Gestaltungsmissbrauch bei einer Grundstücksübertragung im Umlegungsverfahren

Ist die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S.2 b) GrEStG im Umlegungsverfahren stets anwendbar?

Der BFH hat sich in seinem Urteil vom 11. Dezember 2024 (Az.: II R 14/22) mit der Frage beschäftigt, ob bei einer Grundstücksübertragung im Umlegungsverfahren eine Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr.3 S.2 b) GrEStG stets Anwendung findet oder ob ein solcher Eigentumserwerb auch als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten angesehen werden kann.

Im Streitfall hatte die Klägerin per Umlegungsbeschluss verschiedene Grundstücke zugeteilt bekommen. Für die Zuteilung bestimmter Flurstücke hatte sie eine Ausgleichszahlung an die Stadt zu leisten. Das Finanzamt setzte auf diesen Erwerb Grunderwerbsteuer fest und führte aus, dass der Befreiungstatbestand des § 1 Abs.1 Nr. 3 S.2 b) GrEStG zwar formal erfüllt sei. Nach Ansicht des Finanzamtes lag jedoch ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vor, so dass die Grundstückszuteilung im Umlegungsverfahren wie ein käuflicher Erwerb zu behandeln sei. Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom FG abgewiesen. Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

Der BFH führte aus, dass der Erwerb des Eigentums an einem Grundstück durch Zuteilung im Rahmen des Umlegungsverfahren nach §§ 45 ff. BauGB grundsätzlich ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang sei, soweit die einem Beteiligten zugeteilten Flächen nicht mit dem ihm vorher gehörenden Einwurfgrundstücken flächen- und deckungsgleich sind. Zwar erfülle die Zuteilung an die Klägerin vorliegend den Steuerbefreiungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 S.2 b) GrEStG. Nach Ansicht des BFH kann die Klägerin diesen jedoch nicht in Anspruch nehmen, da ein rechtlicher Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vorliegt. Dies sei der Fall, wenn ein Umlegungsverfahren dazu genutzt wird, einen reinen Rechtsträgerwechsel an einem Grundstück zu bewirken und damit zweckentfremdet wird. Zweck des Umlegungsverfahrens sei es, aus bisher wegen ihres Zuschnitts nicht zur Bebauung geeigneten Grundstücken solche zu gestalten, die nach den geltenden planungs- und bauordnungsrechtlichen Regelungen bebaut werden können Es dient aber gerade nicht der Flächenbeschaffung für bestimmte Grundstückseigentümer, die - wie die Klägerin - einen überdurchschnittlichen Flächenbedarf für ihre konkrete Nutzungsabsicht anmelden. Die Einwände der Klägerin, dass die Gestaltung aus außersteuerlichen Gründen (z.B. Wirtschaftsförderung oder städtebauliche Aspekte) erfolgte, wurden seitens des BFH als nicht belastbar angesehen. Zu den zahlreichen Sachverhaltsdetails des Urteilsfalls wird bei Interesse auf die Lektüre des gesamten Urteils verwiesen.

Allein die Tatsache, dass der Eigentumserwerb eines Grundstücks "formell" durch Zuteilung im Umlegungsverfahren erfolgt, garantiert nicht die Anwendung der entsprechenden Grunderwerbsteuerbefreiung. Es ist auch hier darauf zu achten, dass kein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vorliegt. 

Autorinnen: StB Gabriele Kirchhof, RA StB Nicole Kuhn