Im konkreten Sachverhalt betrieb eine GmbH & Co. KG einen Offshore-Windpark in der (gemeindefreien) Nordsee vor der Küste Niedersachsens. Die Geschäftsleitung befand sich in einer Gemeinde auf dem Festland. Zwischen dieser Festlands-Gemeinde und dem Land Niedersachsen stand die Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrags in Streit. Das Land Niedersachsen stützte sich dabei auf eine landesgesetzliche Regelung zur Zuweisung von Gewerbesteuer aus gemeindefreien Betriebsstätten an das Land (§ 1 Abs. 1 GGrStGfGebV ND, gestützt auf § 4 Abs. 2 GewStG). Nach dem sog. 70/30 Split entfiel im Streitjahr (jetzt 90/10 Split) 70 Prozent auf die Betriebsstätte Windpark und 30 Prozent auf die Geschäftsleitungsbetriebsstätte. Da der Windpark in einem gemeindefreien Gebiet (Küstenmeer) lag, wies das Finanzamt per Zerlegungsbescheid aufgrund der o.g. Verordnung den 70-Prozent-Anteil dem Land Niedersachsen zu. Dieser vorgenommenen Zuweisung an das Land Niedersachsen folgte der BFH jedoch nicht.
Der konkret betroffene Offshore-Windpark liegt innerhalb des in der Nordsee auf 12 Seemeilen begrenzten deutschen Küstenmeers. Aufgrund seines völkerrechtlichen Verständnisses des Inlandsbegriffes des § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG bejahte der BFH das Vorliegen einer inländischen (jedoch gemeindefreien) Betriebsstätte. Nicht geäußert hatte sich der BFH damit zur Beurteilung von außerhalb der 12 Seemeilen-Zone befindlichen Windparks. Neben der Geschäftsleitungs-Betriebsstätte in der Festlands-Gemeinde sah der BFH keine weitere Betriebsstätte, so dass der BFH mangels zweier Gemeinden keine Zerlegung (zwischen mehreren Gemeinden) nach § 4 Abs. 1 GewStG vornahm.
Bei Vorliegen gemeindefreier Betriebsstätten besteht in § 4 Abs. 2 GewStG zwar eine Verordnungsermächtigung für Landesregierungen, Regelungen zur Zuordnung zu treffen. Diese Ermächtigung legt der BFH aber verfassungskonform dahingehend aus, dass die Zuteilung nur an Gemeinden und nicht an Bundesländer erfolgen darf. Hauptgrund ist dabei für den BFH die durch das Grundgesetz normierte Finanzverfassung (Art. 106 GG). Danach stehe das Gewerbesteueraufkommen ausschließlich den Gemeinden zu. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn im betreffenden Land keine Gemeinden bestehen (für die Stadtstaaten Berlin und Hamburg, wobei der BFH Bremen wohl aufgrund der Gemeinde Bremerhaven ausschließt). Auch aus Art. 106 Abs. 6 Satz 4 u. 5 GG (Möglichkeit einer Gewerbesteuer-Umlage zugunsten von Bund und Ländern) könne keine Ertragshoheit eines Landes abgeleitet werden. Eine solche Umlage begründe lediglich einen Anspruch des Bundes oder Landes gegenüber der Gemeinde, nicht jedoch eine eigenständige Ertragshoheit. Demnach biete auch die Niedersächsische Landes-Verordnung insoweit keine rechtmäßige Grundlage für eine Zuteilung von Gewerbesteuer an das Land Niedersachsen.
Der BFH teilte den gesamten Gewerbesteuer-Messbetrag damit der (allein hebeberechtigten) Festlands-Gemeinde zu und verpflichtete das Finanzamt zum Erlass eines entsprechenden Zuteilungsbescheides (BFH-Urteil vom 03.12.2024, IV R 5/22).
In seinem Urteil ist dem BFH durchaus bewusst, dass wegen dem im Gewerbesteuerrecht zu berücksichtigenden Äquivalenzprinzips gerade in großen Flächenländern die Frage schwierig zu beantworten ist, welche (Küsten-)Gemeinde(n) das Gewerbesteueraufkommen für die betreffenden Gebiete zum Ausgleich der damit verbundenen Lasten erhalten soll(en). Eine Beantwortung durch entsprechende Regelungen müsse allerdings auf einem verfassungsrechtlich zulässigen Weg verfolgt werden. Für den BFH erscheint es dabei gegebenenfalls nicht sachgerecht, der Geschäftsleitungs-Gemeinde den gesamten Gewerbesteuermessbetrag zuzuweisen. Neben Niedersachsen haben auch die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ähnliche Verordnungen erlassen. Die Ausführungen des BFH dürften über die hier vorliegende Konstellation eines Offshore-Windparks hinaus auch für weitere Konstellationen unter Beteiligung von gemeindefreien Gebieten von Bedeutung sein.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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