Mann schaut auf Bildschirm

KI im Accounting: Wie aus der Black Box eine White Box wird


Intelligente Technologien im Accounting stehen für Fortschritt, aber auch Unsicherheit. Wer KI besser einschätzen kann, gewinnt Vertrauen.

Wenn es um die Automatisierung von Geschäftsprozessen geht, ist Künstliche Intelligenz (KI) derzeit in Unternehmen das beherrschende Thema. Sie verspricht viele Vorteile: KI arbeitet schnell, macht selten Fehler, lernt dazu und optimiert sich so selbst im laufenden Betrieb. Dadurch wird die steigende Komplexität vieler Prozesse erst beherrschbar. Gerade hat das US-Marktforschungsunternehmen Gartner die Bedeutung intelligenter Systeme für Unternehmen erneut unterstrichen: Fortgeschrittene KI und Analytics seien der Megatrend der nächsten Jahre, heißt es im aktuellen „Gartner Hype Cycle 2019“: Der Einsatz dieser Technologie sei entscheidend für den Unternehmenserfolg.

Doch KI bewegt sich in einem Spannungsfeld. Ungeachtet des Fortschritts, den die Fähigkeiten smarter Systeme verheißen, verbreitet sie auch ein Gefühl der Bedrohung: Maschinen könnten die Kontrolle übernehmen und für den Menschen nicht mehr nachvollziehbare Entscheidungen treffen. In vielen Unternehmen sind Entscheider zumindest skeptisch, wie und warum ein selbstlernender Software-Code Entscheidungen mit wirtschaftlichen Auswirkungen treffen soll. KI wird als eine Art Black Box wahrgenommen, verschlossen und undurchschaubar. Diese Unsicherheit behindert die Einführung von KI-Lösungen und lässt sich nur abbauen, indem man Vertrauen in die Technologie gewinnt.



Künstliche Intelligenz wird als eine Art Black Box wahrgenommen, verschlossen und undurchschaubar. Diese Unsicherheit behindert die Einführung von KI-Lösungen.



KI arbeitet am besten in eng begrenzten Bereichen

Es beginnt bereits mit der Begrifflichkeit: Die eine und allwissende Künstliche Intelligenz existiert nicht. KI hat viele Facetten und besteht aus unterschiedlichen Technologien mit verschiedenen Anwendungsszenarien, die mal mehr, mal weniger komplex sind. Die Untertechnologien verleihen lernenden Systemen gewisse Fähigkeiten, die Menschen als Zeichen von Intelligenz wahrnehmen. Das geschieht durch Algorithmen, die auf spezifischen Logiken aufbauen und eine bestimmte Aufgabe erledigen. KI kann Erwartungen am besten erfüllen, wenn sie in eng begrenzten Gebieten eingesetzt wird.

Um diese Gebiete zu bestimmen, hat EY das „AI Lab“ aufgebaut. In dem Labor in Berlin wird systematisch die gesamte Wertschöpfungskette im Finanz- und Rechnungswesen unter die Lupe genommen. Ein international besetztes Team untersucht hier die Mehrwerte von KI und entwickelt entsprechende Anwendungen. Unterstützt werden sie dabei von rund 600 Mitarbeitern aus der technischen Entwicklung quer durch das gesamte Unternehmen. Die fertigen Lösungen stehen den Mandanten zur Verfügung und werden zum Teil auch bei EY selbst angewendet.

Lernen von der Unter- bis zur Oberstufe

Vielversprechende Anwendungsbereiche für KI-basierte Systeme zeichnen sich insbesondere bei der Vor- und Weiterverarbeitung von Finanzdaten ab. Deshalb spielen im AI Lab die Technologien Machine Learning (ML) in Verbindung mit Natural Language Processing (NLP) die größte Rolle. Machine Learning befähigt IT-Systeme, in großen Datenmengen Muster zu erkennen und auf Basis der gewonnenen Erfahrungen neue Daten richtig einzuordnen. ML-Modelle müssen zuerst von Menschen trainiert werden, damit sie die Strukturen von Daten erkennen. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto besser wird das Modell und desto genauer sind die Ergebnisse, etwa eine Vorhersage oder eine Interpretation.

