Für den Erwerb von begünstigtem Betriebsvermögen sieht das Schenkung- und Erbschaftsteuergesetz unter bestimmten Voraussetzungen Steuerbefreiungen vor. So kann bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen gemäß § 13a Abs. 1 i.V.m. § 13b Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 ErbStG ein Verschonungsabschlag von 85 Prozent gewährt werden (Regelverschonung). Zudem besteht gemäß § 13a Abs. 10 ErbStG (§ 13a Abs. 8 ErbStG i.d.F. 2013) die Möglichkeit, eine Vollverschonung von 100 Prozent durch eine unwiderrufliche Optionserklärung zu beantragen (Optionsverschonung). Für die Ausübung dieser Option ist im Gesetz keine Frist vorgesehen. Insbesondere vor dem Hintergrund der sogenannten Optionsfalle äußerte sich auch die Finanzverwaltung zu den komplexen Voraussetzungen und Folgen eines solchen Antrags (Gleich lautende Erlasse vom 22.12.2023, vgl. EY-Steuernachrichten vom 08.02.2024).
Grundsätzlich ist nach der BFH-Rechtsprechung die Ausübung von nicht fristgebundenen Wahlrechten so lange möglich, wie der entsprechende Steuerbescheid nicht formell und materiell bestandskräftig ist. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist ein Antrag bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft möglich (vgl. ErbStR E 13a.21 Abs. 2 Satz 2). Im nun dem BFH vorliegenden Fall war der ursprüngliche Schenkungsteuerbescheid bereits bestandskräftig. Erst später wurde ein geänderter Feststellungsbescheid über Unternehmenswerte erlassen, der gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu einer Änderung der Steuerfestsetzung führte. Fraglich war, ob im Rahmen dieses Änderungsverfahrens erstmals die Option zur Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. (in der Fassung von 2013) beantragt werden konnte. Der BFH bejahte die Frage. Allerdings kann die Optionsverschonung im Rahmen eines späteren Änderungsbescheids nur insoweit berücksichtigt werden, wie die steuerlichen Auswirkungen innerhalb des durch die Änderung eröffneten Rahmens gemäß § 351 Abs. 1 AO (Änderungsrahmen) bleiben.
Für den BFH hat die Bindungswirkung nach § 351 Abs. 1 AO dabei nicht zur Folge, dass die Verschonung, wenn sie den Änderungsrahmen verlässt, insgesamt zu versagen ist. § 351 AO enthalte lediglich eine quantitative Begrenzung. Eine qualitative Sperre bestehe nicht. Die Optionserklärung kann also teilweise steuerwirksam werden, ohne dass sie insgesamt versagt werden müsste. Ein „Alles-oder-nichts-Prinzip“ gilt damit für den BFH nicht (BFH, Urteil vom 11.12.2024, II R 44/21).
Das BFH-Urteil zeigt erneut, dass bei der Optionsausübung besondere Sorgfalt geboten ist. Insbesondere sind neben der zeitlichen Prüfung des Antrags auch die sachlichen Voraussetzungen der Vollverschonung zu prüfen, um nicht in die sog. Optionsfalle zu geraten.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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