EuGH: Vergaberechtsfreie Auftragsänderung auch nach Wegfall der Inhouse-Voraussetzungen möglich

Bei einer Auftragsvergabe an eine Eigengesellschaft besteht für öffentliche Auftraggeber keine Ausschreibungspflicht, wenn die Voraussetzungen der sog. Inhouse-Vergabe vorliegen. Fraglich ist, wie eine Auftragsänderung zu beurteilen ist, nachdem die Inhouse-Voraussetzungen weggefallen sind.

Erweiterung der Konzessionen um E-Auto-Ladesäulen

Gegenstand der EuGH-Entscheidung (Urteil vom 29.04.2025, Rs. C-452/23) war die in den Jahren 1996 und 1998 im Rahmen einer Inhouse-Vergabe vom Bund an seine (damals noch) Eigengesellschaft vergebenen Konzessionen über die Bewirtschaftung von Tankstellen und Raststätten an den Bundesautobahnen. Die für die Konzessionserteilung inzwischen zuständige Autobahn GmbH erweiterte die Konzessionen im Jahr 2022 ohne Vergabeverfahren auf die Errichtung und den Betrieb von Schnellladestationen für Elektrofahrzeuge an Rastanlagen, nachdem die bundeseigene Gesellschaft im Jahr 1998 privatisiert und in Autobahn Tank & Rast GmbH sowie Ostdeutsche Autobahntankstellen GmbH umbenannt worden war. Die Fastned Deutschland GmbH & Co. KG, die in Deutschland Ladestationen betreibt, hielt die Erweiterung ohne europaweites Vergabeverfahren für unwirksam und griff sie mit einem Nachprüfungsantrag zur Vergabekammer des Bundes und – in zweiter Instanz – mit sofortiger Beschwerde zum OLG Düsseldorf an.

Ausschreibungspflicht nach Wegfall der Inhouse-Fähigkeit?

Das OLG Düsseldorf legte dem EuGH sodann die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob eine Konzession auch dann ohne ein neues Vergabeverfahren geändert werden kann, wenn sie ohne Ausschreibung an eine Inhouse-Einrichtung vergeben wurde und die Änderung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem der Konzessionsnehmer keine Inhouse-Einrichtung mehr ist. Maßgebliche Rechtsnorm ist insoweit Art. 43 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2024/23/EU (sog. Konzessionsrichtlinie), die im deutschen Recht in § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GWB umgesetzt ist und Auftragsänderungen bei unvorhersehbaren Umständen gestattet. 

Vorschriften über Auftragsänderung maßgeblich

Der EuGH stellte zunächst klar, dass Art. 43 der Konzessionsrichtlinie auch in einer solchen Konstellation anwendbar ist. Änderungen einer Konzession seien anhand der Rechtsvorschriften zu beurteilen, die zum Zeitpunkt der Änderung gelten. Art. 43 Abs. 1 Buchst. c der Konzessionsrichtlinie enthalte keinen Hinweis darauf, dass eine Konzession nicht ohne ein neues Vergabeverfahren geändert werden kann, wenn sie ursprünglich inhouse vergeben wurde und diese Umstände nicht mehr vorliegen.

Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Vergabe nach Fristablauf unbeachtlich

Die Vorschrift verlange auch nicht, dass die nationalen Gerichte die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Vergabe überprüfen, wenn die Fristen für die Anfechtung der ursprünglichen Vergabe (nach § 135 Abs. 2 GWB maximal sechs Monate nach Vertragsschluss) abgelaufen sind. Die Rechtsmittelfristen trügen dem Interesse der Rechtssicherheit Rechnung.

Abgrenzung zur Entscheidung Lerici

Der EuGH grenzt damit interessanterweise zu seiner Entscheidung Lerici (Urteil vom 12.5.2022 – C-719/20) ab, in der er die Fortsetzung eines inhouse vergebenen Auftrags durch einen nicht inhouse-fähigen, neuen Auftragnehmer ablehnte. Die Inhouse-Vergabe steht der Anwendung des § 132 GWB demnach nicht entgegen, wenn die Änderung den Konzessionsgegenstand (und nicht den Konzessionsnehmer) betrifft.

Klarstellung zum Begriff der Erforderlichkeit bei unvorhersehbaren Änderungen

Erwähnenswert ist außerdem der Hinweis des EuGH auf die Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit einer Änderung bei unvorhersehbaren Umständen im Sinne des Art. 43 Abs. 1 Buchst. c der Konzessionsrichtlinie. Nach Auffassung des EuGH reicht es insoweit nicht aus, dass die neue unvorhersehbare Situation von den vertraglichen Bestimmungen nicht erfasst wird. Die Änderung einer Konzession sei nur dann erforderlich, wenn unvorhersehbare Umstände eine Anpassung der ursprünglichen Konzession erfordern, um sicherzustellen, dass sie weiterhin ordnungsgemäß ausgeführt werden kann bzw. dass die daraus resultierenden Verpflichtungen weiterhin ordnungsgemäß erfüllt werden können. Das OLG Düsseldorf wird die Änderung der Konzessionen anhand dieser Maßstäbe zu beurteilen haben. 

Fazit

Die Entscheidung des EuGH schafft Klarheit für das Verhältnis von Inhouse-Vergabe und Auftragsänderung und stärkt den Bestandsschutz von Altverträgen. Die Grundsätze der Entscheidung dürften auf öffentliche Aufträge im Ober- und Unterschwellenbereich übertragbar sein.

AutorInnen: RA Dr. Sven Brockhoff, RA Dr. Nele Tofaute