Die Krisen der vergangenen fünf Jahre haben Unternehmen auf der ganzen Welt stark beansprucht. Auf Lieferengpässe und Unterbrechungen globaler Wertschöpfungsketten während der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 folgten gestiegene Rohmaterial- und Energiekosten als Folge des russischen Krieges in der Ukraine seit Beginn des Jahres 2022.
Nach Zeiten der Mäßigung mit durchschnittlichen Inflationsraten von rund 2 Prozent in Deutschland im Jahr 2024 folgt nun ein neuer Schock: Seit Anfang 2025 deutet sich eine Verteuerung von Waren durch die Einführung beziehungsweise den Anstieg von Zöllen zwischen den USA und ihren Handelspartnern weltweit an, wodurch die globalen Wertschöpfungsketten erneut auf eine Belastungsprobe gestellt werden. Da die Unternehmen infolge erhöhter Handelszölle mit dem Risiko enormer Preissteigerungen durch Bestandslieferanten konfrontiert werden, versuchen Einkaufsabteilungen, die Belieferung mit Waren und Gütern durch alternative, neu qualifizierte Zulieferer abzusichern – oftmals um jeden Preis. Gleichzeitig gerät die Optimierung von Einkaufskosten und Lagerbeständen in den Hintergrund.
Parallel dazu führt der seit einigen Jahren andauernde Trend, bei der Lieferantenwahl verstärkt auf Near- statt Offshoring in Best Cost Countries zu setzen – und eventuell sogar Produktionsschritte von Outsourcing-Partnern in das eigene Unternehmen zu verlagern – ebenfalls zu Kostensteigerungen. Dies sind weitere Gründe, die Kostenbasis genau unter die Lupe zu nehmen.
Berücksichtigt man eine historische Haltedauer von rund fünf Jahren für Portfoliounternehmen durch Private Equity Funds, wird deutlich, dass die Halteperiode von Unternehmen, die in den kommenden Monaten zum Verkauf anstehen, sich in etwa mit der Prävalenzdauer der globalen Krisen deckt. Daher hat sich die Haltedauer im Median bereits auf rund 5,7 Jahre verlängert (Quelle: Gain.pro 2024). Gleichzeitig mussten oftmals initiale Investmenthypothesen verworfen werden, um eine stärke Fokussierung auf umfassendes Krisenmanagement zu ermöglichen.
An diesem Punkt setzt in Transaktionen die Operational Due Diligence an, um Unternehmen mit den folgenden Fragestellungen auf den Prüfstand zu stellen:
- Wie erfolgreich hat das Management die Krisen gemeistert?
- Was sind die Auswirkungen auf Organisation und EBITDA-Margen?
- Wie sicher ist es, dass der vom Management vorgestellte Businessplan mit der existierenden Organisationsstruktur und den vorhandenen Produktions-, Liefer- und Lagerprozessen wie auch den entsprechenden Kapazitäten umgesetzt werden kann?
- Welche operativen Wertsteigerungspotenziale – sogenannte Value-Creation-Potenziale – existieren darüber hinaus und warum wurden sie bisher nicht gehoben?
Typischerweise umfasst die Operational Due Diligence somit drei Bereiche:
- Identifizierung operativer Risiken im Zielunternehmen
- Bewertung der Skalierbarkeit von Organisation und operativen (Kern-)Prozessen
- Quantifizierung von Value-Creation-Potenzialen
1. Operative Risiken im Zielunternehmen identifizieren
Während in einer Operational Due Diligence typischerweise potenzielle Risiken, sogenannte Red Flags, entlang der internen Wertschöpfungskette je Unternehmensfunktion identifiziert werden, empfiehlt es sich derzeit, Schwerpunkte auf ausgewählte, oftmals kritische Bereiche zu legen.
Angesichts globaler Wertschöpfungsketten liegt ein Fokus auf der Bewertung der Resilienz von Lieferketten und der Schlagkraft der Einkaufsorganisation des Zielunternehmens:
- In welchen Ländern unterhalten kritische A-Lieferanten eigene Produktionsstandorte und sind diese Länder künftig von Handelszöllen betroffen?
