Seit Anfang dieses Jahres haben Unternehmen mit deutscher Hauptverwaltung, deutschem Satzungssitz, deutschem Sitz der Hauptniederlassung, deutscher Zweigstelle und mit in der Regel mindestens 3.000 Beschäftigten (1.000 ab 2024) hierzulande die Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) zu beachten. Bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl sind in Leiharbeit Tätige mit einer Einsatzdauer von mehr als sechs Monaten zu berücksichtigen. Es geht darum, Menschenrechts- und Umweltverstöße zu minimieren, die sich aus der Geschäftstätigkeit entlang der Lieferketten ergeben. Für die Unternehmen ergeben sich daraus beträchtliche Sorgfaltspflichten. Diese dürften eine noch größere Dimension erreichen, wenn demnächst auch die EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (CS3D: Corporate Sustainable Due Diligence Directive) in Kraft tritt. Die CS3D wird auch (juristisch unkorrekt) als „EU-Lieferkettengesetz“ bezeichnet.
Große Betroffenheit
Beim LkSG geht es um die Verhinderung und Verminderung von Menschenrechts- und Umweltverstößen, die sich aus der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens einschließlich seiner Töchter und Lieferketten ergeben. Betroffen sind damit auch kleinere Unternehmen unterhalb der Schwellenwerte, wenn sie Zulieferer eines Regelungsadressaten sind und über Klauseln in Lieferverträgen verpflichtet werden, die LkSG-Sorgfaltspflichten ebenfalls einzuhalten. Diese Unternehmen wiederum können ihre vertraglichen Verpflichtungen mittels einer Weitergabeklausel an mittelbare Zulieferer durchreichen. Rechtlich handelt es sich zwar nur um eine bloße Bemühungspflicht, die weder eine Erfolgspflicht noch eine Garantiehaftung begründet, allerdings haben betroffene Unternehmen umfangreiche Maßnahmen zu ergreifen, um derartige Verstöße zu verhindern.
Katalog an Sorgfaltspflichten
Die Durchführung einer Risikoanalyse ist die Grundlage für eine wirksame Umsetzung der Sorgfaltspflichten. Sie dient dazu, die menschenrechtlichen und ökologischen Risiken im eigenen Geschäftsbetrieb und bei den direkten Zulieferern, mit denen vertragliche Beziehungen bestehen, zu identifizieren. Kernpunkte der Risikoanalyse sind die angemessene Priorisierung und Gewichtung der identifizierten Risiken, die interne Kommunikation dieser Ergebnisse an die wesentlichen Entscheidungsträger des Unternehmens und jährliche wie auch anlassbezogene Neuvornahmen. Zwar muss sich die Risikoanalyse grundsätzlich nur auf den eigenen Geschäftsbereich und die direkten Zulieferer erstrecken, allerdings sieht das LkSG vor, dass auch mittelbare Zulieferer anlassbezogen erfasst werden müssen, beispielsweise bei konkreten Verdachtsmomenten. Derartige Risikoanalysen sind insbesondere dann durchzuführen, wenn das Unternehmen mit einer deutlich veränderten oder erweiterten Risikosituation in der Lieferkette rechnen muss.
Risikomanagementsystem
Basierend auf der Risikoanalyse muss das Unternehmen ein Risikomanagementsystem in allen relevanten Geschäftsprozessen etablieren. Dabei sind geeignete Maßnahmen zur Identifizierung, Vermeidung und Minimierung von Risiken sowie Abhilfemaßnahmen zu treffen. Dazu gehören unter anderem Richtlinien, Vertragsklauseln, Audits sowie Schulungen für Lieferanten und Mitarbeitende. Die Wirksamkeit des Risikomanagements muss jährlich überprüft werden. Darüber hinaus muss festgelegt werden, wer im Unternehmen für die Überwachung des Risikomanagements zuständig ist, z. B. durch die Benennung eines oder einer Menschenrechtsbeauftragten.
Erklärung zu Menschenrechten
Unternehmen sind verpflichtet, eine Grundsatzerklärung zu ihrer Menschenrechts- und Umweltstrategie abzugeben. Diese muss Informationen über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette und außerdem die identifizierten Risiken sowie die menschenrechtlichen und ökologischen Erwartungen an die Mitarbeitenden und Lieferanten enthalten. Darüber hinaus sieht das LkSG die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens vor. Der „Whistleblowing-Kanal“ muss sämtlichen Personen offenstehen, die von der Geschäftstätigkeit des Unternehmens selbst oder von Aktivitäten der Lieferanten negativ betroffen sind oder Kenntnis von entsprechenden Verstößen haben. Überdies ist auch das Beschwerdeverfahren jährlich auf seine Wirksamkeit hin zu überprüfen.
Für BAFA und Internet
Unternehmen müssen jährlich einen Bericht zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten erstellen, ihn dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) vorlegen und im Internet veröffentlichen. Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten ist fortlaufend festzuhalten und die Dokumentation für mindestens sieben Jahre aufzubewahren. Abschließend sind auch die betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften zu beachten, wonach der Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten gemäß LkSG zu unterrichten ist.
Sanktionen bei Verstößen
Verstöße gegen die gesetzlichen Regelungen können mit empfindlichen Bußgeldern von bis zu 800.000 Euro oder 2 Prozent des weltweiten Konzernumsatzes geahndet werden, sofern dieser 400 Millionen Euro überschreitet. Daneben können Unternehmen bis zu drei Jahre lang von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Klarzustellen ist, dass das LkSG keine neuen Schadensersatzansprüche begründet und keine Haftung für Verstöße von Lieferanten vorsieht. Allerdings haften Unternehmen für eigene, in Deutschland begangene Verstöße nach allgemeinen Regeln auf Schadensersatz. Außerdem bleibt eine Haftung für im Ausland begangene Verstöße nach dortigen Rechtsmaßstäben unberührt. Für diese Fälle eröffnet das LkSG die Möglichkeit, eine deutsche Gewerkschaft oder eine NGO zu ermächtigen, im Namen des Geschädigten Klage in Deutschland zu erheben.