Wenn das Erlebnis den Einkauf von Verbrauchern bestimmt, was sollten Einzelhändler verkaufen?

Von Dr. Ludwig Voll

Partner, Strategie, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Stratege. Digital-Enthusiast. Einzelhandels-Pragmatiker. Manchmal der Hofnarr. Immer stolzer Vater.

13 Minuten Lesezeit 1 April 2022

Das Metaversum entwickelt sich zu einem neuen Raum für Einzelhändler, der die physische und die virtuelle Welt miteinander verbindet, um neue Einkaufserlebnisse zu bieten.

Überblick
  • Verbraucher erwarten, dass ihnen der Einzelhandel ein einheitliches physisches und digitales Erlebnis bietet.
  • Einzelhändler brauchen ein neues, kanalübergreifendes Modell, das mithilfe der gewonnenen Daten dieses einheitliche Erlebnis für den Verbraucher in jeder Umgebung schafft.

Die Ergebnisse des EY Future Consumer Index haben gezeigt, dass die Pandemie einige grundlegende Veränderungen im Kaufverhalten der Verbraucher beschleunigt hat:

  • 44 Prozent planen, Einkäufe zusammenzulegen und weniger häufig einzukaufen.
  • 36 Prozent werden ihre Einkäufe vermehrt online erledigen und nur noch Geschäfte besuchen, die ein tolles Einkaufserlebnis bieten.
  • 43 Prozent werden mehr bei lokalen, kleinen Geschäften einkaufen.

Welche Folgen hat die Pandemie für den Einzelhandel? Im Wesentlichen geht es um die Schaffung eines Umfeldes, das dem Wunsch der Verbraucher nach einem einheitlichen physischen und digitalen Einkaufserlebniss nachkommt, ohne zwischen beiden Kanälen zu unterscheiden.

Wir können diese Denkweise jeden Tag beobachten. Wenn Verbraucher sich in einem Geschäft wohlfühlen, möchten sie auch weiterhin vor Ort stöbern können. Oder sie möchten online bestellen und sich ihre Artikel nach Hause bzw. zur Arbeit liefern lassen oder per Click & Collect bestellen und abholen. Oder sie wollen Social Shopping auf Instagram betreiben. Oder diese Optionen beliebig miteinander kombinieren.

Die Möglichkeiten sind endlos und erstrecken sich über alle Kanäle und Kauferfahrungen – eine Welt, in der sowohl der stationäre als auch der Online-Handel eine Rolle spielen und keiner den anderen vollständig ersetzt. Die Verbraucher sehen diese Kanäle nicht als getrennt oder unterschiedlich an, sondern nur als verschiedene Aspekte ihres Alltagslebens.

Einzelhändlern und Marken eröffnet sich damit eine ganz neue Welt: Das Metaversum beginnt, sich als neuer Raum zu entwickeln, der die physische und die virtuelle Welt miteinander verbindet, um völlig unterschiedliche Erfahrungen zu ermöglichen.

Willkommen im „Metakanal“

Einzelhändler, die beim Verbraucher punkten wollen, müssen neue Werte für ihre Kunden schaffen, die über den reinen Verkauf von Ware hinausgehen. Die Einzelhandelsflächen der Zukunft werden physische und digitale Bereiche miteinander verschmelzen und Verbraucher brauchen einen überzeugenden Grund für ihren Besuch, der ihr Bedürfnis nach Erlebnis befriedigt.

Einzelhändler können dies erreichen, indem sie über eine „Omnichannel“-Strategie – überall präsent – hinausgehen und eine neue „Metakanal“-Strategie verfolgen – überall integriert. Es handelt sich um ein Modell, bei dem Einzelhändler nicht länger in einer polarisierten Art und Weise über unterschiedliche digitale und physische Kanäle oder Erlebnisse nachdenken. Stattdessen nutzen sie Daten, um Erlebnisse für den Verbraucher neu zu konzipieren, zu integrieren, zu koordinieren und zu verschmelzen, unabhängig davon, in welchem Kontext die Interaktion stattfindet. Im Ergebnis ergänzen sich physische und digitale Räume, um Erlebnisse zu schaffen, die weitaus mehr Wert bieten als ein einzelner Kanal für sich allein – bis zu dem Punkt, an dem die Unterscheidung zwischen den Kanälen bedeutungslos wird.