- Wie hoch ist die Abhängigkeit von einem oder einigen wenigen Lieferanten und gibt es auf dem Weltmarkt alternative Zulieferer, die kurzfristig qualifiziert werden können?
- Wie professionell ist das Lieferantenmanagement im Einkauf organisiert? Wie werden wichtige A- und B-Lieferanten gemanagt?
- Wie gut waren bisher Lieferperformance und Termintreue?
Bei Unternehmen mit Produktionsstandorten in den USA, Kanada, Mexiko und China stellen sich darüber hinaus weiterführende Fragen:
- Wie werden mögliche Risiken durch die Erhebung von Einfuhrzöllen bewertet?
- Gibt es gegebenenfalls alternative Lieferquellen?
Um mögliche Ansatzpunkte für weitere Kostensenkungspotenziale zu identifizieren, wird parallel bewertet, wie erfolgreich der Einkauf in den letzten Jahren Preiserhöhungen von Lieferanten abgewehrt und Einkaufskosten, insbesondere nach den oftmals temporären Kostenanstiegen während der Corona-Pandemie, gesenkt hat.
Darüber hinaus ist eine Einschätzung des Professionalisierungsgrades des Einkaufs von Bedeutung:
- Wie ist der Einkauf organisiert (zum Beispiel nach Beschaffungsgruppen, strategischen Einkäufern zugeordnet)?
- Über welche Ausbildung, Berufserfahrung und (technische) Fähigkeiten verfügen die Mitarbeitenden?
- Wie erfolgt die Messung von Einsparungen im Einkauf? Wird zwischen Kostensenkung und Kostenvermeidung unterschieden? Gibt es sogar eine dedizierte Rolle für das Einkaufscontrolling zur Nachhaltung des Einkaufserfolgs?
- Wie sind die Anreizsysteme für Einkaufsmitarbeitende ausgestaltet?
- Ist die Einkaufsorganisation ausreichend besetzt oder gibt es vakante Schlüsselpositionen?
Die Risikobewertung für globale Unternehmen erfolgt mit einem ganzheitlichen Blick auf das Netzwerk der operativen Standorte:
- Wo unterhält das Zielunternehmen eigene Produktionsstandorte und an welche Standorte der eigenen Kunden wird geliefert? Wie komplex sind die daraus resultierenden Lieferketten?
- Wie beeinflusst der operative Fußabdruck die Kostenbasis des Zielunternehmens?
Derzeit lässt sich gut beobachten, dass Unternehmen branchenübergreifend den Aufbau eigener Produktionsstandorte in den USA analysieren. Zudem erfolgt aufgrund teilweise deutlich gestiegener Kosten eine Verlagerung von Produktionskapazitäten aus Osteuropa nach Nordafrika. Industriezweige mit hohem Energiebedarf (zum Beispiel die Chemieindustrie) vermeiden den Aufbau weiterer Produktionskapazitäten in Mitteleuropa und weichen auf Regionen mit günstigeren Energiekosten aus. Im Kontext dieser und weiterer Trends gilt es zu bewerten, wie sich der operative Fußabdruck entwickelt hat und welche Strategie das Zielunternehmen verfolgt.
Schließlich werden historische und geplante Investitionsausgaben (CapEx) analysiert. Bei produzierenden Unternehmen stellt sich nach Jahren der begrenzten Verfügbarkeit von Material und Ersatzteilen wie auch Lieferverzögerungen oftmals die Frage, ob notwendige Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen in der Vergangenheit getätigt wurden – oder ob diese verschoben werden mussten und infolge dessen ein Investitionsstau vorherrscht.
Auch bei der Bewertung der nötigen Investitionen über die Businessplan-Periode ist Vorsicht geboten. Erfolgt die Abschätzung des Finanzierungsbedarfs für neue Maschinen durch das Management auf der Basis historischer Preise für vormals angeschafftes Equipment, so werden die Investitionsbedarfe unterschätzt, da teilweise signifikante Preiserhöhungen nicht berücksichtigt werden oder damalige Teile heute nicht mehr lieferbar sind oder nur durch teurere Nachfolgeprodukte ersetzt werden können. Gleichzeitig berücksichtigen historische Preise nur die ihnen zugrunde liegenden technischen Spezifikationen, sodass etwa technologische Fortschritte mit wesentlichen Vorteilen für den Produktionsprozess nicht eingepreist werden können. Darüber hinaus verzerrt unter Umständen in Jahren der Krise bewusst kostengünstig spezifiziertes Equipment die Abschätzung der zukünftigen Investitionsbedarfe.
