Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG für eine nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeit als Aufsichtsrat einer kommunalen GmbH - BFH, Urteil vom 08.05.2024, VIII R 9/21 – BFH/NV 2024 S. 1077

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG (Ehrenamtspauschale) für nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeiten ist auch anwendbar für Tätigkeiten im Aufsichtsrat einer kommunalen GmbH, die im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ausgeübt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Vergütung durch die GmbH erfolgt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die GmbH oder die juristische Person des öffentlichen Rechts gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt. Die Steuerbefreiung ist bereits bei einer Tätigkeit im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts anwendbar.

Hintergrund

Einkünfte aus nebenberuflichen ehrenamtlichen Tätigkeiten können nach § 3 Nr. 26a EStG steuerfrei sein. Die Steuerbefreiung soll dabei der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements sowie der Entlastung von Personen, die sich nebenberuflich ehrenamtlich engagieren, dienen. Um die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen zu können, müssen die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Die Tätigkeit muss nebenberuflich und ehrenamtlich ausgeübt werden;
  2. Die Einkünfte dürfen die jährliche Höchstgrenze von EUR 840 nicht übersteigen (im Streitjahr 2015: EUR 720);
  3. Es muss sich um eine Tätigkeit für eine gemeinnützige Organisation oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts handeln.

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige war im Streitjahr als Mitglied des Aufsichtsrats einer GmbH tätig, die im Betreibermodell unmittelbar die kommunale Aufgabe der Trink- und Abwasserversorgung für vier Städte und Gemeinden übernahm. Die GmbH hatte ausschließlich kommunale Gesellschafter. Darunter die Stadt D., die den Steuerpflichtigen durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung als Vertreter in den Aufsichtsrat entsandte. Für seine Tätigkeit im Aufsichtsrat erhielt der Steuerpflichtige eine Aufwandsentschädigung in Höhe von EUR 620. Diese richtete sich der Höhe nach zwar nach der gemeindlichen Satzung der Stadt D., wurde aber von der GmbH gezahlt.

Unstreitig war, dass die Einkünfte aus der Aufsichtsratstätigkeit den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzuordnen sind. Auch war unstreitig, dass die Tätigkeit als Aufsichtsrat nebenberuflich ausgeübt wurde.

Argumentation des Finanzamts

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Steuerpflichtige die Steuerbefreiung vorliegend nicht in Anspruch nehmen könne. Er wäre nicht im Auftrag der Stadt D. und damit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, sondern im Dienst der GmbH und somit einer juristischen Person des Privatrechts tätig gewesen. Entsprechend müsste die GmbH zur Inanspruchnahme des § 3 Nr. 26a EStG entsprechend dem Wortlaut desselben gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der §§ 52-54 AO fördern. Dies sei nicht gegeben.

BFH folgt der Vorinstanz und weist die Auffassung des Finanzamts zurück

Der BFH entschied hingegen zugunsten des Steuerpflichtigen und folgte damit der Auffassung des vorinstanzlichen Finanzgerichts. Demnach gilt die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG auch dann, wenn die Vergütung für eine nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeit von einer GmbH gezahlt wird, sofern die Tätigkeit im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ausgeübt wird. Im Einzelnen urteilte der BFH Folgendes:

  1. Vertretung im Auftrag der Stadt D.: Der Steuerpflichtige handelte im Auftrag der Stadt D., da er durch einen formellen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung entsandt wurde. Nach außen trat er als Vertreter der Stadt auf. Dass die Vergütung von der GmbH gezahlt wurde, ist dabei unerheblich.
  2. Keine Zusatzprüfung für juristische Personen des öffentlichen Rechts: Für die Steuerbefreiung ist es nicht erforderlich, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der Abgabenordnung (§§ 52–54 AO) verfolgen. Entscheidend ist allein, dass die Tätigkeit im Auftrag einer solchen juristischen Person erfolgt.
  3. Teleologische Auslegung: Der BFH betonte, dass die Vorschrift des § 3 Nr. 26a EStG dazu dient, bürgerschaftliches Engagement zu fördern. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs wäre nicht im Sinne des Gesetzgebers.

Fazit

Das besprochene Urteil stellt eine wichtige Klarstellung zur Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG dar und hat weitreichende Bedeutung für die steuerliche Behandlung von ehrenamtlichen Tätigkeiten im öffentlichen Bereich. Es bestätigt, dass ehrenamtliche Tätigkeiten im Auftrag juristischer Personen des öffentlichen Rechts steuerlich begünstigt werden, unabhängig davon, ob die Tätigkeit innerhalb einer privatrechtlichen Organisation ausgeübt oder von dieser vergütet wird.

Hinweis

Die besprochene Entscheidung wurde bisher nicht im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht. Dort nicht veröffentlichte Urteile sind zwar nicht zwingend durch die Finanzverwaltung über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden, können aber dennoch als Argumentationshilfe in steuerlichen Verfahren herangezogen werden.

AutorInnen: StBin Gabriele Kirchhof, StB Annika Wölky