Andere Dinge werden sich hingegen nie verändern. In allen Bereichen, egal wo, werden Einzelhändler weiterhin Markenerlebnisse schaffen, um die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen zu steigern. Unabhängig davon, ob es sich um physische oder digitale Interaktionen handelt, müssen sie Welten schaffen, die gerne besucht werden. Marktanteil und Anteil an dem jeweiligen Kundenbudget („share of wallet”) weichen zunehmend dem Anteil an Aufmerksamkeit. Gewinnt ein Unternehmen nicht die Aufmerksamkeit von Verbrauchern und Algorithmen, wird es generell scheitern. Das Metaversum verstärkt nur noch die Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Verbraucher, indem es einen Raum bietet, den Kunden wahlweise je nach Stimmung, ihrem Lebensabschnitt und dem angebotenen Erlebnis aufsuchen (und dort einkaufen) oder eben nicht.

Wie physische Räume neu gestaltet werden könnten

Da die Pandemie den Online-Einkauf und die Lieferung nach Hause noch gefördert hat, hat die traditionelle Rolle des physischen Einzelhandels weiterhin an Bedeutung verloren und wird nie wieder die gleiche sein wie früher. Deshalb müssen stationäre Geschäfte in der Lage sein, einen anderen Zweck zu erfüllen, der für Kunden genauso wichtig ist.

Einzelhändler sollten flexible, multifunktionale physische Räume schaffen, in denen Produkte präsentiert werden, die über jeden beliebigen Kanal gekauft werden können. Zusätzlich kann dort auch eine Reihe verschiedener Dienstleistungen und Veranstaltungen stattfinden, die die Verbraucher zum Besuch, zum Verweilen und zum Kauf inspirieren. Ob Community-Events, Freizeit, Arbeitsräume, Lifestyle, Sport oder Lernen – die Möglichkeiten sind endlos. Die Gemeinsamkeit der Angebote besteht darin, dass sie ein Bedürfnis oder einen Zweck erfüllen und einzigartige Erlebnisse bieten, die den Einzelhandelsraum relevant, dynamisch und attraktiv machen.

Dies ist eine große Veränderung in der Art und Weise, wie physischer Raum Mehrwert schaffen kann. Für Einzelhändler bedeutet das, dass sie die Rolle ihrer Flächen und das Erlebnis, das sie bieten können, ganzheitlich betrachten müssen. Wenn der Zweck und das Erlebnis für den einzelnen Verbraucher stimmen, wird die eigentliche Transaktion zu einem Nebenprodukt des Aufenthalts. Es gibt bereits viele Beispiele für Einzelhändler, die so erfolgreich sind, z. B. House of VANS Skateparks, Nike Unite Community Stores oder Lebensmitteleinzelhändler auf der ganzen Welt, die in ihren Geschäften Kochkurse anbieten.

Die Verbraucher betrachten die Kanäle nicht als getrennt oder unterschiedlich, sondern einfach als einen jeweils weiteren Bestandteil ihres Alltags.
Dr. Ludwig Voll
Partner, Strategie, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Wie der digitale Raum neu gestaltet wird

Wenn das die Zukunft für physische Flächen ist, wie sieht es dann mit ihren digitalen Pendants aus? Die Neugestaltung digitaler Einzelhandelsflächen folgt demselben Prinzip: den Menschen einen Grund zu geben, diese Räume zu besuchen und dort Zeit zu verbringen.

Diese Entwicklung ist bereits im Gang, denn das Online-Einkaufsverhalten der Verbraucher entwickelt sich Hand in Hand mit den zunehmenden digitalen Möglichkeiten und Erfahrungen. Die steigende Akzeptanz von Social Shopping, Squad Shopping, Shoppable Streaming, Instagram-Einkäufen, In-Game-Käufen und vielem mehr sind Beispiele dafür.

All diese Verhaltensweisen zeigen, dass sich der Online-Kauf in ein Erlebnis wandelt, das in andere Aktivitäten eingebettet ist. Einfach ausgedrückt: Das richtige Erlebnis bedeutet, dass Verbraucher so sehr in das Geschehen eintauchen und sich engagieren, dass sie gar nicht das Gefühl haben, überhaupt einzukaufen. Diese Dynamik und dieses Erlebnis sind mit den Anfängen des Online-Handels nicht mehr vergleichbar.

Wie Einzelhändler das volle Potenzial des Metaversums ausschöpfen können

Eine Ausgestaltung, die noch Zukunftsmusik ist, ist eine dreidimensionale virtuelle Welt, in der Menschen über digitale Avatare interagieren. Das Metaversum bietet spannende Möglichkeiten und wirft gleichzeitig tiefgreifende Fragen auf. Wir befinden uns noch in einem frühen, experimentellen Stadium des Einzelhandels im Metaversum. Trotz der Aufregung, die es in den Medien ausgelöst hat, bleibt das Metaversum für die meisten Verbraucher ein weitgehend fremdes Konzept. Für die wenigen, die sich bisher darauf eingelassen haben, steht es eher für spielerische Markenerlebnisse als für einen grundlegend neuen Ansatz beim Einkaufen. Das Metaversum fühlt sich an wie ein exklusiver Club, in dem Menschen Non-Fungible Tokens oder 3D-Markenräume tauschen, die physische Geschäfte in einer digitalen Umgebung nachbilden.

