Aussetzungszinsen von mehr als 9.000 Euro nach erfolgloser Klage
In dem zugrunde liegenden Streitfall hatte der Kläger gegen seinen Einkommensteuerbescheid 2012 zunächst Einspruch eingelegt und dann Klage erhoben. Das Finanzamt hat antragsgemäß die Vollziehung des Bescheids in Höhe von 22.600 Euro Einkommensteuer und 1.350 Euro Solidaritätszuschlag ausgesetzt. Die Klage war erfolglos und das Finanzamt setzte für den Zeitraum vom 22.09.2014 bis zum 15.04.2021 Aussetzungszinsen in Höhe von 8.814 Euro (für die Einkommensteuer) und 526 Euro (für den Solidaritätszuschlag) fest.
Zinssatz widerspricht Gleichheitsgrundsatz
Der BFH hält den Zinssatz von 0,5 Prozent ab dem 01.01.2019 für verfassungswidrig. Steuerpflichtige, die eine AdV erhalten und deshalb den geschuldeten Betrag bei Fälligkeit nicht bezahlt haben, und solche, die den geschuldeten Betrag bei Fälligkeit bezahlt haben, werden ungleich behandelt. Zumindest während einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase sei dieser Zinssatz offensichtlich nicht erforderlich, um den durch die spätere Zahlung erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen.
Für Nachzahlungszinsen hat das BVerfG bereits entschieden, dass das frühere Recht für Zinsen nur bis zum 31.12.2018 anwendbar ist und den Gesetzgeber verpflichtet, für Verzinsungszeiträume nach dem Jahr 2018 eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen. Ab dem 01.01.2019 gilt für Nachzahlungszinsen ein Zinssatz von 0,15 Prozent monatlich. Daher werden ab diesem Zeitpunkt Steuerpflichtige, die Aussetzungszinsen schulden, und solche, die Nachzahlungszinsen bezahlen müssen, ungleich behandelt.
Die Ungleichbehandlung ist nach Auffassung des BFH zudem unverhältnismäßig. Dass Steuerpflichtige selbst entscheiden können, ob sie die AdV in Anspruch nehmen (wenn die erforderlichen Voraussetzungen dafür vorliegen), hält das Gericht für nicht maßgeblich. Zudem könne ein Teil der Steuerpflichtigen aus wirtschaftlichen Gründen nicht auf die AdV verzichten.