Die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG (sog. Konzernklausel) führt regelmäßig zu Streitfällen zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen. In einem Paket aus drei Urteilen äußerte sich nun der BFH zu den Voraussetzungen, unter denen eine Steuerbefreiung zu gewähren ist und schafft mehr Klarheit. Im Fokus stehen dabei die Fragen, in welchen Fällen auf das Einhalten der Vor- bzw. Nachbehaltensfrist verzichtet werden kann und welche Vorgänge konzerninterner Restrukturierungen überhaupt vom Anwendungsbereich der Steuerbefreiung erfasst sind.
§ 6a GrEStG sieht eine Steuerbegünstigung für Umstrukturierungsvorgänge im Konzern vor. Die Steuerbegünstigung kann u.a. dann in Anspruch genommen werden, wenn an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Damit eine Gesellschaft als abhängig qualifiziert, muss das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang (Nachbehaltensfrist) ununterbrochen zu mindestens 95 Prozent an der Gesellschaft (un)mittelbar beteiligt sein.
Im Jahr 2020 hat der BFH zu einigen Auslegungsfragen des § 6a GrEStG Stellung genommen und u.a. entschieden, dass die Vor- und Nachbehaltensfristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch rechtlich eingehalten werden können. In Reaktion auf die Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung die Urteile im Bundessteuerblatt veröffentlicht und in ihren Anwendungserlass eingearbeitet (Gleich lautende Ländererlasse v. 25.05.2023). Der BFH hat sich nun in drei Urteilen kritisch mit weiteren Anwendungsfragen der Konzernklausel auseinandergesetzt.
Ausgliederung zur Neugründung (BFH-Urteil v. 25.09.2024, II R 2/22)
Im konkreten Fall wurde im Zuge einer Ausgliederung zur Neugründung ein inländisches Grundstück eines Einzelunternehmens auf eine neu gegründete Kapitalgesellschaft übertragen. Der Einzelunternehmer wurde Alleingesellschafter der Kapitalgesellschaft. Streitig war, ob der Vorgang gemäß der Konzernklausel des § 6a GrEStG steuerbegünstigt ist.
Unter Zugrundelegung seiner bislang ergangenen Rechtsprechung, insbesondere seinem Urteil vom 21.08.2019 (II R 15/19), sei der Vorgang gemäß § 6a GrEStG begünstigt. Dass die Vorbehaltensfrist im konkreten Fall nicht eingehalten wurde, sei unschädlich und stehe der Begünstigung nicht entgegen. Eine vor der Umwandlung (noch) nicht existente Gesellschaft könne im Falle der Ausgliederung zur Neugründung die zeitliche Voraussetzung der Abhängigkeit, d.h. das Einhalten der Vorbehaltensfrist, aus rechtlichen Gründen nicht erfüllen. Grundsätzlich müsse bei einer Verschmelzung nur die Vorbehaltensfrist und bei einer Abspaltung bzw. Ausgliederung zur Neugründung nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden.
Auch bestätigte der BFH, dass der frühere Einzelkaufmann als Alleingesellschafter der Kapitalgesellschaft diese beherrscht. Durch die Ausgliederung zur Neugründung erlischt das Einzelunternehmen, weshalb dieses nicht weiter an der Kapitalgesellschaft beteiligt sein kann, wohl aber der frühere Einzelkaufmann. Bereits im Fall II R 15/19 bestätigte der BFH bei einer Verschmelzung durch Aufnahme einer Kapitalgesellschaft auf den Alleingesellschafter bzw. sein Einzelunternehmen, dass der Alleingesellschafter ein herrschendes Unternehmen i.S.d. Norm sein kann. Für den hier vorliegenden umgekehrten Fall der Ausgliederung zur Neugründung kann laut BFH nichts anderes gelten.
