Mann surft auf dem Meer gegen den klaren Himmel

Vom Müssen zum Wollen: Lassen sich ESG-Vorgaben in Chancen verwandeln?

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Was mit ESG auf Unternehmen zukommt und wie es gelingt, die gesetzlichen Anforderungen im Risikomanagement unter einen Hut zu bringen


Überblick

  • CSRD, EU-Taxonomie, Lieferkettengesetz: Auf Unternehmen rollt eine Welle neuer Anforderungen zu.
  • Um die Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen, brauchen Unternehmen mehr als nur ein paar zusätzliche Daten.
  • Wer aus Pflichten Chancen machen will, integriert die ESG-Daten in das Risikomanagement und nutzt sie zur Unternehmenssteuerung.

Mit dem European Green Deal will die Europäische Kommission die EU bis 2050 klimaneutral machen und nachhaltiges Wirtschaften fördern. Der Weg zu diesem Ziel ist mit einer Reihe neuer Gesetze und Standards gepflastert, darunter die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die EU-Taxonomie und das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Die besondere Herausforderung für Unternehmen: Die verschiedenen regulatorischen Anforderungen überschneiden sich zwar inhaltlich in einigen Punkten, haben jedoch alle einen unterschiedlichen Fokus. Was auf die Unternehmen zukommt und wie es gelingt, alle Anforderungen im Risikomanagement unter einen Hut zu bringen, erfahren Sie in diesem Artikel.

European Green Deal
soll die EU nach dem Willen der Europäischen Kommission klimaneutral sein.

Alle großen Unternehmen in der Europäischen Union (EU) müssen ab 2025 die Auswirkungen ihrer Geschäftsaktivitäten auf die Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) offenlegen. Dabei sind auch kleine und mittlere Unternehmen als Zulieferer oder Kreditnehmer betroffen, da die Nachhaltigkeitsbemühungen großer Unternehmen oder Banken maßgeblich von denen der Zulieferer oder ihres Kreditportfolios abhängen, die damit ebenfalls schrittweise in die ESG-Berichtspflichten fallen.

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CSRD, EU-Taxonomie, Lieferkettengesetz – was die ESG-Vorschriften für Unternehmen bedeuten

Die CSRD regelt, dass Unternehmen über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen in den drei Bereichen Umwelt (Environment), soziale Belange (Social) und Unternehmensführung (Governance) berichten müssen. Der Nachhaltigkeitsbericht soll Aktionären, Investoren und der Öffentlichkeit Auskunft über die Leistungen der Unternehmen etwa zur Anpassung an den Klimawandel, für mehr Biodiversität, beim Übergang zur Kreislaufwirtschaft, für mehr Chancengleichheit, Lohngerechtigkeit, Arbeitsschutz sowie bei der Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen, Bestechung oder Korruption geben. Er wird mit dem Jahresabschluss veröffentlicht und muss separat von einem Wirtschaftsprüfer testiert werden.

Das Ziel der Klimaneutralität erfordert erhebliche Investitionen. Investoren benötigen jedoch verlässliche Informationen, was nachhaltig ist und wie Firmen im Vergleich zu Wettbewerbern abschneiden. Was in diesem Zusammenhang nachhaltig ist, regelt die EU-Taxonomie-Verordnung. Die EU-Taxonomie basiert auf gemeinsamen Nachhaltigkeitszielen wie Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, schonender Nutzung und Schutz von Gewässern und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung sowie dem Schutz oder der Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme. Wirtschaftliche Aktivitäten sind dann nachhaltig, wenn sie ein EU-Taxonomie-Ziel wesentlich fördern, kein anderes verletzen und bestimmte Mindeststandards, vor allem bei Menschen- und Arbeitnehmerrechten, einhalten.




Das Ziel der Klimaneutralität erfordert erhebliche Investitionen. Investoren benötigen jedoch verlässliche Informationen, was nachhaltig ist und wie Unternehmen im Vergleich zu Wettbewerbern abschneiden.




Weitere Bausteine des ESG-Rahmenwerks sind das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz Lieferkettengesetz oder LkSG) und sein noch zu verabschiedendes europäisches Pendant (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, kurz CS3D). Das LkSG verpflichtet Unternehmen ab einer bestimmten Größe, Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße entlang der Lieferkette vorzubeugen und Verletzungen abzustellen. Um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, müssen Hersteller und Händler ihre Lieferanten kennen und bewerten, ob diese alle Umwelt- und Sozialstandards einhalten, dies überwachen und im Einzelfall für Abhilfe sorgen. Die Aufgabe wird umso komplexer, je stärker das Unternehmen weltweit vernetzt ist und je mehr Zulieferer oder externe Anbieter es hat.

