- 52 Prozent der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bewerten die Perspektiven der deutschen Wirtschaft negativ
- Jüngere Beschäftigte sind positiver gestimmt als ältere
- Jeder dritte sieht oder erwartet Jobabbaumaßnahmen beim eigenen Arbeitgeber
- Mehr als die Hälfte der Befragten (56 Prozent) sieht Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit
- Qualifizierte Arbeitskräfte sind laut EY-Umfrage die größte Stärke Deutschlands – zu viel Bürokratie größter Minus-Punkt
Die Zweifler an der Zukunftsfähigkeit Deutschlands sind in der Mehrheit: 52 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland halten den Standort aktuell für nicht zukunftsfähig. Wer in der freien Wirtschaft tätig ist, bewertet diesen Faktor noch deutlich negativer (56 Prozent) als Personen, die im öffentlichen Dienst (43 Prozent) angestellt sind – wo die Optimisten dominieren. Auffällig ist, dass Frauen (56 Prozent) den Standort Deutschland kritischer bewerten als Männer (47 Prozent). Und während bei jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bis 35 Jahren die Optimisten mit 59 Prozent in der Mehrheit sind, sind es bei den älteren Befragten bis 65 Jahren nur 43 Prozent, die die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland als positiv bewerten.
Gerade einmal zwölf Prozent der Befragten sehen eine Verbesserung der wirtschaftlichen Perspektiven Deutschlands in den vergangenen fünf Jahren. Geht es um die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik im internationalen Vergleich, sagt zwar die knappe Mehrheit der Bundesbürger (54 Prozent), dass sie die heimischen Unternehmen als sehr oder eher konkurrenzfähig ansehen. Dies bedeutet im Umkehrschluss allerdings auch, dass 46 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hierzulande der gegenteiligen Meinung sind. Bei Beschäftigten in der freien Wirtschaft (51 Prozent) ist das Vertrauen in den Standort Deutschland zudem weniger stark ausgeprägt als insgesamt.
Das sind Ergebnisse der alle zwei Jahre durchgeführten EY-Jobstudie, für die mehr als 2.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland repräsentativ befragt wurden.
Jan-Rainer Hinz, Mitglied der Geschäftsführung und Leiter Personal bei EY: „Wenn mehr als 50 Prozent der Angestellten die Zukunftsfähigkeit des heimischen Wirtschaftsstandorts in Zweifel ziehen, muss das zu denken geben. Ohne Frage stehen Deutschlands Industrieunternehmen vor massiven Herausforderungen, ein Aufschwung ist nicht in Sicht, die geopolitische Lage extrem angespannt. Allerdings: Angst ist ein schlechter Ratgeber, und es gibt durchaus auch Gründe für Zuversicht. Daher macht es Hoffnung, dass gerade die jungen Beschäftigten nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern ihr Vertrauen in den heimischen Wirtschaftsstandort überdurchschnittlich groß ist. Motivierte und top ausgebildete Beschäftigte sind es, die entscheidend dazu beitragen können, dass der Standort wieder nach vorne kommt.“
Nicole Dietl, Partnerin Assurance und Talent Leaderin bei EY: „Vielen Erwerbstätigen wird gerade deutlich vor Augen geführt, dass ein bequemes und sicheres Wohlstandswachstum nicht selbstverständlich ist. In der neuen wirtschaftlichen Weltordnung muss sich der Standort Deutschland an neue geopolitische Gegebenheiten anpassen und sich diesen Realitäten stellen – und das gilt zum einen für die Unternehmen, aber genauso auch für die Beschäftigten. Auch weil der internationale Wettbewerb immer schärfer und der Ton bei internationalen Handelsauseinandersetzungen immer rauer wird.“
Ein Drittel rechnet mit Abbau von Arbeitsplätzen
Die gefühlte mangelnde Zukunftsfähigkeit wirkt sich auch auf die Wahrnehmung der Jobsicherheit der Angestellten hierzulande aus. So sagt ein Drittel der Befragten (33 Prozent), dass Arbeitsplätze in ihrem Unternehmen voraussichtlich verloren gehen werden – oder dass entsprechende Schritte und Programme zum Abbau sogar schon eingeleitet wurden. „Nach Jahren des Beschäftigungswachstums geht das Gespenst der Arbeitslosigkeit wieder um: Zahlreiche wichtige Unternehmen bauen Stellen ab, etliche Unternehmen verlagern zudem Produktion ins kostengünstigere Ausland. Das drückt eindeutig auf die Stimmung im Land,“ beobachtet Dietl.
Besonders von Arbeitsplatzabbau betroffen sehen sich jüngere Beschäftigte: Von den bis-35-Jährigen geben 42 Prozent an, dass es bei ihrem Arbeitgeber entsprechende Bestrebungen gibt oder sie diese erwarten, so Dietl weiter: „Offenbar sehen sich jüngere Beschäftigte eher in einer prekären Situation, was die Arbeitsplatzsicherheit betrifft. Für ältere Personen ist das Thema hingegen deutlich weniger virulent – möglicherweise, weil sie sich wegen längerer Betriebszugehörigkeit eher keine Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz machen.“
Kritik an Bürokratie und hohen Energiekosten
Trotz der kritischen Beurteilung des Standorts Deutschland: Die Befragten sehen auch positive Aspekte, die den Wirtschaftsstandort Deutschland aktuell auszeichnen. So nennt fast jede und jeder zweite Befragte qualifizierte Arbeitskräfte (49 Prozent) als großes Plus hierzulande. Auch eine hohe Lebensqualität (39 Prozent) und stabile politische Rahmenbedingungen (36 Prozent) zeichnen Deutschland in den Augen der Befragten aus.
Auf der anderen Seite finden sich dagegen (zu viel) Bürokratie (68 Prozent), hohe Energiekosten (60 Prozent) und Fachkräftemangel (45 Prozent) als größte Schwächen des Standorts Deutschland. Hinz sagt: „Viele Angestellte befürchten, dass Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern wirtschaftlich nicht mithalten kann. Die Gründe hierfür sind zahlreich und reichen von überbordender Bürokratie, die die unternehmerischen Möglichkeiten ausbremst, über zu hohe Stromkosten bis hin zu der verschlafenen Digitalisierung der vergangenen Jahre oder Jahrzehnte.“
Laut Hinz steht Deutschland, gerade mit Blick auf das riesige Investitionspaket, das aktuell diskutiert wird, am Scheideweg: „Gegen die aktuellen Unsicherheiten, die eher zunehmen werden, kann das milliardenschwere Finanzpaket der Startschuss für die Revitalisierung des Standorts Deutschland helfen. Dabei ist jedoch die Umsetzung entscheidend – Deutschland hat keine Zeit zu verlieren, vor allem wenn es um Innovationsförderung, Infrastrukturmaßnahmen und eine effizientere Verwaltung geht.“
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