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Kurzarbeitergeld: Wenn Fristen zur Falle werden

Als die Corona-Krise die Luftfahrtindustrie in die Knie zwang, hoffte ein Lackierbetrieb auf staatliche Unterstützung durch Kurzarbeitergeld. Doch obwohl die Bundesagentur für Arbeit zunächst die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld bestätigte, scheiterte die Klägerin teilweise mit ihrem Antrag an einer entscheidenden Hürde: der Ausschlussfrist. In seiner Urteilsbegründung geht das Bundessozialgericht (BSG) auch darauf ein, welche Angaben innerhalb dieser Frist zwingend erforderlich sind, um den Anspruch auf Kurzarbeitergeld nicht zu gefährden (Urteil vom 05.06.2024, B 11 AL 1/23 R).

Kurzarbeit

Ein Unternehmen, das Lackierarbeiten an Flugzeugen und Flugzeughallen vornimmt, setzte für den Zeitraum Mai bis Dezember 2020 Kurzarbeit fest und teilte dies am 02.06.2020 der Bundesagentur für Arbeit mit. Mit Bescheid vom 03.06.2020 stellte die Beklagte fest, dass ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorlagen. In diesem Zusammenhang teilte sie der Klägerin insbesondere mit, dass 

  • das Kurzarbeitergeld jeweils für den Anspruchszeitraum (Kalendermonat) zu beantragen ist,

  • diese Anträge innerhalb von drei Monaten eingereicht werden müssen und 

  • diese Ausschlussfrist mit Ablauf des Kalendermonats, für den Kurzarbeitergeld beantragt wird, beginnt.

Der Antrag für Mai 2020 ging am 31.08.2020 und der für Juli 2020 am 02.11.2020 bei der Beklagten ein. Die Beklagte bewilligte vorläufig Kurzarbeitergeld und die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge.

Nachmeldung

Am 28.04.2021 legte die Klägerin für Mai und Juli 2020 die Formulare Kug 107 (Leistungsantrag) und Kug 108 (Kurzarbeitergeld-Abrechnungsliste) vor. Darin waren Angaben für Mai 2020 zu einem weiteren Arbeitnehmer sowie für Juli 2020 zu 16 weiteren Arbeitnehmern enthalten. Die Beklagte lehnte allerdings die Leistung von Kurzarbeitergeld und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen für die nachgemeldeten Arbeitnehmer ab, da die Anträge verspätet gestellt worden seien. Der Widerspruch gegen die Ablehnung und die Klagen vor dem Sozialgericht bzw. Landessozialgericht (LSG) blieben erfolglos.

Revision vor dem BSG

Die Klägerin hat gegen die Entscheidung des LSG Revision eingelegt, doch das BSG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und seine Entscheidung wie folgt begründet:

Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld

Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn

  • ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,

  • die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und 

  • der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.

Die Beklagte hat im Rahmen des Anerkennungsverfahrens festgestellt, dass ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall und auch die betrieblichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld vorlagen. Ob die betreffenden Arbeitnehmer die persönlichen Voraussetzungen erfüllen, konnte das Gericht dahingestellt sein lassen. Denn das Unternehmen hat das Kurzarbeitergeld nicht innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist beantragt. Die Ausschlussfrist beginnt mit Ablauf des Monats, in dem die Tage liegen, für die Leistungen beantragt werden. 

Notwendige Angaben

Dabei reicht es nicht aus, lediglich den Arbeitsausfall anzuzeigen, damit das Kurzarbeitergeld als beantragt gilt. Es muss schon zu Beginn des Leistungsverfahrens erkennbar sein, für welche Person(en) und für welchen Zeitraum der Antrag gestellt worden ist. Weitere Angaben verlangt das Gesetz nicht zwingend. Das BSG widerspricht damit Meinungen in der Literatur, die weitere Angaben fordern (etwa Adresse der Arbeitnehmer oder die auf den jeweiligen Arbeitnehmer entfallenden Ausfallstunden). Diese Angaben müssen nicht bereits bei der Antragstellung vorliegen.

Frist war verstrichen

Die Klägerin hat in ihren Anträgen vom 31.08.2020 (für Mai 2020) und vom 02.11.2020 (für Juli 2020) auf Abrechnungslisten konkrete Arbeitnehmer benannt. Die später nachgemeldeten Arbeitnehmer waren darin allerdings nicht aufgeführt. Die Beklagte konnte davon ausgehen, dass die Klägerin nur für die in den Listen genannten Arbeitnehmer Antrag auf Kurzarbeitergeld stellen wollte. 

Als die Klägerin am 28.04.2021 die Arbeitnehmer nachmeldete, war die Ausschlussfrist längst verstrichen. Die davor gestellten Anträge erfassen nur die darin genannten Arbeitnehmer. Wiedereinsetzungsgründe sah das BSG nicht; somit stand den nachgemeldeten Arbeitnehmern kein Kurzarbeitergeld zu.

Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge

Die Ansprüche auf Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge setzen voraus, dass der Antrag fristgemäß gestellt und Kurzarbeitergeld gewährt wird. Daher konnte die Klage auch insoweit nicht erfolgreich sein. 

Handlungsbedarf

Arbeitgeber sollten bei Kurzarbeit sicherstellen, dass sie die für den Bezug von Kurzarbeitergeld und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen notwendigen Anträge mit den erforderlichen Angaben rechtzeitig einreichen. Laut BSG ist innerhalb der dreimonatigen Frist der Arbeitsausfall anzuzeigen und mitzuteilen, für welche Person(en) und für welchen Zeitraum der Antrag gestellt wird. Wie das Urteil zeigt, läuft eine spätere Konkretisierung insoweit ins Leere. 

Ihre Kontaktpersonen zu diesem Artikel: Nancy Adam, Thorsten Koch