Einzelhändler, die sich derzeit mit der Umgestaltung veralteter Ladenlayouts oder mit Absprungraten, Zahlungsfehlern und den Kosten für die letzte Meile ihrer E-Commerce-Plattformen herumschlagen, sehen in einem konzeptionellen digitalen Nischenraum vielleicht nicht viel mehr als eine Ablenkung von den eigentlichen Aufgaben. Jetzt zu investieren und zu experimentieren könnte jedoch entscheidend sein, wenn sich das Metaversum in den kommenden Monaten, Jahren und Jahrzehnten weiterentwickelt. So wie sich das Internet von einer pixeligen Neuheit zu einem integralen Bestandteil des täglichen Lebens entwickelt hat, hat das Metaversum das Potenzial, die Art und Weise, wie wir einkaufen, von Grund auf zu verändern.

Die Entwicklung des Metaversums wird einige bedeutende Fragen für Einzelhändler aufwerfen und möglicherweise beantworten, z. B. die folgenden:

  • Wie wird ein Einzelhandelserlebnis in einem dezentralisierten, digitalen 3D-Raum, in den Verbraucher voll eintauchen können, aussehen?
  • Wie wird sich das Sortiment aus physischen und digitalen Produkten zusammensetzen?
  • Wie werden sich Leistungsangebote entwickeln, wenn die digitale und die physische Welt immer mehr miteinander verschmelzen?

Derzeit sind viele virtuelle Stores physischen Geschäften nachempfunden und bieten die Möglichkeit, sich umzusehen und einen Einkaufswagen zu füllen, wie man es in der realen Welt tun würde. Dieser Ansatz wird sich ändern, wenn sich innovative Anwendungsgebiete auftun und sich die Kundeninteraktion intensiviert.

In diesem sich schnell entwickelnden Feld gibt es drei Bereiche, in denen sich für Einzelhändler Chancen bieten:

1. Als Gateway zum Entdecken von Marken fungieren

In einem Raum wie dem Metaversum können Einzelhändler für Verbraucher als Kuratoren für eine Reihe von Marken fungieren und zufällige Entdeckungen ermöglichen, ohne den Kunden zu überfordern. Dies ist keine radikale Abkehr von der Art und Weise, wie viele Einzelhändler heute sowohl physisch als auch online arbeiten, aber es zeigt, dass sie relevant bleiben können, indem sie das richtige Erlebnis rund um Produkte und Dienstleistungen schaffen, Kunden eine gute Auswahl bieten und Marken Zugang zu den Kunden gewähren.

2. Virtuelle Welten ausbauen

Einzelhändler können ihre Präsenz im Metaversum ausbauen, indem sie virtuelle Räume nutzen, um spielerische, soziale oder ereignisorientierte Einkäufe zu fördern, bei denen die Transaktion zur Nebensache wird. So kann das Einkaufen als digitale Schatzsuche oder als Live-Stream-Event gestaltet werden. Marken eröffnen bereits virtuelle Läden in Massen-Multiplayer-Online-Spielen, um von deren zunehmender Beliebtheit zu profitieren, und viele verwischen immer mehr die Grenzen zwischen dem Verkauf physischer und digitaler Produkte im Metaversum. So erkunden Restaurantketten bereits die Möglichkeit, Kunden ein virtuelles Essen in einem virtuellen Restaurant zu verkaufen, während den Gästen gleichzeitig ein reales Essen nach Hause geliefert wird.

3. Zu Mitgestaltern werden

Einzelhändler und Marken können gemeinsam mit Verbrauchern zusammenarbeiten, um eine Welt aus Erlebnis und Produkt zu schaffen, die physische und digitale Räume miteinander verbindet. Dieses Szenario ist noch weitgehend unerprobt. Da Verbraucher aber das Metaversum immer mehr nutzen, um ihre eigenen digitalen Produkte zu entwerfen und zu kreieren, bietet sich die Möglichkeit für Einzelhändler, diese zusammen mit Marken und Herstellern als physische Waren zu produzieren. Ebenso können Einzelhändler und Marken gemeinsam vollständig personalisierte Markenerlebnisse schaffen, die Augmented-Reality-Overlays nutzen, um physische Produkte und Räume zu verbessern. Vieles davon liegt noch in weiter Ferne, doch während es Gestalt annimmt, wirft es tiefgreifende Fragen zum geistigen Eigentum, zu Daten- und Cyberrisiken, zum Markenschutz und vor allem zur Art und Weise der Wertschöpfung für Verbraucher, Marken und Einzelhändler auf.

