualitativ hochwertigen Berichterstattung führen. Darüber hinaus sollten Schnittstellen zur Finanzberichterstattung und der Prozess der externen Prüfung der Nachhaltigkeitsinformationen im Ausschuss intensiv diskutiert werden.
Überwachung von Risikomanagement und internem Kontrollsystem
Das dynamische Geschäftsumfeld fordert von Aufsichtsräten, dass sie ein breites Spektrum von Risiken mit potenziellen Auswirkungen auf das Unternehmen überwachen müssen. Die Risiken reichen von wirtschaftlichen, finanziellen und geopolitischen Fragen über technologiebezogene Risiken bis hin zu Umwelt- und sozialen Risiken aus der Lieferkette.
Traditionell befassen sich Prüfungsausschüsse mit der Überwachung von Risiken im Zusammenhang mit der Finanzberichterstattung und den damit verbundenen internen Kontrollen. In zunehmendem Maße überwachen sie jedoch ein weitaus breiteres Spektrum an Risiken, sodass sie häufig als „Risiko- und Prüfungsausschuss" bezeichnet werden.