2. Skalierbarkeit von Organisation und operativen Prozessen im Zielunternehmen bewerten
Nach mehreren Jahren mit moderater Nachfrage planen viele Unternehmen nun mit ambitionierten Wachstumszielen, die in der Regel nur mit einer optimal aufgestellten Organisation und gut skalierbaren Produktions-, Liefer- und Lagerungsprozessen erreichbar sind. Gleichzeitig haben viele produzierende Unternehmen ihren Personalbestand durch Restrukturierung an die veränderte Situation angepasst, frei gewordene Stelle nicht extern nachbesetzt oder Produktionslinien vorübergehend stillgelegt.
Standardmäßig wird im Rahmen einer Operational Due Diligence die Verfügbarkeit von Personal bewertet; derzeit konzentriert sich der Fokus auf folgende Leitfragen:
- Wie kann bei einer anziehenden Nachfrage im Markt kurzfristig eine höhere Anzahl Arbeitskräfte eingestellt und geschult werden, um die Produktion zügig wieder hochfahren zu können?
- Besteht die Möglichkeit, sowohl über Fremdvergabe von Arbeit als auch durch die vorübergehende Einstellung von Zeitarbeitskräften den Hochlauf der Produktion und Bedarfsspitzen abzudecken?
- Besteht das Risiko, dass das Unternehmen wertvolles Know-how durch den Weggang erfahrener Arbeitskräfte verliert? Und wie schnell kann dieses Wissen gegebenenfalls intern wieder aufgebaut werden?
- Welche Möglichkeiten gibt es, Mitarbeitende im Unternehmen flexibler einzusetzen, zum Beispiel durch die Schulung von Anlagenfahrern auf mehreren Produktionslinien, um eine flexiblere Einsatzplanung zu ermöglichen?
Bei der Einschätzung der Vorlaufzeit für die Wiederaufnahme stillgelegter Produktionslinien sind Standortbesuche unerlässlich. Neben dem direkten Austausch mit dem Chief Operations Officer (COO) und der Produktionsleitung ermöglicht dies eine genauere Einschätzung der Situation vor Ort:
- Wie lange stand die Produktion still und wie wurden über diesen Zeitraum notwendige Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt?
- Wie lange dauern notwendige Reinigungs- und gegebenenfalls Renovierungsmaßnahmen, bevor die Produktion wieder aufgenommen werden kann?
- Sind Ersatzinvestitionen in den Maschinenpark notwendig und wie lange dauert die Beschaffung und Installation des benötigten Equipments?
- Können bei der Neuanschaffung von Maschinen und Equipment technologische Neuerungen berücksichtigt werden, um beispielsweise einen höheren Automatisierungsgrad in der Produktion zu erreichen?
Darüber hinaus sollte weitergedacht werden, damit potentizielle Engpässe („Bottlenecks“) entlang der Wertschöpfungskette identifiziert werden können:
- Sind die vorhandenen Kapazitäten in Produktion, Lager und Logistik ausreichend, um den Businessplan des Managements umzusetzen?
- Gibt es ausreichend freie Kapazitäten, um weiteres Wachstum zu ermöglichen?
- Können Auslastungsspitzen durch die Verschiebung von Produktionsvolumina zwischen mehreren Standorten des Zielunternehmens ausbalanciert werden? Und falls ja, wie werden Produkte beziehungsweise Kunden priorisiert und welche Kosten fallen dafür an?
- Können in der Nähe des Produktionsstandortes kurzfristig externe Lagerkapazitäten hinzugemietet werden?
Diese und weitere Fragen lassen sich am besten vor Ort diskutieren, nachdem im Rahmen einer Standortbesichtigung ein genaues Verständnis über Produktionsabläufe, Engpässe, Kapazität und Auslastung in Produktion und Lager sowie wesentliche Kennzahlen gewonnen wurde.