Die Rolle des Einzelhändlers im Wandel

Für die Verbraucher eröffnet sich damit eine neue Erlebniswelt. Aber auch die Auswirkungen auf die Unternehmen, die an sie verkaufen, sind von großer Bedeutung. Denn unabhängig davon, ob man den physischen Raum, den digitalen Raum oder die Verschmelzung der beiden betrachtet, sind einige grundlegende – und wahrscheinlich dauerhafte – Veränderungen in der jahrhundertealten Beziehung zwischen Einzelhändlern und Marken absehbar.

Bislang waren die Einzelhändler die Torwächter für den Zugang von Marken zum Verbraucher. Doch diese Beziehung verändert sich nun rasant, da sich das künftige Wertversprechen des Einzelhandels auf die Gewinnung der Aufmerksamkeit des Verbrauchers konzentriert. Der Kern dieses neuen Angebots besteht darin, dem Verbraucher ein kuratiertes Markenerlebnis zu verkaufen – wovon wiederum die Marke profitiert.

Dies könnte tiefgreifende Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie Einzelhändler Wert schaffen. Eine Lösung könnte es sein, dass der Einzelhändler nicht länger Marken an Verbraucher verkauft, sondern Verbraucher an Marken. Das wiederum könnte bedeuten, dass die Verbraucher selbst zunehmend zum Produkt werden, auf dem das Geschäftsmodell des Einzelhändlers basiert.

Unabhängigkeit von der Produktmarge erlangen

Diese Umkehrung der Wertschöpfung im Einzelhandel stellt die traditionellen Geschäftsmodelle völlig auf den Kopf. Als Folge müssen Einzelhändler ihren Fokus weg von der Einzelhandelsmarge auf eine breitere Palette von Einnahmequellen ausweiten.

Durch anderen Einsatz ihrer Fähigkeiten haben Einzelhändler das Potenzial, sich zu Portfoliounternehmen zu entwickeln. Sie könnten von einem POS-Portfoliogeschäft (Point of Sale) zu einem Unternehmen werden, das mehrere Rentabilitätsquellen hat – einige davon marginal, andere nicht. Im Laufe der Zeit werden sich nur noch wenige Produktlinien direkt auf die Produktmarge auswirken. Stattdessen setzen sich die Unternehmen aus physischen und virtuellen Vermögenswerten, Einzelhandel, Nicht-Einzelhandel, Produkten, Werbung und datengesteuerten Geschäftsmodellen oder Einnahmequellen zusammen – ein Portfolio, das aus sich gegenseitig unterstützenden Komponenten besteht und insgesamt nachhaltig und profitabel sein muss.

Diese Neukalibrierung eröffnet viele neue Möglichkeiten. Wird ein Einzelhändler versuchen, mit dem Verkauf des Produkts an den Verbraucher Geld zu verdienen? Oder sollte diese Transaktion margenneutral sein und der Händler stattdessen Wert aus den Verbraucherdaten ziehen, die sie beispielsweise durch Treueprogramme gesammelt haben und die für die Marke mehr wert sein können als ein einmaliger Verkauf von Ware?

Umgekehrt ist eine einzelne Komponente des Portfolios z. B. die stationären Geschäfte, für sich allein genommen vielleicht nicht rentabel, kann aber Inputs wie Daten und Beziehungen beisteuern, die die Rentabilität der anderen Komponenten unterstützen. Es lohnt sich also, sie im Mix zu behalten.

Das wird funktionieren, wenn sich die Einzelhändler auf die Bereiche konzentrieren, in denen sie einen Mehrwert schaffen können. Führende Einzelhändler haben mehrere inhärente Kernkompetenzen: Kundenbeziehungen, Kundendaten, physische Räume, Menschen, Online-Assets, Immobilien usw. Sie müssen sicherstellen, dass sie über die erforderlichen digitalen Fähigkeiten verfügen, um diese Komponenten zusammenzuführen und ihr geistiges Eigentum, ihre Backend-Systeme sowie die Cybersicherheit zu verwalten. Sie müssen nun überdenken, wie sie diese Fähigkeiten einsetzen und davon profitieren können, um den größten Nutzen für sich selbst, ihre Kunden und ihre Markenpartner zu erzielen.