Einbringung von Kommanditanteilen in kurz zuvor erworbene Vorrats-GmbH (BFH-Urteil v. 25.09.2024, II R 46/22)
Im Streitfall erwarben die Kommanditisten einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG jeweils eine eigene Vorrats-GmbH. Im darauffolgenden Jahr brachten die Kommanditisten ihre jeweiligen Beteiligungen an der grundbesitzenden Personengesellschaft im Wege der Sachkapitalerhöhung in ihre jeweilige Vorrats-GmbH ein (Vorgang gem. § 20 ff. UmwStG). Einigkeit unter den Betroffenen bestand darin, dass mit der Einbringung ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht wurde. Entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen sei dieser laut BFH auch grunderwerbsteuerpflichtig, da die Konzernklausel des § 6a GrEStG nicht greife. Zwar liege ein vom Anwendungsbereich des § 6a GrEStG erfasster Vorgang vor. Jedoch sei im Gegensatz zur Ausgliederung zur Neugründung in einem solchen Fall der „wirtschaftlichen Neugründung“ die Vorbehaltensfrist einzuhalten, was im vorliegenden Sachverhalt nicht gegeben war. Für Zwecke der Grunderwerbsteuer sei die zivilrechtliche Existenz der jeweiligen Vorrats-GmbH ausschlaggebend, denn die Teilnahme am Rechtsverkehr und der Erwerb ihrer Anteile waren bereits möglich. Laut BFH liegt daher gerade keine Vergleichbarkeit zu den Umwandlungsvorgängen vor, im Zuge derer eine Neugründung der Gesellschaft erfolgt. Denn in diesen Fällen ist die Erfüllung der Vorbehaltensfrist umwandlungsrechtlich nicht möglich.
Darüber hinaus stellte der BFH klar, dass ein mangelnder Missbrauch nicht ausreiche, um die Anwendbarkeit des § 6a GrEStG herbeizuführen.
Frage der Anwendung des § 6a GrEStG bei Anteilsübertragungen im Ausland (BFH-Urteil v. 25.09.2024, II R 36/21)
Im Streitfall übertrug eine ausländische Mutterkapitalgesellschaft im Jahr 2010 Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die ihrerseits mittelbar an ausländischen Gesellschaften mit inländischem Grundbesitz beteiligt war, auf eine nach dem Recht der britischen Jungferninseln neu gegründete Kapitalgesellschaft (Verlängerung der Beteiligungskette).
Nach Ansicht des BFH liegt ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG vor, auch wenn sich unter wirtschaftlicher Betrachtung die Grundstückszuordnung nicht ändere. Entscheidend sei, dass die Grundstücke mit der Anteilsübertragung (mittelbar) dem Vermögen der neugegründeten Kapitalgesellschaft erstmalig zugeordnet werden. Weiter verneinte der BFH auch die Steuerbegünstigung des § 6a GrEStG, da der Vorgang im vorliegenden Fall (Einzelrechtsnachfolge, symbolische Gegenleistung) keine „entsprechende Umwandlung“ i.S.d. § 6a Satz 2 GrEStG a.F. darstelle. Dem der Sachverhalt zugrundliegende Wortlaut der Norm erfasste im Streitjahr nur Vorgänge, die vom Umwandlungsgesetz gedeckt sind. Seit dem Jahr 2013 erfasst die Norm des § 6a GrEStG auch ausgewählte Vorgänge außerhalb des UmwG, insbesondere Einbringungsvorgänge oder andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage. Dies gilt gem. § 6a Satz 2 GrEStG seit dem Jahr 2014 auch für EU/EWR-Fälle. Die damaligen Gesetzesänderungen waren erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 06.06.2013 verwirklicht worden sind.
Darüber hinaus kam der BFH zu dem Schluss, dass weder § 1 Abs. 3 GrEStG gegen die Kapitalansammlungsrichtlinie noch die Nichtanwendung des § 6a GrEStG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit verstoße.
Daher sah der BFH von einer Vorlage an den EuGH ab.
Die Volltexte der Urteile stehen Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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