Auflösung einer § 6b-Rücklage: Gewinnzuschlag verfassungsgemäß

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Bei Ausbleiben einer Reinvestition entsteht auf eine zuvor gebildete (und bei Ablauf der Reinvestitionsfrist aufzulösende) § 6b-Rücklage ein Gewinnzuschlag. Der BFH hält die gesetzlich typisierte Zuschlagshöhe von 6 Prozent pro Jahr auch bei anhaltend niedrigem Zinsniveau für verfassungsgemäß. Verfassungsrechtliche Bedenken auch vor dem Hintergrund der BVerfG-Rechtsprechung zur steuerlichen Vollverzinsung wies er zurück.  

Unter gewissen Voraussetzungen gewährt § 6b EStG die Möglichkeit eines Steueraufschubs, entweder in Form der Übertragung realisierter stiller Reserven aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter (insbesondere Grund und Boden und Gebäude) auf ein angeschafftes oder hergestelltes Wirtschaftsgut (sog. Ersatzwirtschaftsgut) oder durch Bildung einer den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklage für eine künftige Reinvestition. Sofern eine solche jedoch innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von 4 bzw. 6 Jahren unterbleibt, ist die Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen und um einen Gewinnzuschlag i.H.v. 6 Prozent des Rücklagenbetrags für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, zu erhöhen. 

Gegen die pauschale Höhe des Zuschlags i.H.v. 6 Prozent sieht der BFH auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 20.03.2025, VI R 20/23). Der BFH begründet dies u.a. mit der Zielrichtung der Norm. § 6b EStG ist eine Lenkungsnorm mit Subventionscharakter. Mit dem Gewinnzuschlag will der Gesetzgeber im Falle einer ausbleibenden Reinvestition den durch die Bildung der Rücklage im Laufe des Reinvestitionszeitraums entstandenen (Steuerstundungs-)Vorteil des Steuerpflichtigen rückgängig machen, da keine wirtschaftspolitische Notwendigkeit mehr besteht, dem Steuerpflichtigen den durch die Bildung der Rücklage eingetretenen ("Zins")Vorteil zu belassen. Auch dient der Zuschlag der Vermeidung von Mitnahmeeffekten durch „missbräuchliche Inanspruchnahme“ des Rücklagenwahlrechts. Eben dieser Lenkungszweck erlaube dem Gesetzgeber eine pauschale Bestimmung des Zuschlags mit 6 Prozent unabhängig von der Höhe des eigentlichen (Stundungs-)Vorteils des Steuerpflichtigen.  

Auch lehnt der BFH eine Übertragbarkeit der Grundsätze der BVerfG-Rechtsprechung zur steuerlichen Vollverzinsung nach § 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO (Beschlüsse vom 08.07.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17) mangels Vergleichbarkeit von Gewinnzuschlag und Nachzahlungszinsen ab. Durch die Regelung des § 6b EStG hat der Steuerpflichtige die Wahl, eine Gewinnrücklage zu bilden, den damit einhergehenden Stundungsvorteil in Anspruch zu nehmen und später in ein Ersatzwirtschaftsgut zu investieren oder aber nach Bildung der Rücklage von einer Reinvestition Abstand zu nehmen – allerdings nur unter Berücksichtigung eines Gewinnzuschlags. Das bedeutet, das Entstehen des Gewinnzuschlags hängt laut BFH allein vom Verhalten des Steuerpflichtigen ab und ist somit keine gesetzliche (für Steuerpflichtige unausweichliche) Zinssatztypisierung.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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