Vergessen Sie Filialen, bedenken Sie den gesamten Gestaltungsraum

Damit Einzelhändler die Zukunft in einer sich schnell und oft unerwartet verändernden Welt meistern können, müssen sie ihre Kanalstrategien nicht mehr auf „Filialen“ und „E-Commerce“ beschränken. Stattdessen werden sie ihren Kanalansatz ganzheitlich auf „Räume“ ausrichten. Dabei kann es sich um physische, digitale, virtuelle oder gemischte Räume handeln, die alle zu einer „Metakanal“-Perspektive zusammengeführt werden.

Im Folgenden finden Sie drei wichtige Punkte, die Einzelhändler bei der Entwicklung dieser Strategie berücksichtigen sollten:

1. Verfolgen Sie einen systemischen Ansatz, um zu verstehen, welchen Mehrwert Ihre Räume bieten können

Herkömmliche KPIs wie der Umsatz pro Quadratmeter sind kein Indikator mehr für den Wert, den eine Fläche dem Unternehmen bringen kann. Einzelhändler sind mit diesem Konzept vertraut und setzen seit Jahrzehnten Verlustbringer ein, um die Besucherzahlen in ihren Geschäften zu erhöhen. Jetzt müssen sie einen Schritt weiter gehen und den Wert, den eine Fläche für ihr Geschäft bringt, ganzheitlich betrachten. Ein Geschäft bringt vielleicht kein Geld ein, aber der Wert der Daten, die es generiert, kann zu alternativen Einnahmequellen führen. In ähnlicher Weise könnte eine Präsenz im Metaversum eine kostspielige Ablenkung sein, aber sie könnte auch den Grundstein für eine viel größere Chance legen, die die Rentabilität der physischen Räume von morgen sichern kann.

2. Nicht stillstehen, sondern experimentieren

Viel zu lange wurden die von Einzelhändlern angebotenen Erlebnisse durch ihr Kerngeschäft, den Verkauf von Produkten an Konsumenten, bestimmt. Jetzt können Einzelhändler diese Beziehung entkoppeln und neue Erlebniswelten erforschen, die nur durch ihre Vorstellungskraft und ihr Budget begrenzt sind. Das soll nicht heißen, dass Einzelhändler in große, verlustbringende Konzepte investieren sollten, aber sie sollten jetzt aus ihrer Komfortzone heraustreten und sehen, was alles möglich ist, wenn man mit einem unbeschriebenen Blatt beginnt.

3. Verstehen, was und an wen Sie verkaufen

Die Einzelhändler von heute kaufen Produkte von Herstellern und verkaufen sie an Kunden. In dieser Wertschöpfungskette sind sie kaum mehr als Transaktionsvermittler. Das mag Hunderte von Jahren funktioniert haben, aber es wird nicht ewig funktionieren. Eine Handlungsoption besteht darin, dass die Einzelhändler von morgen ihre Erkenntnisse über die Verbraucher an die Markenhersteller zurückverkaufen, entweder in Form von Daten oder von Provisionen auf die von ihnen verkauften Produkte. Sie könnten auch Dienstleistungen, Zeit, Veranstaltungen oder Erlebnisse an die Verbraucher verkaufen. Bei der Überlegung, wie sie ihren Raum am besten nutzen können, müssen die Einzelhändler auch überlegen, wie sie den größten Wert für alle schaffen können.

Fazit

Die Pandemie hat viele Veränderungen im Kaufverhalten der Verbraucher beschleunigt und dazu geführt, dass die Menschen nicht mehr unterscheiden, wo sie einkaufen; sie kaufen einfach so ein, wie es für sie am bequemsten ist, egal wo sie sich gerade aufhalten. Infolgedessen müssen sich Einzelhändler darauf konzentrieren, ein einheitliches, vernetztes Kundenerlebnis zu bieten, das über alle Kanäle hinweg integriert ist und Konsumenten einen Grund gibt, sie zu besuchen und sich bei ihnen aufzuhalten. Dabei ist unerheblich, ob es sich um ein physisches Geschäft, ein Online-Geschäft oder ein Metaversum handelt – die Schaffung eines integrierten Erlebnisses und die Betrachtung der Gesamtleistung wird den Nutzen für Kunden und Einzelhändler letztendlich maßgeblich erhöhen.

Über diesen Artikel

Von Dr. Ludwig Voll

Partner, Strategie, EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Stratege. Digital-Enthusiast. Einzelhandels-Pragmatiker. Manchmal der Hofnarr. Immer stolzer Vater.