EU tritt auf die Bremse: „Faktisches Aus“ für Verrechnungspreis- und Unshell-Richtlinie

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Der Rat der Europäischen Union Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) hält in seiner letzten Sitzung unter polnischem Vorsitz fest, dass die Arbeiten an der Verrechnungspreisrichtlinie und der Richtlinie gegen die missbräuchliche Nutzung von Briefkastenfirmen („ATAD 3“/“UNSHELL“) eingestellt werden.  

Zeit des polnischen Vorsitzes im Rat der Europäischen Union neigt sich dem Ende. Ab dem 01.07.2025 wird die dänische Delegation diese Aufgabe übernehmen. Im Rahmen der letzten ECOFIN-Tagung am 20.06.2025 billigte der Rat einen Bericht zu Steuerfragen. Neben der Erwähnung von bereits Erreichtem, wird auch darauf eingegangen, welche Initiativen gestoppt werden. 

Die „Unshell“-Initiative 

Am 22.12.2021 veröffentlichte die EU-Kommission einen Richtlinienentwurf zur missbräuchlichen Nutzung sog. „Briefkastenfirmen“ oder „Shell Entities“, die in der EU ansässig sind (UNSHELL-Initiative oder ATAD 3). Der Richtlinienentwurf zielt darauf ab, einen EU-weiten Rechtsrahmen einzuführen, der bei der Identifizierung von EU-Unternehmen unterstützt, die zwar in der EU ansässig sind und eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, aber über keine Substanz verfügen und aufgrund dessen Steuervorteile erlangen (sog. „Briefkastenfirmen“).

Wenngleich die Mitgliedstaaten die Ziele des Richtlinienentwurfs befürworteten, konnte seit Veröffentlichung des Richtlinienentwurfs keine Einigung über die wesentlichen Punkte, beispielsweise Interdependenzen zu nationalen Missbrauchsvermeidungsvorschriften, erzielt werden. Im Juni 2024 wurde den Mitgliedstaaten ein neuer Ansatz vorgestellt, der in seiner Ausgestaltung eine Reihe von Überschneidungen zur Richtlinie über meldepflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltungen (DAC 6) aufweist. Im Einklang mit der vom ECOFIN gebilligten Agenda zur Straffung und Vereinfachung der Steuervorschriften zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit der EU ist der Rat zu der Erkenntnis gelangt, dass die „Unshell“-Initiative in bisheriger Form nicht fortgesetzt werden sollte. Dadurch soll zusätzlicher Verwaltungs- und Regelungsaufwand für die Verwaltungen und unverhältnismäßige Umsetzungskosten für die Steuerpflichtigen vermieden werden. Inwieweit in der Zukunft eine Anpassung der DAC 6 Regelungen erfolgen könnte, um die Ziele der „Unshell“-Initiative weiterzuverfolgen, bleibt offen. 

Entwurf einer Verrechnungspreisrichtlinie

Mit dem am 12.09.2023 veröffentlichten Entwurf einer Verrechnungspreisrichtlinie erhoffte sich die Europäische Kommission einen signifikanten Rückgang von Verrechnungspreisstreitigkeiten und eine deutliche Reduzierung der bislang ständig zunehmenden Verständigungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten. Um Unterschiede in der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes entgegenzuwirken, zielte der Richtlinienvorschlag konkret darauf ab, diesen im EU-Recht zu etablieren und die Bestimmung fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise durch verbindliche Regeln innerhalb der EU sowie einen verbindlichen Verweis auf die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien zu vereinfachen (vgl. EY Steuernachricht vom 14.09.2023).

Seit Veröffentlichung des Richtlinienentwurfs zeichneten sich jedoch erhebliche Bedenken der Mitgliedstaaten gegenüber dem Vorschlag ab, sodass der ECOFIN nun in seiner letzten Sitzung unter der polnischen Ratspräsidentschaft eine Einigung des Richtlinienentwurfs als unwahrscheinlich einstufte. Anstatt einen solchen Konsens innerhalb der EU mittels einer rechtlich-bindenden Richtlinie zu regeln, zeichnet sich nun eine höhere Bereitschaft der Mitgliedstaaten gegenüber der Idee ab, eine nicht-rechtlich bindende, EU—weit abgestimmte Lösung unter Berücksichtigung bestehender Praxisprobleme mittels einer von der Europäischen Kommission eingerichteten sog. Verrechnungspreisplattform auszuarbeiten. Eine solche EU-Lösung soll zudem im Einklang mit den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien stehen. Durch die Abkehr von einer rechtlich-bindenden Richtlinie bleibt damit die Festlegung der Rechtsgrundlagen im Verrechnungspreisbereich weiterhin allein in der Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten. 

Betroffene Unternehmen sollten die weiteren Entwicklungen beobachten.

Der Bericht des Rates (Wirtschaft und Finanzen) zu Steuerfragen der Tagung vom 20.06.2025 steht Ihnen auf der Internetseite der EU zur Verfügung. 

Direkt zum Bericht kommen Sie hier.