Integration der ESG-Anforderungen in das Risikomanagement

Für eine regelkonforme ESG-Berichterstattung benötigen Unternehmen eine Reihe von Kennzahlen, die unterschiedliche Aspekte der Nachhaltigkeitsleistung erfassen. Dazu zählen der Energieverbrauch, Abwassermengen, die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen oder soziale Auswirkungen der Geschäftsaktivitäten. Um die Daten strukturiert zu erfassen, zu bewerten und zu aggregieren, entscheiden sich viele Unternehmen, kein separates Nachhaltigkeitsrisikomanagement aufzubauen, sondern setzen auf die Adaption von ESG-Informationen in die bestehenden Strukturen im vorhandenen Enterprise Risk Management. Nicht alle ESG-Themen sind dabei neu für die Unternehmen, teils befinden sie sich schon lange in den bestehenden Risikoportfolios (zum Beispiel Arbeitsschutzthemen oder Datenschutzaspekte). Es ist weitsichtig, auch die ESG-Daten in ein bestehendes Risikomanagement oder Enterprise-Resource-Planning-System zu integrieren, um das Notwendige mit dem Vorteilhaften zu verbinden und wertvolle Synergien im Risikomanagementprozess und in der Berichterstattung nutzen zu können. Schließlich ist nachhaltiges Wirtschaften betriebswirtschaftlich sinnvoll: Wer weniger Energie und Ressourcen verbraucht, spart Geld und Zeit. Eine robuste Lieferkette und antizipierte Klimafolgen verringern das Risiko von Ausfällen oder Rechtsstreitigkeiten. Überzeugende Nachhaltigkeitsleistungen helfen bei der Suche nach Fachkräften, verringern die Fluktuation und helfen der Reputation. Nicht zuletzt gewinnen ESG-Faktoren für Investoren und die Bewertung von Unternehmen immer mehr an Bedeutung.




Wer die ESG-Anforderungen in das Risikomanagement integriert, kann das Notwendige mit dem Vorteilhaften verbinden.




Potenziale im Rahmen der regulatorischen Anforderungen nutzen

Die verschiedenen regulatorischen Anforderungen decken jeweils andere Aspekte von Nachhaltigkeit ab, mit thematischen Überschneidungen. Während sich etwa das LkSG auf die Lieferkette bezieht, betrifft die CSRD das gesamte Unternehmen. Es gibt jedoch auch Schnittmengen, die Unternehmen nutzen können, um ihre Nachhaltigkeitsrisiken effizienter zu managen (unter anderem im Zusammenhang mit der Erfassung von Menschenrechtsrisiken wie beispielsweise der Vermeidung von Kinderarbeit aus § 2 Abs. 2 LkSG und den Anforderungen aus den ESRS S1-Berichtstandards zu „Own Workforce“). So könnten die im Rahmen des Lieferkettengesetzes erhobenen Daten zu Risiken von Produktionsausfällen aufgrund von sozialen Unruhen oder Umweltschäden bei Lieferanten in das Risikomanagement des Unternehmens einfließen, um soziale und ökologische Risiken zu erfassen. 

Im Rahmen der CSRD können Faktoren wie eine diverse Belegschaft oder bessere Sozialleistungen erhoben werden, die helfen, soziale Risiken wie Arbeitsausfälle durch unzufriedene Mitarbeitende oder Diskriminierung zu managen. Auch hierbei können inhaltlich zu den Anforderungen der LkSG verwandte Themen und Interdependenzen genutzt werden, um die Prozesse schlanker zu gestalten und eine gemeinsame Grundlage für die Berichterstattung aus dem Risikomanagementprozess heraus zu nutzen. Darüber hinaus können die jeweiligen thematischen Fachleute (zum Beispiel Risk Owners) entlastet werden, indem die verwandten Themen gemeinsam aus einer Risikoeinschätzung heraus berichtet werden, anstelle einer Silobetrachtung.

Setzt ein Unternehmen vermehrt auf Kreislaufwirtschaft, ergeben sich nicht nur ökologische Vorteile im Sinne der EU-Taxonomie, sondern auch Kosteneinsparungen als finanzieller Nutzen. Ein Unternehmen kann zum Beispiel die EU-Taxonomie-Verordnung thematisch in die Risikomanagementperspektive integrieren, um die mit seinen wirtschaftlichen Aktivitäten verbundenen Risiken und Chancen zu ermitteln. Das Unternehmen kann diese Informationen daraufhin nutzen, um eine Risikomanagementstrategie zu entwickeln und umzusetzen sowie Chancen für Investitionen in nachhaltige Aktivitäten zu identifizieren. Darüber hinaus kann das Unternehmen diese Informationen dafür verwenden, seine CSRD-Berichterstattung zu ergänzen und ein Benchmarking der eigenen Performance im Vergleich zu anderen Unternehmen des Sektors durchzuführen.

Die Integration der regulatorischen Anforderungen zur Nachhaltigkeit in das Risikomanagement ist eine komplexe Aufgabe. Unternehmen, die dies frühzeitig angehen, können Pflichten in Chancen verwandeln. Sie nutzen die gesetzlichen Vorgaben als Orientierung für die Integration von Nachhaltigkeitsthemen in die gesamte Unternehmensstrategie. Dies gelingt mit der Schaffung einer gemeinsamen Grundlage durch das Risikomanagement, um die verschiedenen Anforderungen der Risikoanalysen an den Stellen zusammenzuführen, wo es sinnvoll ist, und wichtige Synergieeffekte zu nutzen. Davon profitiert nicht nur das Unternehmen selbst, sondern die Gesellschaft als Ganzes.

Fazit

Den gesetzlichen Anforderungen zur Nachhaltigkeit kann sich kein Unternehmen entziehen. Warum nicht das Erforderliche mit dem Nützlichen verbinden? Indem die ESG-Anforderungen in das Risikomanagement des Unternehmens eingebunden werden, lassen sich die Nachhaltigkeitsziele effizienter managen und gleichzeitig betriebswirtschaftlich nutzen.

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