Liegen nicht viele Daten vor, nähert man sich mit einer iterativen Variante des Machine Learnings. Dem Algorithmus wird hierbei an wenigen Datensätzen das Ergebnis präsentiert. Danach wendet er das Erlernte mit Zuführung weiterer Daten selbst an. Im dritten Schritt werden seine unter Umständen falschen Entscheidungen korrigiert. Dieser Vorgang wird unter schrittweiser Erhöhung der Datenmenge wiederholt – und der Algorithmus lernt auf Grundlage des immer weiter wachsenden Wissens stetig dazu.

Belege automatisiert verarbeiten

Auf den Prinzipien des ML baut NLP als weitere bedeutsame KI-Untertechnologie auf. NLP ist eine Methode zur maschinellen Verarbeitung menschlicher Sprache, egal ob gesprochen, gedruckt oder gemailt. Algorithmen erkennen zum Beispiel in Dokumenten Wortbedeutungen und Satzzusammenhänge und interpretieren dadurch Texte – massenweise und mit großer Geschwindigkeit.

Dass auch dafür mehr als nur eine KI nötig ist, illustriert eine Lösung zur automatisierten Belegverarbeitung. Vier intelligente Mechanismen greifen ineinander, um eine Rechnung korrekt zu klassifizieren und zu buchen. Zunächst extrahiert eine KI-Anwendung, die auf die unterschiedlichsten Rechnungsformate trainiert ist, alle notwendigen Informationen, etwa Adressat, Rechnungsbetrag und Einzelpositionen. Ein weiteres eigenständiges System beurteilt im nächsten Schritt diese Informationen hinsichtlich ihrer Relevanz für die Rechnungslegung. Ob Büroklammer oder neues Leasing-Fahrzeug für den Fuhrpark: KI kann relativ trennscharf kategorisieren und daraus ableiten, wie ein Beleg zu bilanzieren ist.



KI ist auf menschliche Logik angewiesen, die ihr beibringt, worum es geht. Die wahre Intelligenz sitzt immer noch vor dem Rechner.




Auf der dritten Stufe entwickelt ein Algorithmus die Buchungslogik auf Grundlage beigebrachter Entscheidungskriterien und schlägt vor, auf welches Konto eine Rechnung zu buchen ist. Diese Entscheidung wird schließlich im vierten Schritt validiert – durch eine Art Spiegel-System, das anders gelernt hat oder teilweise auch regelbasiert funktioniert und die Sinnhaftigkeit der vorangestellten Schritte abgleicht. Diese Ereigniskette hilft, einerseits die Komplexität zu beherrschen und zugleich Vertrauen in die Entscheidungswürdigkeit des Systems zu schaffen. Denn es lässt sich auf jeder Ebene nachverfolgen, wie es zu der Entscheidung gekommen ist. So wird KI zur „White Box“.

Alles wird sich mit KI allerdings nicht lösen lassen. Sie stößt zum Beispiel bei komplexen Sachverhalten an Grenzen, die sich nicht vorab trainieren lassen. KI ist auf menschliche Logik angewiesen, die ihr beibringt, worum es geht. Deshalb bewegt sich die Technologe im Rechnungswesen momentan noch auf der Assistentenebene: Allgemeingültige Aussagen oder strategische Entscheidungen kann eine intelligente Maschine heute noch nicht treffen. Die wahre Intelligenz sitzt immer noch vor dem Rechner.

Doch Wissen um die Fähigkeiten und Limitierungen hilft dabei, Skepsis und Vorurteile gegenüber der Technologie abzubauen. Dann können KI-basierte Lösungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten helfen, das Finanz- und Rechnungswesen von Unternehmen ins digitale Zeitalter zu begleiten.


Optimieren Sie Ihre Kreditorenbuchhaltung

Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz automatisiert und beschleunigt die Software Accounting AI for Payables nicht nur Ihren Rechnungseingang, sondern macht auch alle Arbeitsschritte bis zur Freigabe transparenter. So erhält Ihr Team größere Entscheidungssicherheit.

Person mit einer Dekorleuchte in der Hand

Fazit

Für viele Unternehmen ist Künstliche Intelligenz (KI) gleichbedeutend mit einer Black Box: Sie ist da, doch ihr Inneres bleibt verborgen und geheimnisvoll. Dabei würde es sich im Accounting lohnen, KI bei der Verarbeitung von Finanzdaten zu nutzen, um bestimmte Prozesse zu verkürzen und zu vereinfachen. Das funktioniert, indem verschiedene KI-basierte Systeme ineinander greifen und vom Menschen lernen.


Über diesen Artikel

Autoren